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KRIEG/1712: Militär - für die Freunde unserer Feinde ... (SB)



Saudi-Arabien ist ein Land, das entschlossen den Terror bekämpft und sich auch darüber im klaren ist, dass es beim Kampf gegen den muslimisch-arabischen Terror in der Islamischen Welt eine herausgehobene Rolle hat.
Ursula von der Leyen im Dezember 2016 in Riad [1]

Saudi-Arabien gilt als einer der autoritärsten Staaten der Welt, in dem grundlegende Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen getreten werden. Die wahhabitische Monarchie praktiziert eine reaktionäre und repressive Auslegung des Korans, politische Gegner werden enthauptet, Frauen wegen Ehebruchs gesteinigt, es kommt zu öffentlichen Auspeitschungen, anderen Formen der Folter und zahlreichen Hinrichtungen, Minderheiten werden verfolgt und die Meinungsfreiheit ist massiv eingeschränkt. Es gibt weder Parteien noch Gewerkschaften, Demonstrationen sind verboten. Das saudische Herrscherhaus verkörpert eine extrem reiche Elite mit einer nahezu uneingeschränkten Machtfülle, deren zutiefst rassistischer Gesellschaftsentwurf auf einem teils sklavenähnlichen Ausbeutungsregime gründet, dem insbesondere ausländische Arbeitskräfte in dienender Stellung oder auf den Baustellen zahlreicher Großprojekte unterworfen werden.

Zugleich greift der saudische Drang nach Vorherrschaft weit über das eigene Land hinaus und strebt den Aufstieg zur Regionalmacht an. So unterstützt Saudi-Arabien finanziell und politisch die Miliz Ahrar al-Scham, laut Generalbundesanwalt eine "ausländische terroristische Vereinigung" und "eine der größten und einflussreichsten salafistisch-jihadistischen Gruppierungen der syrischen Aufstandsbewegung". Sie verfolge das Ziel, "das Regime des syrischen Machthabers Assad zu stürzen und einen allein auf der Scharia gegründeten Gottesstaat zu errichten".

Seit März 2015 überzieht eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition aus neun Ländern den Jemen mit einem Angriffskrieg, der zu zahllosen Opfern, einer Zerstörung der Infrastruktur und einer humanitären Notlage geführt hat, von der mehr als 20 Millionen Menschen betroffen sind. Selbst diese Katastrophe hindert die Bundesregierung nicht daran, die unheilvolle Tradition deutscher Waffenlieferungen an Riad fortzusetzen, das als Bündnispartner der westlichen Mächte im Kampf gegen den "Terrorismus" unterstützt und aufgerüstet wird. Für Berlin geht es dabei um Rohstoffversorgung und Exportmöglichkeiten, nicht zuletzt aber strategischen Einfluß im Nahen Osten, weshalb die Bundesregierung in der Wahl ihrer Mittel und Partner kaum Skrupel kennt.

Das gilt um so mehr, als Saudi-Arabien tief in einer wirtschaftlichen, sozialen und sicherheitspolitischen Krise steckt, die von Ölpreisverfall, steigender Arbeitslosigkeit, Widerständen gegen die repressive Staatlichkeit und dem Rückzug der USA geprägt ist. Um sich aus der Abhängigkeit von den Öleinnahmen zu lösen, hat das Königshaus das wirtschaftliche Reformprogramm "Vision 2030" aufgelegt. Aus deutscher Sicht eröffnet sich die Gelegenheit, in die Bresche zu springen, das Regime beim Machterhalt mittels Modernisierung zu unterstützen und dauerhaft einen Fuß in diese Weltregion zu setzen.

Allerdings muß die Bundesregierung angesichts verbreiteter Kritik an Rüstungsgeschäften mit den Saudis taktisch zu Werke gehen, um den Bogen der Akzeptanz nicht zu überspannen. Als der weltweit größte Waffenimporteur nach Indien jede Menge Leopard-II-Kampfpanzer kaufen wollte, mußte Berlin auf die Bremse drücken, um die eigene Bevölkerung nicht zu verprellen. Auch konnte die Firma Heckler und Koch, die in Saudi-Arabien Gewehre in Lizenz fertigt, keine Bauteile mehr dorthin schicken, weil die Genehmigungen dafür verzögert wurden. Ansonsten sah der geheim tagende Bundessicherheitsrat aber kein Problem darin, Rüstungsgüter an ein Land zu liefern, das in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt ist, obgleich dies die offiziellen Exportgrundsätze der Bundesrepublik untersagen. Man behalf sich mit der absurden Ausflucht, es würden keine "Offensivwaffen" mehr an Saudi-Arabien verkauft.

