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KRIEG/1587: Friedenstaube flügellahm - Steinbrück mimt den Rüstungsgegner (SB)




Peer Steinbrück, der am Stuhl der Kanzlerin sägen will, aber schon an der Türschwelle gestolpert ist, hat ein Problem. Er muß sich anbiedern, wo es nur geht, um jene Punkte bei der Wählerschaft zu machen, die er aller Voraussicht nach doch nie zusammenbekommen wird. Angesichts des bevorstehenden Weihnachtsfests bot es sich für den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten und selbsternannten Sozialreformer an, gewissermaßen im Zweitjob auch noch die Friedenstaube zu mimen. Herausgekommen ist dabei allerdings weniger als die leidige Hinterlassenschaft der realen Artgenossen in unseren Innenstädten.

Gegenüber der "Passauer Neuen Presse" blies Steinbrück die Backen in schmierenkomödiantischer Empörung auf, um die auswärtige Sicherheitspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung zu kritisieren. Es sei "skandalös und hochgefährlich, dass Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur geworden ist". Deutschland exportiere Rüstungsgüter "auch in Spannungsgebiete und Regionen, die die Menschenrechte nicht achten". [1]

Das trifft natürlich zu, wie unter anderem der Rüstungsexportbericht 2012 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) von Anfang Dezember belegt. Auch dieser Report bestätigt, daß immer mehr Staaten, in denen die Menschenrechtslage als kritisch bewertet wird, deutsche Kriegswaffen erhalten. So sei die Zahl der als problematisch eingeschätzten Abnehmerländer deutscher Waffenexporte zwischen 2010 und 2011 von 48 auf 64 gestiegen. [2]

Nach Berichten über ein weiteres umfangreiches Panzergeschäft mit Saudi-Arabien hatten SPD und Grüne die Bundesregierung zuletzt Anfang Dezember harsch kritisiert. Fragt man sich allerdings, was ein Kanzler Steinbrück anders machen würde, schwächelt der Kandidat in seinem jüngsten Interview. "Eine rot-grüne Regierung unter meiner Führung würde den Hebel bei Waffenexporten umlegen", versprach Steinbrück nebulös, ohne näher darauf einzugehen, welchen Hebel er eigentlich meine und welche Konsequenzen das haben solle.

Daß die Auslassung hier Programm ist, hat ihren Grund, den allerdings auch Guido Westerwelle kennt. Süffisant gab sich der Bundesaußenminister verwundert ob der Kritik der Opposition an den Exporten nach Saudi-Arabien und andere Staaten des Nahen Ostens. Soweit er wisse, beruhten die Lieferungen teilweise noch auf Aufträgen und politischen Entscheidungen aus der Zeit vorheriger Regierungen. Das zu erkennen bedarf es zwar keines Ministers, doch da bekanntlich die hervorstechendste Eigenschaft des Wahlvolks sein fehlendes Langzeitgedächtnis ist, macht es schon Sinn, dem parteipolitischen Gegner solche Dinge bei sich bietender Gelegenheit aufs Brot zu schmieren.

Die Bundesregierung zieht es vor, die parlamentarische Debatte tunlichst zu vermeiden und sich zu solchen Geschäften mit Verweis auf die geheimen Beratungen im zuständigen Bundessicherheitsrat überhaupt nicht zu äußern. Schließlich soll niemand in die Suppe spucken, bevor sie fertig gekocht ist und man sich zufrieden die Hände reiben kann. Jener Kabinettsausschuß unter Führung der Bundeskanzlerin, der Rüstungsexporte genehmigen muß, soll angeblich alle relevanten strategischen wie auch moralischen Aspekte solcher Waffengeschäfte eingehend prüfen, was natürlich Unfug ist. Nähme der Sicherheitsrat auch nur die von der Verfassung und allgemeinen Gesetzeslage vorgegebenen Ausschlußkriterien ernst, wäre es vorbei mit den glänzenden deutschen Waffenexporten.

Die Produkte deutscher Rüstungsschmieden werden dorthin geliefert, wo sie aktuell eingesetzt oder in Vorwegnahme erwarteter Auseinandersetzungen in Stellung gebracht werden sollen - also in Kriegs-, Krisen-, Spannungs- und Bürgerkriegsgebiete. Daß repressive Regimes wie das Saudi-Arabiens die deutschen Gewehre, Panzer und Panzerfahrzeuge vor allem zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung und Intervention in den Nachbarländern benötigen, ist offenkundig.

Daher gibt die Regierung Angela Merkels die Parole aus, Waffenlieferungen seien ein Instrument möglicher Friedenssicherung. Damit müßte sie eigentlich bei Sozialdemokraten und insbesondere Grünen offene Türen einrennen, kennt deren Begeisterung für Angriffskriege unter dem Vorwand von Menschenrechten, Demokratie und Frieden doch keine Grenzen. Da aber der fortwährenden substantiellen Beteiligung deutscher Soldaten an Militäreinsätzen Schranken gesetzt sind, zum die Öffentlichkeit Einsätzen wie jenem in Afghanistan auf Dauer skeptisch gegenübersteht, sucht man Handlanger in fragilen Regionen, die zum Zweck imperialistischer Einflußnahme hochgerüstet werden.

Sorgt die Bundesrepublik mit Waffenlieferungen und Expertise für Saudi-Arabien dafür, daß der Gegenpol zum Iran und Wachhund der Region seine Funktion erfüllt, stärkt dies den deutschen Einfluß im Nahen und mittleren Osten. Zugleich wird dadurch der angesichts der Krise absehbar einbrechende Verkauf von Rüstungsgütern an europäische NATO-Partner kompensiert, so daß die hiesige Exportstärke als letzte Spundwand vor der Katastrophe wackelt, aber vorerst hält. Selbst die Geheimhaltung ist nicht in Stein gemeißelt, denn sobald man der Auffassung ist, daß die Zeit reif für eine ideologische Offensive sei, wird auch diese Schranke fallen und mit ihr eine weitere Fraktion der Friedensbewegung abbrechen, die nichts weiter als offen darüber reden will, wer Waffen bekommen soll und wer nicht.

Was also sollten Steinbrücks Sozialdemokraten und deren grüne Bündnispartner besser machen, was die Kanzlerin in Fortsetzung früherer Regierungspolitik nicht schon optimal betriebe? Sie könnten natürlich gegen Krieg und Zerstörung, Unterdrückung und Ausbeutung, Kapitalismus und Imperialismus Stellung beziehen - doch wer will das schon, wenn Regierungsbeteiligung all das verspricht, was Politikerkarrieren befeuert.

Fußnoten:

[1] http://unternehmen-heute.de/news.php?newsid=151710

[2] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-12/steinbrueck-kritik-waffenexport

22. Dezember 2012