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LAIRE/1236: Selektionsmittel Intelligenztest - Vertiefung der Klassengesellschaft (SB)


Unionspolitiker fordern Intelligenztest für Einwanderer


Allmählich entblößt die Globalisierung ihr häßliches Gesicht. Die Bildung der Weltgesellschaft zielt nicht auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse aller Menschen auf einem möglichst hohen Niveau ab, sondern auf die nicht mehr zu überbrückende Teilung der Welt in Ausbeutungs- und Nutzungsländer, wobei sich diese Dichotomie innerhalb der jeweiligen nationalen Gesellschaften fortsetzt.

Während deutsche Politiker unverhohlen aussprechen, was die Spatzen längst von den Dächern pfeifen, nämlich daß Deutschland Ressourcensicherungskriege betreibt, verschlechtern sich die Lebensverhältnissen in den Zielländern zunehmend. Der Klimawandel, die allgemeine Ressorcenverknappung, der verbreitete Nahrungs- und Wassermangel sowie die Zerstörung der Umwelt und damit der vorhandenen oder potentiell zu erschließenden Lebensräume wird die Not noch vergrößern.

Die weltweite Absetzbewegung der sich als Elite wähnenden Menschen von der allgemeinen Not ihrer Artgenossen macht auch und gerade vor dem relativ wohlhabenden Deutschland nicht Halt. In völliger Ausblendung der weltgesellschaftlichen Veränderungen, die sie als Mitglieder einer führenden Wirtschaftsmacht mitproduzieren und von denen sie profitieren, befleißigen sich deutsche Politiker, Ökonomen, Wissenschaftler und Philosophen immer unverhohlener sozialdarwinistischer Kategorien, um den wachsenden Mangel an Lebensvoraussetzungen und -chancen in den Ländern des Südens, zunehmend aber auch in den traditionellen Wohlstandsregionen, als vermeintlich unabänderlich, schicksalhaft, im Kern selbstverschuldet gegen die Betroffenen in Stellung zu bringen und sie von ihren räuberisch erstrittenen Privilegien fernzuhalten.

So forderte der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU, Peter Trapp, laut der Bild-Zeitung die Einführung eines Intelligenztests für Einwanderer. Bei der Zuwanderung müßten Kriterien festgelegt werden, "die unserem Staat wirklich nützen". Neben einer guten Berufsausbildung und fachlichen Qualifikation müsse "auch die Intelligenz" ein Maßstab sein. Wörtlich sagte Trapp: "Ich bin für Intelligenztests bei Einwanderern. Wir dürfen diese Frage nicht länger tabuisieren." [1] Ins gleiche Horn stieß der Europaexperte der CSU Markus Ferber: "Humane Gründe wie Familiennachzug können auf Dauer nicht das einzige Kriterium für Zuwanderung sein!" Als Vorbild nannte er Kanada. Das ist laut Ferber viel weiter "und verlangt von Zuwandererkindern einen höheren IQ als bei einheimischen Kindern".

Der sogenannte Intelligenztest besitzt keine andere Funktion als die der Selektion. Insofern können sich die beiden Unionspolitiker auf der sicheren Seite wähnen, die Intention der IQ-Tests getroffen zu haben. In ihnen wird im wesentlichen die Anpassungsbereitschaft gegenüber Anforderungen der gesellschaftlichen Reproduktion und dementsprechend die Nützlichkeit als Verwertungssubjekt abgefragt und attestiert. Wer beispielsweise einen IQ von 130 besitzt und damit hausieren geht, darf den gleichen Stolz wie der Vierbeiner empfinden, der sein Häufchen am richtigen Platz abgelassen hat und für seine Gelehrigkeit belohnt wird.

Immigrantenkinder sind dümmer - mit solchen ontologischen Bestimmungen haben die Sarrazin und Sloterdijk in jüngster Zeit ihr beschränktes Weltbild zu bestätigen versucht. Letztlich betreiben sie dabei nichts anderes als simples archaisches Auf-die-Brust-Trommeln. Sie blecken die Zähne und verteidigen ihren Affenfelsen gegen mutmaßliche Freßkonkurrenten. Auch nur die Idee einer Überwindung dieses biologischen Entwurfs muß ihnen vollkommen fremd sein. Was das über die Weltanschauung und Philosophie aussagt, die diese Menschen als geistige Ergüsse verbreiten, braucht wohl nicht weiter vertieft zu werden.

Die Einführung eines Intelligenztests für Einwanderer knüpft an die verschärften Zugangsbedingungen für Ausländer an, die neben deutschen Sprachkenntnissen auch unter anderem in Stadt-Land-Fluß gut sein und über staatliche Funktionen und Strukturen Deutschlands Bescheid wissen müssen. Nur den vermeintlich Besten soll das Privileg eingeräumt werden, dem deutschen Staate dienen zu dürfen.

Die Stigmatisierung von Hartz-IV-Anspruchsberechtigten, deutschstämmig oder nicht, beweist allerdings, daß hier längst elitäres mit rassistischem Gedankengut zum Wahn einer Suprematie verschmolzen ist, die fast schon pathologische Züge angenommen hat. Heute befinden sich die vermeintlich minderbemittelten Einwanderer im Fadenkreuz, morgen werden es auch die Stammtischler sein, nach deren Mund angeblich Politiker wie Trapp und Ferber reden. Ihr Begehren, Einwanderer einem Intelligenztest zu unterziehen, stellt impliziert das Eingeständnis des Scheiterns ihrer eigenen Bildungspolitik dar.


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Anmerkungen:

[1] "Politiker von CDU und CSU fordern neue Einwanderungskriterien - bis hin zum IQ-Test!", BILD, 27. Juni 2010
http://www.bild.de/BILD/politik/2010/06/28/intelligenztest-fuer-einwanderer/neue-einwanderungskriterien-zuwanderung-iq-test.html##

28. Juni 2010