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INTERVENTION/024: Zentralafrikanische Republik - Einnahme von Bangui durch bewaffnete Gruppen befürchtet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2015

Zentralafrikanische Republik: UN-Friedensmission fürchtet Einnahme der Hauptstadt durch bewaffnete Gruppen


Bild: © MINUSCA/UN

Straßenszene in Bangui, Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik
Bild: © MINUSCA/UN

New York/Berlin (IPS) - Die Lage in der Zentralafrikanischen Republik ist weiter instabil. Die UN-Friedensmission vor Ort befürchtet, dass sich bewaffnete Kämpfer auf den Weg in Richtung der Hauptstadt Bangui machen könnten. Bereits jetzt infiltrierten ihre Mitglieder gemäßigtere Gruppen in Bangui, sagte ein UN-Sprecher in New York.

Angehörige der Mission MINUSCA hatten berichtet, mindestens 150 ehemalige Kämpfer von Séléka und der 'Front Popularie pour la Renaissance de Centrafrique' (FPRC) in der Präfektur Kemo unweit der Hauptstadt gesichtet zu haben. "MINUSCA-Vertreter haben sich mit ihrem Anführer, Nourredine Adam, getroffen und ihn gewarnt, dass die Internationale Gemeinschaft ein Vorrücken auf die Hauptstadt nicht akzeptieren würde", sagte der UN-Sprecher.

Die Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der Zentralafrikanischen Republik ist seit April 2014 vor Ort und hat die Stabilisierung des Landes zum Ziel. Um die Bevölkerung vor Gewalttaten bewaffneter Gruppen zu schützen, seien Vertreter der UN-Truppe militärisch gegen Kämpfer der FPRC in Sibut vorgegangen, so der Sprecher. Außerdem seien MINUSCA-Soldaten am Samstag von Unbekannten angegriffen worden. Verletzt worden sei dabei niemand.


Fahrplan für Wahlen steht fest

Die Mission soll fortgeführt werden, bis das Land stabilisiert ist und demokratische Wahlen abgehalten werden können. Das 'Ad-hoc-Wahlkomittee' hat sich derweil auf einen Fahrplan für die Parlamentswahlen geeinigt, der kommende Woche veröffentlicht werden soll.

Vom Dezember 2012 bis März 2013 lieferte sich die damalige Regierung der Zentralafrikanischen Republik Gefechte mit der islamisch dominierten Rebellenkoalition Séléka. Im März 2013 nahm die Rebellenkoalition dann den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Bangui ein und übernahm die Macht. Der bisherige Präsident François Bozizé floh unmittelbar darauf ins Ausland. Von da an kam es immer wieder zu Kämpfen zwischen bewaffneten Anhängern Bozizés - den christlichen Anti-Balaka-Milizen - und den eigentlich für aufgelöst erklärten Séléka.

Der seit rund zwei Jahren andauernde Konflikt hat bisher mehr als 5.000 Menschen das Leben gekostet. Eine im Juli 2014 ausgehandelte Feuerpause wird weitgehend ignoriert.


Blutdiamanten finanzieren islamische und christliche Kämpfer

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass der Konflikt hauptsächlich durch sogenannte Blutdiamanten finanziert werde. Bereits vor dem Konflikt machten Diamanten die Hälfte der Exporte aus der ZAR aus. Seit Mai 2013 ist der Handel mit den wertvollen Rohstoffen in der Zentralafrikanischen Republik allerdings aufgrund des Kimberley-Prozesses verboten. Auf diesen hatten sich Staaten, Diamantenindustrie und Zivilgesellschaft bereits zehn Jahre zuvor geeinigt. Das auf Betreiben der UN-Vollversammlung 2003 etablierte Zertifizierungssystem soll verhindern, dass die Blutdiamanten, mit denen Waffenkäufe und Bürgerkriege finanziert werden, in den internationalen Handel gelangen.

Doch Nachforschungen von Amnesty International haben ergeben, dass große Handelsunternehmen in den vergangenen zwei Jahren Konfliktdiamanten im Wert von mindestens sieben Millionen US-Dollar gekauft haben. Sie horten die Diamanten, um sie zu verkaufen, sobald der seit zwei Jahren geltende Exportbann gekippt wird.

In ihrem am 30. September vorgelegten Bericht "Chains of Abuse: The global diamond supply chain and the case of the Central African Republic" kritisiert Amnesty International, dass die Unternehmen häufig nicht prüfen, ob sie mit dem Kauf bewaffnete Gruppen finanzieren, die für Massenexekutionen, Vergewaltigungen, Verschleppungen und Plünderungen verantwortlich sind. Der Bericht zeigt außerdem unerlaubte Kinderarbeit und Steuervergehen im Diamantensektor auf.

Um herauszufinden, ob weiter Blutdiamanten gehandelt werden, befragten Mitarbeiter der Organisation Minenarbeiter und Diamantenhändler. Dabei zeigte sich, dass beide bewaffnete Gruppen - sowohl die muslimische Séléka als auch die christlich dominierte Anti-Balaka - Diamantenminen kontrollieren und von den Arbeitern und Händlern eine Art Steuer oder auch Schutzgeld verlangen. Mit den Einnahmen beschaffen sich die Milizen Waffen, bezahlen ihre Kämpfer, bereichern ihre Anführer und verbreiten Angst und Schrecken. Fast täglich ist von Anschlägen auf Zivilisten zu hören. Eine im Juli 2014 zwischen den Konfliktparteien in Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, verhandelte Feuerpause wird weitgehend ignoriert.

Die Untersuchungen Amnestys ergaben außerdem, dass die Herkunft der Diamanten in den Handelszentren nicht ausreichend überprüft wird und Blutdiamanten somit in den internationalen Handel gelangen.

Von der Regierung der Zentralafrikanischen Republik fordert Amnesty International, alle Diamanten von Sodiam und Badica zu konfiszieren, solange das Unternehmen nicht beweisen kann, keine der bewaffneten Gruppen finanziert zu haben. Darüber hinaus müsse die Regierung ein effektives und transparentes System etablieren, um den Schmuggel von Diamanten in Konfliktzonen nachhaltig zu unterbinden. Kleine Diamantenschürfer müssten effektiv geschützt werden, um deren Ausnutzung und Kontrolle durch bewaffnete Gruppen zu verhindern. (Ende/IPS/jk/14.10.2015)


Links:

http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52242
http://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/09/companies-must-not-profit-from-blood-diamonds/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2015

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