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LESERBRIEFE/017: Chapeau für den italienischen Staatspräsidenten (Doris Tatus)


Chapeau für den italienischen Staatspräsidenten

von Doris Tatus, 3. Mai 2017


Der italienische Staatspräsident, Sergio Mattarella, hat zum 80. Todestag der Ermordung des großen italienischen und internationalen kommunistischen Führers, Antonio Gramsci, am 27. April im Montecitorio, dem Sitz der Abgeordnetenkammer in Rom, an einer Gedenkveranstaltung zur Eröffnung einer Ausstellung von neu erschienen Briefen, die er aus dem Kerker schrieb, und seiner berühmten Gefängnishefte teilgenommen. Mattarella ist ein Vertreter der, wie man sagt, politisch herrschenden, was heißt, der die Interessen des Kapitals vertretenden Klasse. Dennoch besitzt er den Anstand, diesem großen Sohn des italienischen Volkes seine Achtung und seinen Respekt zu bezeugen. Das sind noch immer bemerkenswerte Unterschiede, beispielsweise zur Haltung der in Deutschland herrschenden "politischen Klasse" und es ist gut, dass der "Schattenblick" darüber berichtete (G. Feldbauer: "Beindruckende Ehrung zum 80. Jahrestag des Todes Antonio Gramscis. Staatspräsident Sergio Mattarella auf Gedenkveranstaltung in der Abgeordnetenkammer", Ausgabe vom 28. April (*)).

Das erinnert schließlich auch daran, dass Vertreter der führenden Kapitalkreise Italiens angesichts der bei Stalingrad sich abzeichnenden Niederlage Hitlers mit der Achse mit Deutschland brachen und im Juli 1943 Mussolini stürzten und der danach gebildete Regierung seit April 1944 zusammen mit den bürgerlichen Parteien auch Kommunisten und Sozialisten angehörten, womit das von Gramsci konzipierte antifaschistische Bündnis des "Historischen Blocks" in der Praxis verwirklicht wurde. In Hitlerdeutschland ließen dieselben führenden Kapitalkreise die Attentäter um Graf Schenk von Staufenberg im Juli 1944 im Stich und standen bis fünf Minuten vor 12 Uhr an der Seite des Faschismus. Und es wäre auch undenkbar gewesen, dass der von CDU/CSU und SPD 2012 gemeinsam ins höchste deutsche Staatsamt gehievte vor Antikommunismus triefende frühere Pastor Joachim Gauck, das er bis März dieses Jahres inne hatte, auch nur annährend so viel Anstand besessen hätte, beispielsweise an einer Ehrung des von Hitler ermordeten Führers der deutschen Kommunisten, Ernst Thälmann, teilzunehmen. Ob das auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen ist, dass der Vater des besagten Gauck eben diesem Regime diente, soll hier dahin gestellt bleiben.

Der Beitrag im "Schattenblick" erinnerte auch noch einmal daran, dass das revolutionäre Erbe Gramscis von den Linken Italiens auch in ihrer anhaltenden Krise bewahrt wird. Wozu bereits am 27. April zum Todestag Gramscis im "Schattenblick" die Rezension erschien: "Giuseppe Fiori schrieb eine Biographie über ihn, die auch weniger bekannte Eindrücke aus dem Leben dieses standhaften kommunistischen Führers vermittelt". (**)


(*) Siehe im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → Infopool → Europool → Politik
ITALIEN/175: Beindruckende Ehrung zum 80. Jahrestag des Todes Antonio Gramscis (Gerhard Feldbauer)

(**) Siehe im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de → Infopool → Buch → Meinungen
BUCHBESPRECHUNG/127: "Das Leben des Antonio Gramsci" von Giuseppe Fiori (Biographie) (Gerhard Feldbauer)

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Quelle:
© 2017 by Doris Tatus
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2017

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