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RAUB/001: Südsudan - Kampf um Vieh, ethnische Konflikte fordern zahlreiche Todesopfer (IPS)



IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. August 2011

Südsudan: Kampf um Vieh - Ethnische Konflikte fordern zahlreiche Todesopfer

Von Charlton Doki

Junger Viehhüter im Südsudan - Bild: © Charlton Doki/IPS

Junger Viehhüter im Südsudan
Bild: © Charlton Doki/IPS


Juba, 25. August (IPS) - Der Südsudan kommt auch nach der Unabhängigkeit vom Norden nicht zur Ruhe. Ethnische Gruppen liefern sich erbitterte Kämpfe um Nutztiere. Bei den Auseinandersetzungen wurden in diesem Jahr bereits mehr als 1.000 Menschen getötet und zahlreiche Frauen und Kinder verschleppt.

In dem jungen rohstoffreichen Staat, in dem täglich etwa 385.000 Barrel Erdöl produziert werden, gilt ein großer Viehbestand als ein wichtiges Statussymbol. In der letzten Zeit häufen sich die Überfälle und die Zahl der Opfer nimmt zu.

Die südsudanesische Regierung steht unter wachsendem Druck, die Ursachen für diese Feindseligkeiten zu beseitigen. Politische Beobachter warnen, dass die unsichere Lage die Entwicklung des jungen Staates behindern könnte. Der Konflikt wird offenbar auch dadurch weiter geschürt, dass Waffen im Südsudan leicht erhältlich sind.

Nach dem Ende des 21-jährigen Bürgerkriegs 2005 ist der Wert von Rindern rapide gestiegen. Viele Männer entschlossen sich in Friedenszeiten zu heiraten und brachten, wie in der Region üblich, Vieh als Mitgift in die Ehe ein.


100 Rinder für eine Braut

Wie James Amuor aus dem Bundesstaat Jonglei IPS berichtete, ist eine Braut bis zu 100 Stück Vieh wert. "Einige junge Männer stehlen Tiere, weil sie selbst nicht genug besitzen, um heiraten zu können", erklärte er. Beim Volk der Dinka bemisst sich die Höhe des Brautgelds an der Körpergröße und am Bildungsstand der künftigen Ehefrau.

Bei dem jüngsten Großangriff am 18. August im Bezirk Uror in Jonglei wurden 640 Menschen getötet und 761 verletzt. 258 Kinder wurden entführt und 38.000 Tiere geraubt. Fast 9.000 Häuser gingen in Flammen auf. Nach Angaben eines Polizeisprechers handelte es sich bei den Aggressoren um bis zu 2.500 junge Männer aus dem Nachbarbezirk Pibor. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 5.000 schwer bewaffneten Angreifern aus.

Ein Vertreter der Vereinten Nationen, der sich Anonymität ausbat, erklärte gegenüber IPS, die Täter hätten Maschinengewehre, Kalaschnikows, Flugabwehrwaffen und Granaten mit sich geführt. Der Angriff war offensichtlich ein Racheakt, da zuvor ethnische Lou Nuer aus Uror die Murle-Ethnie in Pibor überfallen hatten. Dabei waren 400 Menschen getötet, zahlreiche Frauen und Kinder verschleppt sowie Hunderte Rinder gestohlen worden.

Die entführten Frauen sind gezwungen, ihre Kidnapper als ihre Ehemänner zu akzeptieren, die verschleppten Kinder werden in deren Kulturkreis erzogen. Weder die UN-Mission im Sudan noch die Rebellenbewegung Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) gehen gegen solche Überfälle vor. Der Ruf nach einem Einschreiten der staatlichen Sicherheitskräfte wird immer lauter.

Wie Justizminister von Jonglei, Gabriel Duop Lam, einräumen musste, befinden sich mehr Waffen in der Hand von Zivilisten als der Polizei. Der Innenminister des Südsudans, Gier Chuang Aluong, beklagte, dass die unterentwickelte Infrastruktur des Landes die Arbeit der Ordnungshüter erheblich erschwere. "Polizei und SPLA sind nicht in der Lage, zügig auf Fälle von Gewalt in den Gemeinden zu reagieren", sagte Aluong. "Da es nicht genug Straßen gibt, kann es bis zu 72 Stunden dauern, bis die Armee einen Brennpunkt erreicht. Die Angreifer sind dann längst weg."


Viele Waffen in ziviler Hand

Kürzlich beschuldigte Aluong "Feinde" des Südsudans, Zivilisten zu bewaffnen, um das Land zu destabilisieren. Während des Bürgerkriegs gegen die Regierung im Norden hatten sich zwar viele Sudanesen mit Waffen eingedeckt, doch die Viehdiebe besitzen neue Gewehre, die nach Einschätzung der südsudanesischen Regierung in Juba aus dem Sudan kommen.

Die Eskalation der Gewalt wird aber auch auf die staatlichen Schwierigkeiten zurückgeführt, die Zivilisten zu entwaffnen. Der Kommissar von Uror, Tut Puok Nyang, sieht eine vollständige Entwaffnung der Bevölkerung als einzigen Weg, um die tödlichen Angriffe zu beenden.

Ahmed Thurbil, der den Verlust von Angehörigen bei den Zusammenstößen am 18. August zu beklagen hat, beschuldigt die südsudanesische Zentralregierung und die Behörden in Jonglei, das Ausmaß der Feindseligkeiten zwischen den Ethnien heruntergespielt zu haben.

Der Minister für parlamentarische Angelegenheiten in Jonglei, Gabriel Gai Riem, unterstrich nach einem Besuch der Dörfer Jokrial, Guanchaat, Pulchuol, Pieri, Tongnyang und Matot, in denen es zu gewaltsamen Übergriffen gekommen war, die Notwendigkeit, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Allerdings müsse derzeit mit Vergeltungsmaßnahmen gerechnet werden. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2011