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LESERBRIEFE/012: Zum SB-Bericht über den Vortrag von John Holloway (Thomas Immanuel Steinberg)



Zum Schattenblick-Bericht:
John Holloway - Wir sind die Krise des Kapitalismus (SB)

unter: POLITIK → REPORT → BERICHT/091


Leserbrief:

Mittwoch, 25. Januar 2012

Betreff: Über den lähmenden Blick auf die Erfolgsaussichten - und über Geld


Über den lähmenden Blick auf die Erfolgsaussichten - und über Geld
Kurze Bemerkungen zu einem Schattenblick-Bericht

In Anlehnung an John Holloway schreibt Schattenblick [2] (1):

Das Dilemma, das herrschende Gewaltverhältnis zwar überwinden zu wollen, sich jedoch zuvor des Erfolgs dieses Kampfes zu vergewissern, ist eine wirksame Strategie, ihn im Keim zu ersticken. Vergessen wird dabei, daß Erfolg eine Kategorie der Gewinner ist, die gar nicht vorhaben, die Verhältnisse in einem Sinne zu verändern, der sie nicht zuverlässig fortschreibt. Holloway geht demgegenüber von der Wirksamkeit ihrer konsequenten Negation aus, ja er präzisiert den Begriff der Menschenwürde als Entfaltung der Macht des Nein. Wer daran festhält, anstatt sich auf Perspektiven kalkulierbaren Erfolges zu verlegen, geht von nichts anderem als der Inakzeptanz der erlittenen Ohnmacht aus und verschwendet keinen Blick auf Erfolgsaussichten, die im besten Fall ein gutes Ruhekissen sind und im schlimmsten Fall der Aufhebung jeglichen widerständigen Potentials zuarbeiten.

Der Schattenblick-Bericht enthält weitere wertvolle Hinweise. Zustimmen kann ich auch folgendem Halbsatz:

Grundsätzlich könne es nicht darum gehen, den Grund der Krise in irgendeinem Exzeß der Banken zu verorten...

Der Halbsatz ist jedoch wie folgt eingekleidet:

Die Rolle des Geldes als Mittel zum Verschließen der Risse erläuterte Holloway am Beispiel Griechenlands. Dort habe das Geld mehr als in irgendeinem anderen Ort der Welt seine Maske abgenommen und das dahinterstehende Kommando erteilt: Arbeit, Arbeit, Arbeit, schneller, schneller, schneller. Geld sei zwar ein Zahlungsmittel, aber es sei vor allem ein konstanter Angriff auf uns. Die Dynamik des Wertgesetzes sorge dafür, daß alle menschliche Arbeit in wertproduzierende Arbeit verwandelt wird und dies immer schneller erfolgt. Holloway zeigte sich begeistert über den vieltausendfachen Widerstand, mit dem die griechische Bevölkerung gegen die ihr aufoktroyierte Sparpolitik aufsteht. Gleichzeitig hätten die Finanzmärkte und die mit ihnen verbandelten Politiker deutlich gemacht, daß diese Demonstrationen ihnen nichts bedeuten. Um so mehr gelte es, die Macht und Herrschaft des Geldes zu brechen, und zwar weltweit...

... Grundsätzlich könne es nicht darum gehen, den Grund der Krise in irgendeinem Exzeß der Banken zu verorten, sondern er sei eingebaut in das Geldverhältnis, in das Verhältnis der Mehrwertproduktion. Dabei handle es sich nicht um ein stabiles Verhältnis, sondern eine permanente Aggression uns gegenüber. Das Kapital greife ständig an, Geld sei die Charaktermaske dieses Angriffs und müsse daher abgeschafft werden...

Die Ausführungen zum Geld sind vielleicht metaphorisch gemeint. Doch sie legen den Fehlschluß nahe, Geld habe tatsächlich Macht und übe Herrschaft aus - als ob nicht Menschen uns beherrschten (2), sondern eine Art Voodoo-Zauber. Richtig, Geld wird im Kapitalismus fetischisiert, und zwar heftig. Genau dieser Fetischisierung gilt es aber, und das sehr dringend, gedanklich zu entkommen. Geld ist zuerst einmal als das zu betrachten, was es schon vor langer Zeit war und heute immer noch ist: Schatz, Tauschmittel und/oder Kredit, und somit nicht mehr als ein Notizzettel, nur praktischer. Geld bildet zwischenmenschliche Beziehungen ab. Na und.

Selbst im Kapitalismus, in welchem sich das Kapital den durch Arbeit hervorgebrachten Mehrwert einverleibt, behält Geld seine Rolle als Notizzettel, als Abbild von Beziehungen zwischen Menschen, und somit auch als Abbild von Macht- und Herrschaftsbeziehungen. Es wird freilich, und darin liegt gerade die Crux, geradezu grenzenlos fetischisiert, als würde es selber herrschen - wo doch in Wahrheit niemand anders als Menschen, mittels Aneignung des von anderen Menschen erbrachten Mehrwerts, herrschen und wo doch das Geld (genauer: das geldwerte Kapital) auch weiterhin nur anzeigt, wer da herrscht und wer beherrscht wird.

Erst die schier unfaßliche Fetischisierung des Geldes erlaubt dem Geldmonopolisten, also dem Staat, bzw. den Euro-Staaten, einem Volk zum Beispiel Sparpolitik aufzuoktroyieren. Demnach gilt es also nicht, wie oben vom Schattenblick über John Holloway berichtet, "die Macht und Herrschaft des Geldes zu brechen", sondern, so denke ich, die im Geld nur abgebildeten gräßlichen gesellschaftlichen Beziehungen, also die Ketten zwischen Herrschern und Beherrschten zu sprengen: die Arbeitsbeziehungen, die vielen anderen Gesetzes- und Vertragsbeziehungen, die kulturellen und die übrigen ideologischen Beziehungen. Im Zuge dieser Befreiung dürfte dann Geld keine Rolle spielen außer der, die es immer gehabt hat: die eines praktischen Notizzettels.

Konsequente Negation? Ja. Ja auch zur Abwendung vom ängstlichen Erfolgskalkül. Nein freilich zur Beschwörung der Macht des Geldes: Könnte sie doch manch Unbedarften zum Einbiegen in Silvio Gesells Sackgasse verleiten. (3)

T:I:S, 25. Januar 2012


Anmerkung:
(1) John Holloway - Wir sind die Krise des Kapitalismus. Bericht über eine Diskussion im Hamburger Centro Sociale am 8. Dezember 2011. Schattenblick [2], 23. Januar 2012
(2) Dazu siehe Sinnsalabim - Kapitalismus ohne Agenten
(3) Mehr unter Regionalgeld; allgemein zum Geld siehe Berlin gegen alle

[1] http://www.politico.com/news/stories/0409/20871.html
[2] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0091.html

URL dieses Beitags:
http://www.steinbergrecherche.com/alternative.htm#Erfolgsaussichten


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Quelle:
Thomas Immanuel Steinberg
mit freundlicher Genehmigung


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2012