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FLUCHT/025: Kamerun - Versorgungsengpässe schüren Ressentiments gegen Flüchtlinge aus der CAR (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Juni 2014

Kamerun: Versorgungsengpässe schüren Ressentiments gegen Flüchtlinge aus Zentralafrikanischer Republik

von Monde Kingsley Nfor


Bild: © Monde Kingsley Nfor/IPS

Familie aus der Zentralafrikanischen Republik, die 2013 nach Kamerun geflohen ist
Bild: © Monde Kingsley Nfor/IPS

Guiwa, Kamerun, 26. Juni (IPS) - Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik (CAR), die in der Ost-Region des Nachbarlandes Kamerun Schutz gesucht haben, leben dort unter schwierigen Bedingungen. Erschwert wird ihre Lage durch den ständigen Streit mit der Lokalbevölkerung über die Nutzung der immer spärlicher vorhandenen natürlichen Ressourcen.

Die Flüchtlinge kritisieren, dass ihnen die Hilfsorganisationen keine Gerätschaften für die Landwirtschaft zur Verfügung stellten. Diese hätten die Befürchtung geäußert, dass die Ankömmlinge die Werkzeuge als Waffen gegen die Dorfbewohner am Ort einsetzen könnten.

Clay-Man Youkoute, Sprecher der Flüchtlinge im Lager Guiwa, berichtet, dass Helfer den Menschen aus der CAR zwar Land für den Anbau zugewiesen hätten. "Doch Arbeitsgerätschaften wie Macheten wollen sie uns nicht geben, weil sie fürchten, dass wir auf die lokale Bevölkerung losgehen könnten. Das ist sehr beleidigend", sagt er. "Dann hat uns die Dorfbevölkerung von dem Land vertrieben und erklärt, dass wir kein Anrecht darauf haben."

Rosaline Kusangi, Mutter dreier Kinder, sammelt inzwischen wilde Früchte im Wald, um sich durch den Verkauf ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Jeden Tag ist sie fünf Kilometer zu Fuß unterwegs, um wilde Mangos zu pflücken, die sie dann auf dem Markt des Dorfes Guiwa anbietet. "Doch die Bevölkerung hier meint, dass ich als Flüchtling kein Recht habe, die Früchte zu pflücken."

Etwa 1.500 Menschen aus der CAR haben sich nach dem Staatsstreich im April 2013, der zur Absetzung von Präsident François Bozizé führte, im Osten Kameruns niedergelassen. Bereits im Mai vergangenen Jahres begannen sie, die nahe der Grenze gelegenen Lager in Richtung Guiwa zu verlassen, weil die Lebensbedingungen in den Camps sehr schlecht waren. Schätzungen zufolge halten sich zurzeit mehr als 200.000 Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in Kamerun auf.


Desolate Zustände

Selbst in Guiwa leben diese Menschen unter erbärmlichen Bedingungen in Zelten, die schnell verschleißen. Es fehlt an Wasser und einer adäquaten Müllentsorgung. "Über ein Jahr leben wir schon so. Während der Trockenzeit ist es sehr heiß, ansonsten regnet es ins Zelt herein. Auch Insekten und Schlangen können leicht eindringen", sagt der Flüchtling Jodel Tanga.

Infektionskrankheiten wie Malaria sind in den ersten zwei Monaten der Regenperiode vermehrt aufgetreten. "Jeden Tag erkranken etwa zehn Menschen an Malaria und Magenbeschwerden, seit es zu regnen begonnen hat. Alle Brunnen, die vom Flüchtlingshochkommissariat UNHCR angelegt wurden, sind ausgetrocknet oder verschmutzt. Wir müssen zwei Kilometer zu Fuß gehen, um Trinkwasser zu holen", sagt Juliana Manga aus der CAR, die im Lager Guiwa als Gesundheitsassistentin arbeitet.