Von 2010 bis 2015 hat Deutschland laut Rüstungsexportbericht unter anderem Gewehre, Maschinenpistolen und Mörsermunition im Gesamtwert von 2,37 Milliarden Euro an Saudi-Arabien verkauft. Anfang 2016 kam die Auslieferung des ersten von 48 bestellten Patrouillenbooten hinzu, im ersten Halbjahr 2016 auch Hubschrauber und Teile für Kampfflugzeuge, da die saudische Luftwaffe Tornados und Eurofighter aus EU-Produktion nutzt, nicht zuletzt für die Angriffe im Jemen. Genehmigt wurde unter anderem auch der Export von mehr als 40.000 Artilleriezündern.

Die SPD hatte Ende 2013 angekündigt, sie werde in der großen Koalition eine restriktive Genehmigungspraxis bei deutschen Rüstungslieferungen durchsetzen. Sigmar Gabriel war dann als Wirtschaftsminister maßgeblich daran beteiligt, daß die Koalition aus SPD und CDU/CSU deutlich mehr Rüstungsexporte genehmigte als die Vorgängerregierung. Die Lieferungen in Staaten außerhalb von EU und NATO nahmen sogar um 47 Prozent auf 14,48 Milliarden Euro zu. Daß sich unter den zehn größten Waffenkunden fünf Drittstaaten befanden, die in Spannungsgebieten liegen, verwundert nicht, woher sollte sonst die Nachfrage rühren. Im Jahr 2017 genehmigte die Bundesregierung Rüstungsexporte für rund 1,3 Milliarden Euro an Länder, die am Krieg im Jemen beteiligt sind. Im Vergleich zu 2016 nahm der Umfang der Genehmigungen sogar um neun Prozent zu. Der größte Teil der militärischen Ausrüstung ging an Ägypten (708 Millionen Euro), Saudi-Arabien (254 Millionen) und die Vereinigten Arabischen Emirate (214 Millionen). [2]

Der sozialdemokratische Griff in die Trickkiste setzte sich fort, als in den Sondierungsgesprächen zur aktuellen Koalition durchgesetzt wurde, daß ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigt werden, solange diese am Jemenkrieg beteiligt sind. Das betrifft Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, Bahrain, Kuwait, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko, Sudan und Senegal. Saudi-Arabien und die VAE gehörten zu den zehn wichtigsten Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte. Heikel ist für die Bundesregierung, daß mit Jordanien ein enger Verbündeter in der Region zur Kriegsallianz gehört. Die Bundesregierung hält das Königreich für einen Stabilitätsanker und leistet sogar direkte Rüstungshilfe. Im laufenden Jahr will sie wie schon 2017 etwa 130 Millionen Euro dafür ausgeben. Unter anderem erhielt die jordanische Armee bereits rund 50 Schützenpanzer vom Typ "Marder". In Jordanien sind außerdem "Tornado"- Aufklärungsflugzeuge und das Tankflugzeug stationiert, mit denen sich die Bundeswehr am Kampf gegen den "Islamischem Staat" in Syrien und im Irak beteiligt.

