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RAUB/003: Südsudan - Kinderraub, Viehdiebstahl, verfeindete Völker, die Gewalt nimmt kein Ende (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. September 2011

Südsudan: Kinderraub, Viehdiebstahl, verfeindete Völker - Die Gewalt nimmt kein Ende

Von Miriam Gathigah

Juba, 28. September (IPS) - Der Schrecken steckt Maria Lokolong aus dem südsudanesischen Torit bis heute in den Gliedern. Ein Mann war in ihr Haus eingedrungen und hatte versucht, ihren Zweijährigen zu rauben, während sie das Abendessen für ihre Kinder zubereitete. "Obwohl er mit einem Messer auf mich einstach, ließ ich mein Kind nicht los und schrie um Hilfe. Die Nachbarn haben ihn schließlich vertrieben", berichtete sie. Wie viele andere Frauen im Dorf muss sich Lokolong allein um ihre Familie kümmern. Die Männer suchen in der Hauptstadt Juba nach Arbeit.

"Im Bundesstaat Eastern Equatoria kommen solche Überfälle besonders häufig vor", stellt Naomi Bona von der 'Sudanesischen Frauenunion' fest. Die Kindsräuber suchen vor allem nach Kleinkindern. Sie schlagen abends zu, wenn die Mütter beschäftigt sind. "Tragen die gestohlenen Kinder erst einmal die bei manchen Stämmen üblichen Gesichtsnarben, sind sie kaum noch auffindbar", weiß Richard Lugor, ein Mitglied der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM).

Auch nach dem Ende eines Jahrzehnte langen Bürgerkriegs bleiben traditionelle ethnische Feindschaften im Südsudan ein brisantes Konfliktpotential, unter dem vor allem Frauen und Kinder zu leiden haben. Bei den Kämpfen um Viehherden werden Frauen vergewaltigt und Kinder verschleppt, die zu Soldaten ausgebildet oder an kinderlose Familien verkauft werden.

Die Murle, die größte ethnische Gruppe im Land, sind berüchtigt dafür, dass sie Kinder rauben. Doch auch Nuer und Dinka verschleppen Heranwachsende, wenn sie mit den Murle um Vieh kämpfen. "Kaum jemand spricht darüber, und die Regierung unternimmt nichts", klagt der Friedensaktivist John Locchio. "Doch einfache Lösungen bieten sich nicht an. Im Bundesstaat Jonglei etwa müssen die verschiedenen Ethnien erst einmal lernen, friedlich miteinander auszukommen."


Armee schaut zu

Wie wenig die Regionalregierung von Jonglei bislang mit ihren Bemühungen um ein gewaltfreies Miteinander der Ethnien erreicht hat, zeigt die amtliche Bilanz der hier im August ausgetragenen Viehkriege. 640 Menschen wurden getötet und 761 verletzt. 38.000 Stück Vieh wurden geraubt und 8.924 Häuser niedergebrannt. Zudem wurden nach Schätzungen der UN-Mission für den Südsudan (UNMIS) während des Konflikts 258 Kinder entführt. Die Armee mischte sich nicht ein und begründete ihre Tatenlosigkeit mit dem Fehlen von Personal und Ausrüstung.

Die Vereinten Nationen haben in dem seit Anfang Juli unabhängigen Südsudan in diesem Jahr mehr als 330 gewaltsame Übergriffe registriert, die mindestens 3.000 Menschen das Leben kosteten.

Irgendwo in Bahr el Ghazal, Great Upper Nile und Equatoria, den drei Regionen des Südsudans, die sich wiederum in drei Bundesstaaten unterteilen, brodelt es ständig. Politisch besonders brisant ist die Lage im Nördlichen Bahr el Ghazal. Denn der Bundesstaat grenzt an die kritische sudanesische Provinz Süd-Kordofan.


Zivile Waffen durchkreuzen Befriedungsaktionen

Die große Zahl von Waffen in der Hand von Zivilisten durchkreuzt bislang die Bemühungen um Versöhnung und Abrüstung. Die Regierung in Juba schätzt den Bestand illegaler privater Schusswaffen auf mindestens 2.500. "Die andauernden Konflikte sorgen dafür, dass für viele Frauen das Grauen des Bürgerkriegs immer noch kein abgeschlossenes Kapitel ist", kritisiert Adeng Leek, Mitglied des Regionalparlaments von Jonglei.

Die UN-Direktorin des Frauenprogramms für den Südsudan, Lucie Lugaga, ist zuversichtlich, dass die Frauen im Land dennoch auf bessere Zeiten hoffen dürfen. "In einem Fünf-Stufen-Plan wollen wir ihre Lage verbessern und ihre soziale Situation stärken", berichtet sie. Der für 2012 bis 2013 erarbeitete Entwicklungsplan für den Südsudan sieht auch die wirtschaftliche Förderung von Frauen, den Schutz von Frauen und Mädchen vor Männergewalt und die Beteiligung von Frauen an der Bewältigung von Konflikten vor. Ab 2012 ist mit der Realisierung der Programme zu rechnen. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/unmiss/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105197

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2011