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LAIRE/1224: Neues aus der mangeladministrativen Begleitforschung (SB)


Laut US-Studie machen fette Speisen süchtig

Vielleicht sollten jene, die das behaupten, einfach mal aufhören zu essen ...


Es paßt in die heutige Zeit multipler globaler Krisen und der Entwicklung einer administrativen Mangelregulation, daß Wissenschaftler angeblich Hinweise gefunden haben, wonach fettes (und damit energiereiches) Essen süchtig macht. Denn um zukünftige Einschränkungen der Ernährungssicherheit auch in den Industriestaaten durchzusetzen und dennoch die staatliche Ordnung aufrechtzuerhalten, bedarf es des propagandistischen Begleitfeuers aus den Forschungslaboren. Womöglich werden große Menschenmassen aus der Versorgung mit dem Notwendigsten zum Überleben herausfallen, das soll aus der Sicht des Staates keine Unbotmäßigkeit der Menschen wecken. Deshalb werden sie vorsorglich weichgekocht, so lassen sie sich besser verfügen.

Wie kann man hungrige Mäuler verschließen, ohne sie satt zu machen? Diese Aufgabe ist komplex. Die Wissenschaft liefert einige passenden Instrumente, um sie zu lösen. Da nur Experten, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium und jahrelange Forschungspraxis hinter sich haben, verstehen können sollen, wird der mutmaßliche Beweis für die Behauptung, daß nahrhaftes Essen süchtig macht, ins Gehirn verlegt. In einem sich gegenseitig beeinflussenden Wechselspiel neuronaler Impulse und chemischer Reize liegt nach Ansicht der Forscher Paul Kenny und Paul Johnson vom Scripps Research Institute in Jupiter (US-Bundesstaat Florida) ein Schlüssel zur Ursache menschliches Verhaltens. Wobei das bis heute von der Wissenschaft nicht gelöste Dilemma kausaler Konzepte und Modelle, nämlich nicht sicher bestimmen zu können, was Ursache und was Folge ist, geflissentlich ignoriert wird. Im aktuellen Beispiel wäre zu fragen, ob die gemessenen Hirnaktivitäten eine Ursache oder eine Folge des Verhaltens sind und darüber hinaus, ob nicht grundsätzlich die angenommene kausale Verknüpfung zwischen Hirn und Handlung bereits spekulativ ist.

Im ersten Teil ihres Experiments hatten die Forscher Ratten mit leckeren Speisen gefüttert. Die Tiere erhielten Würstchen, Schinkenspeck, Käsekuchen, so viel sie wollten. Das ließen sich diese nicht zweimal sagen und futterten auf Teufel komm raus. Wie nicht anders zu erwarten, legten die Ratten rasch an Gewicht zu. Das ist ihr natürliches Verhalten, dadurch sichern sie ihr Überleben. Keine Ratte ist so dumm, auf ihre schlanke Linie zu achten. Anders gesagt, sollte es jemals Ratten gegeben haben, die aus welchen Gründen auch immer nichts fraßen, obgleich ein üppiges Nahrungsangebot bestand, dürften sie aufgrund ihres Verhaltens inzwischen ausgestorben sein. Denn der dicke Bauch sichert das Überleben in Zeiten des Nahrungsmangels.

Nachdem die Ratten von den Forschern auf die volle Fettlebe konditioniert wurden, begann der zweite Teil des Experiments, der sozusagen die verinnerlichte Befürchtung der Tiere vor Zeiten des Mangels zutiefst bestätigte. Die Nager wurden auf Diät gesetzt und erhielten nur noch Salat und Gemüse, was sie aber verständlicherweise verschmähten. Die Forscher interpretieren diese Ablehnung als Suchtfolge, also Abhängigkeit von fetten Speisen. Aber man kann das auch anders sehen: Die Tiere waren nicht nur auf fette, energiereiche Speisen konditioniert und warteten dementsprechend auf das nächste Würstchen, sondern sie hatten es auch nicht nötig, an Salat und Gemüse zu knabbern, da sie sich zuvor, schlau wie sie sind, genügend Fett angefressen hatten, um eine Zeit des Mangels zu überstehen. Man kann davon ausgehen, daß die Laborratten, sofern sie nicht vollkommen degeneriert sind, irgendwann wieder angefangen hätten, Salat und Gemüse zu fressen, wenn ihnen alles andere vorenthalten wird. Und daß sie sich trotz leichter Elektroschocks nicht vom Fressen fettreicher Nahrung abhalten ließen, muß ebenfalls nicht zwingend mit Suchtverhalten zu tun haben. Denkbar ist auch, daß sie zwischen Schmerz und Überlebenssicherung abgewoben haben.

Laut "Spiegel Online" (30.3.2010) betonten die Forscher zwar, daß die Ergebnisse nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar seien, aber die Studie zeige, "dass übermäßiger Konsum von kalorienreicher Nahrung suchtähnliche Reaktionen im Gehirn auslösen kann und dass Junk Food Ratten in zwanghafte Esser verwandeln kann."

Zwanghaftes Essen? In der Biologie nennt man das ganz einfach Überlebensinstinkt. Mit der Aussage, daß die Rattenexperimente nicht "eins zu eins" auf den Menschen übertragbar sind, werden die Versuche schöngeredet und es wird unterstellt, daß sie zumindest "eins zu zwei", also "irgendwie" auf den Menschen übertragbar sind. Schließlich waren die Forscher nicht angetreten, um verhaltensbiologische Erkenntnisse über Ratten zu gewinnen, sondern über Menschen.

Wenn aber unterstellt wird, daß energiereiche Nahrung süchtig macht, dann ergibt sich die Schlußfolgerung wie von selbst: die Menschen müssen von ihrer Sucht befreit werden. Was logischerweise darauf hinausläuft, ihnen fette, energiereiche Nahrung vorzuenthalten. Das heißt, sie sollen mit billigen Ersatzstoffen, die den Magen füllen und beruhigen, aber keinen Gehalt haben, abgespeist werden.

Aus diesem Grund paßt die Studie in die heutige Zeit, in der einerseits mehr als eine Milliarde Menschen nicht genügend zu essen hat, andererseits unter den Bewohnern der relativ wohlhabenden Weltregionen in den letzten Jahrzehnten eine durchschnittliche Gewichtszunahme zu beobachten ist, die in einer breiten Kampagne gegen die Betroffenen instrumentalisiert wird. Der Suchtbegriff stellt die passende Klammer über einerseits das vermeintlich schuldhafte Verhalten des Individuums (falsche Ernährung, zu wenig Sport, ungesunde Lebenseinstellung) und andererseits seiner Therapiebedürftigkeit und auch Therapierbarkeit dar. Damit bekommt die Mangelverwaltung ein Instrumentarium an die Hand, willkürlich Menschen administrativen Zwangsmaßnahmen zu unterwerfen oder bei Weigerung als zugleich unbelehrbar und unheilbar zu stigmatisieren. Beides läuft darauf hinaus, Menschen aus der Nahrungsversorgung herauszunehmen.

Krisenbewältigung erfordert nun mal unschöne bevölkerungspolitische Zwangsmaßnahmen, da müssen die (Überlebens-)Interessen des Einzelnen gegenüber dem Wohl der Gesellschaft zurückstehen. Wer das für eine übertriebene Sichtweise der vorherrschenden Doktrin hält, sollte sich in Erinnerung rufen, daß bereits heute über eine Milliarde Menschen vernachlässigt und teils aktiv davon abgehalten wird, ihr Überleben in klimatisch günstigeren und versorgungsmäßig zur Zeit noch vorteilhafteren Regionen zu sichern.

30. März 2010