Die vorgebliche Waffenexportbremse gilt allerdings nur für den Jemenkrieg, dessen Greuel längst ein Thema in der deutschen Medienlandschaft sind, die ihn weithin verurteilt. Keine Rede ist hingegen von einem Rüstungsexportgesetz, das die Regeln für alle Waffengeschäfte verschärfen könnte. Zudem können deutsche Rüstungskonzerne über Beteiligungen und Unternehmenstöchter im Ausland Aufträge abwickeln, die nach deutschen Vorschriften nicht möglich wären. Diese politisch gewollte Systemlücke nutzte beispielsweise der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern, um Bomben an Saudi-Arabien nicht von Deutschland aus, sondern über seine Tochterfirma RWM Italia auf Sardinien zu verkaufen. Weil die Herstellung in Italien erfolgt, bedarf es keiner Genehmigung aus Berlin. Auch nutzt Rheinmetall eine Tochterfirma in Südafrika, um ganze Munitionsfabriken zu verkaufen, darunter auch an Saudi-Arabien und die VAE. In Algerien hat das deutsche Unternehmen sogar eine Panzerfabrik errichtet.

Obgleich es der Koalitionsvertrag ausschloß, hat die Bundesregierung nun grünes Licht für weitere Waffenlieferungen in die Golfstaaten und andere Länder des Nahen Ostens gegeben. Wie aus einem Schreiben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier an den Wirtschaftsausschuß des Bundestags hervorgeht, genehmigte der Bundessicherheitsrat neben Waffenexporten an Saudi-Arabien auch Ausfuhren an die VAE, Katar, Jordanien und Ägypten. Demnach soll Riad vier Artillerie-Ortungssysteme erhalten. Diese auf Fahrzeugen montierten Radargeräte können die genaue Herkunft von feindlichem Beschuß orten und ermöglichen damit präzise Gegenschläge. Der Bundessicherheitsrat, dem neben Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrere Minister angehören, billigte zudem die Lieferung von 48 Gefechtsköpfen und 91 Zielsuchköpfen für schiffsgestützte Flugabwehrsysteme an die Vereinigten Arabischen Emirate. Katar soll 170 Gefechtsköpfe und Triebwerke für Luft-Luft-Raketen des Typs Meteor erhalten, für Jordanien wurden 385 tragbare Panzerabwehrwaffen von Dynamit Nobel freigegeben, und Ägypten erhält sieben Luftverteidigungssysteme des Herstellers Diehl, die mit der Rakete Iris-T SLM bewaffnet sind. Preise zu diesen Lieferungen werden in Altmaiers Schreiben nicht genannt. [3]

Im Koalitionsvertrag wurden Waffenlieferungen an Staaten ausgeschlossen, die am Jemenkrieg beteiligt sind. Ausgenommen sind bereits genehmigte Ausfuhren, die nachweislich im Empfängerland bleiben. Offenbar beruft sich die Bundesregierung auf diese Hintertür, wobei natürlich niemand garantieren kann, daß die gelieferten Waffen nicht doch in andere Hände gelangen. Linken-Vizefraktionschefin Sevim Dagdelen kritisierte die Exportgenehmigung für Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als "unverantwortlich". Die Bundesregierung mache sich "damit an den Verbrechen mitschuldig". Es sei höchste Zeit, daß Merkel und Scholz Wort halten und alle Exporte von Rüstungsgütern an die am Jemenkrieg beteiligten Staaten stoppen, forderte die Linken-Außenexpertin. [4]

Produktion und Ausfuhr von Rüstungsgütern gehören zu den ökonomischen Trumpfkarten des Standorts Deutschlands und beflügeln die Profite der beteiligten Konzerne. Der Ertrag dieses Erwerbszweigs erschöpft sich jedoch nicht in den Dividenden der Aktionäre und dem Erhalt fragwürdiger Arbeitsplätze. Das Geschäft mit dem Krieg eröffnet zugleich ein weites Feld strategischer Einflußnahme, indem es Repression in anderen Ländern ebenso munitioniert wie Stellvertreterkriege und die Destabilisierung von Weltregionen, in denen die Bundesrepublik mitzumischen gedenkt.


Fußnoten:

[1] https://www.wsws.org/de/articles/2016/12/09/saud-d09.html

[2] www.dw.com/de/milliardenschwere-deutsche-rüstungsexporte-an-länder-der-jemen-kriegsallianz/a-42689406

[3] ww.faz.net/aktuell/politik/bundesregierung-genehmigt-waffenexporte-an-saudi-arabien-15796954.html

[4] www.dw.com/de/bundesregierung-genehmigt-weitere-waffenexporte-an-saudi-arabien/a-45567724

20. September 2018


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