Der Zugang zu medizinischer Versorgung sei schwierig, erklärt sie. "Wenn wir in ein Hospital gehen, kommen wir immer zuletzt dran. Die Krankenschwestern geben beleidigende Kommentare ab", beschwert sich Manga. Mit dem Argument, der Platz in den Klassenräumen sei begrenzt, ließen zudem die Behörden die Kinder der Flüchtlinge nicht zur Schule gehen.

Der Flüchtlingsstrom aus der Zentralafrikanischen Republik nach Kamerun ging Ende Februar von 10.000 Menschen wöchentlich auf etwa 1.000 zurück.

Der Gemeinderat von Guiwa, Joseph Kwette, berichtet, dass sich die Bewohner des Ortes seit der Ankunft der ersten Flüchtlinge Sorgen um ihre Sicherheit und ihre Existenz machen. Die Ankömmlinge hätten sich mit Gewalt Zugang nach Guiwa verschafft, obwohl die Bewohner sie zurückhalten wollten, sagt Kwette. Die Spannungen in der Bevölkerung hielten weiter an.

Die Einwohner von Guiwa müssen nun mit erheblich weniger Wasser als bisher auskommen. Die Kinder sind über lange Strecken unterwegs, um Trinkwasser und Feuerholz herbeizuschaffen. Auch die Cassava-Knolle, das Hauptnahrungsmittel in der Region, ist knapp geworden und kostet auf dem Markt inzwischen doppelt so viel wie früher.


Wassermangel und Raubbau am Wald

"Der Wassermangel in den Camps und der von den Flüchtlingen betriebene Holzschlag bedroht die Nahrungssicherheit der Bewohner von Guiwa, die für ihr Überleben auf Wasser und auf die Ressourcen des Waldes angewiesen sind. Die Warenpreise sind gestiegen, und Gelegenheitsdiebstähle sind an der Tagesordnung", erklärt Kwette.

Laut dem Polizeichef in Guiwa hat sich die Zahl der Straftaten im Laufe des vergangenen Jahres erhöht. Die Flüchtlinge werden für die Häufung bewaffneter Raubüberfälle und die zunehmende Prostitution in der jüngsten Zeit verantwortlich gemacht. Im Januar hatten Flüchtlinge aus der CAR zwei Mitarbeiter der Vereinten Nationen als Geiseln genommen, um dagegen zu protestieren, dass die Hilfslieferungen zu knapp bemessen seien. Anfang Mai entführte im Osten Kameruns eine Gruppe Bewaffneter aus dem Nachbarstaat 18 Zivilisten.

Die Flüchtlinge sehen sich jedoch als Opfer der Umstände und fühlen sich ihres grundlegenden Rechts auf Bewegungsfreiheit beraubt. "Wir werden als Kriminelle betrachtet, weil wir keine Ausweise haben. Viele Flüchtlinge werden im Bertua-Gefängnis festgehalten, weil sie Arbeit in Städten suchen wollten. Es gibt keine Papiere, die uns als Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik ausweisen", kritisiert Youkoute.

Hilfsorganisationen in Kamerun sprechen derzeit von einer Notsituation und fordern mehr Unterstützung. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind die Gesundheitseinrichtungen personell unterbesetzt, zudem fehle es an Wasser und Strom. Die Helfer am Ort sind überlastet, medizinische Güter gehen zu Neige. Auch die Lager des Welternährungsprogramms WFP sind nahezu leer.

Vor allem für unterernährte Kinder werden mehr Essen und Nahrungsergänzungsmittel benötigt. "Unterkünfte, Lebensmittel und Gesundheitsversorgung sind die dringendsten Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen", sagt Faustian Tchimi, der Direktor des Roten Kreuzes in der Ost-Region. Mehrere Orte seien bereits für die Errichtung von Flüchtlingslagern ausgesucht worden. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/06/tensions-between-car-refugees-and-cameroonians-escalate-over-depleting-resources/

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IPS-Tagesdienst vom 26. Juni 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2014