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LAIRE/1233: Nahrungsverteilung ohne Umweg über Bargeld - das Zukunftsmodell (SB)


Hunger made in USA

Fast 40 Millionen US-Bürger auf Lebensmittelhilfe angewiesen


Im reichsten Land der Welt bekommt fast jeder vierte Einwohner mindestens einmal im Jahr Berührung mit administrativer Lebensmittelhilfe, beispielsweise im Schul-, Mütter- oder Seniorenprogramm. Mit Abstand am umfangreichsten ist das Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP), das früher Food Stamp Program genannt wurde und ein recht guter Anzeiger für die Verarmung im Land abgibt. 39,5 Millionen von rund 306 Millionen US-Bürgern erhalten inzwischen Lebensmittelzuschüsse durch SNAP. Die Zahl hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Die Anspruchsberechtigten bekommen kein Bargeld, das sie nach Belieben ausgeben dürfen, sondern elektronische Gutschriften, und können sich Produkte aus einem vorgegebenen Warenkorb aussuchen. Das bedeutet jedoch, daß ein erheblicher Anteil der US-Bevölkerung partiell oder vollständig vom Staat versorgt werden muß, weil er keine Arbeit findet oder seine Arbeit zu schlecht bezahlt wird und für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreicht.

Der mit der Organisation dieser Form der Nahrungsverteilung betraute Food and Nutrition Service (FNS), einer dem Landwirtschaftsministerium unterstellten Behörde, macht auf seiner Website gute Stimmung, unter anderem durch die neue Initiative "SNAP Retail Locator". Die SNAP-Berechtigten können online nach einem Shop in ihrer Nähe suchen, bei dem die "Benefits" nicht einfach nur akzeptiert werden, sondern bei dem sie sogar willkommen sind. Das soll den Bedürftigen das schlechte Gefühl nehmen, auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein.

Aber damit kann der Notcharakter des bundesweiten Ernährungsprogramms nicht verdeckt werden. Selbst für ein Land, das sich nicht wie die USA Liberalismus auf die Fahne geschrieben hat, wäre eine derart umfangreiche staatliche Lebensmittelversorgung der Bevölkerung ungewöhnlich.

Hunger in den USA - was Mitte der neunziger Jahre unter Präsident Bill Clinton noch als ein vorübergehendes Massenphänomen gedeutet wurde, hat sich nach einer kurzen Phase der Verbesserung zu einem chronischen Mangel entwickelt. 1996 erhielten 26,6 Millionen Einwohner Lebensmittelgutscheine. Im Jahr 2000 war die Zahl auf 17,2 Mio. zurückgegangen, um von das aus wieder kräftig anzuziehen. 2005 gab es bereits 25,7 Mio., 2009 rund 31 Mio. Einwohner, die ohne Lebensmittelhilfe hätten hungern müssen. Wie gesagt, heute sind es fast 40 Millionen. Annähernd den gleichen statistischen Kurvenverlauf nahm die Zahl derjenigen, die von religiösen oder privaten Wohlfahrtsorganisationen wie Second Harvest Unterstützung erhielten. (In Deutschland erfüllen vor allem die Tafeln diese kompensatorische gesellschaftliche Funktion.)

Mit der Zuteilung von Nahrung ohne den gewohnten Umweg über einen Tausch mit Bargeld oder elektronischer Währung wird das Zukunftsmodell für eine Gesellschaft geschaffen, in der erstens nicht mehr genügend bezahlte Arbeitsplätze für alle bereitgestellt und die "Überschüssigen" befriedet werden und in der zweitens die freie Verfügbarkeit von Geld abgeschafft wird. Als nützliches Mittel zur Sicherung der Herrschaft derjenigen, die das Geld herausgeben und kontrollieren, hat es ausgedient. Heute können die Menschen noch wählen, was sie mit ihrem Geld kaufen wollen. In bevorstehenden Zeiten des Mangels werden immer mehr Formen direkter Zuteilung von Nahrung, Wasser, Energie, etc. etabliert, ähnlich wie beim SNAP vorexerziert und womöglich gebunden an Kriterien wie gesellschaftliche Nützlichkeit sowie als "grüne" Variante in Abhängigkeit vom ökologischen Fußabdruck des Individuums.

27. Mai 2010