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KRIEG/1542: Obama glorifiziert blutige Schneise hegemonialer Machtentfaltung (SB)



Mit Übermacht in fremde Länder einzufallen, zu morden, zu zerstören, zu rauben und zu besetzen, um mit den Kriegen von heute strategische Ausgangspositionen für die Kriege von morgen zu schaffen, hängt man als Motivlage und Perspektive aus naheliegenden Gründen nicht gern an die große Glocke. Befleißigten sich die Menschen in den heimgesuchten Weltregionen dieser Sicht, drohten die Profiteure, Kollaborateure und Marionettenregierungen, ohne deren Beteiligung Okkupation unmöglich wäre, hinweggefegt zu werden. Konfrontierte sich die Bevölkerung in den Herkunftsländern der kriegführenden Mächte mit der Frage, ob sie um ihrer vollen Fleischtöpfe willen die eiserne Faust der Waffengewalt tatsächlich als einzig relevante Option auf den Schild heben will, könnte sie zu dem Schluß kommen, daß soziale Grausamkeiten hierzulande und der Blutzoll an fernen Schauplätzen unmittelbar zusammenhängen - und dies nicht zu eigenen Gunsten. Bräche sich unter den Soldaten die Erkenntnis Bahn, daß sie Generation für Generation stets aufs neue mit falschen Versprechen getrogen und in der Maschinerie bellizistischer Fortschreibung der Herrschaft verheizt werden, griffe eine Kriegsgegnerschaft in der Truppe um sich, wie sie die Befehlshaber mehr als alles andere fürchten, weil sie ihr Regime bräche.

Im letzten Jahr des Vietnamkriegs wurden im Schnitt zwei US-amerikanische Offiziere pro Woche von ihren eigenen Soldaten getötet, während zu Hause die getäuschten und im Stich gelassenen Veteranen in Scharen ins Lager der Kriegsgegner überwechselten und in der Bevölkerung Kriegsmüdigkeit um sich griff. Historiker kamen zu dem Schluß, daß sowohl der Widerstand der Vietnamesen, die sich und ihr Land gegen eine fremde Macht verteidigten, als auch die schwindende Befürwortung des Krieges in den USA und nicht zuletzt der Umschwung in den Streitkräften selbst ausschlaggebend für den fluchtartigen Abzug waren, der dem US-amerikanischen Streben nach uneingeschränkter Suprematie einen schweren Schlag versetzte.

Kein zweites Vietnam zuzulassen, ist offenbar eine Lehre aus der Geschichte, die die Kriegstreiber wesentlich besser als die Kriegsgegner gezogen haben. Wann und wo der Umschwung einsetzt und nicht mehr aufzuhalten ist, vermag niemand zu prognostizieren, ist doch die Bereitschaft, die Lügen der Herrschenden zu glauben, naturgemäß ein wetterwendisches Geschäft. US-Präsident Barack Obama gab daher sein Bestes, den schönen Schein zu wahren, als er vor heimgekehrten Soldaten den Abzug aus dem Irak als unter größten Mühen errungenen Erfolg glorifizierte. Dieser Krieg ging ebensowenig verloren, wie man auf den nächsten verzichten will, lautete unter dem Strich die Botschaft Obamas in Fort Bragg.

Hunderte Kriegsheimkehrer standen in Kampfanzug und mit rotem Barett stramm, als der Präsident den Soldaten auf dem Stützpunkt der 82. Luftlandedivision in North Carolina zurief: "Welcome home!" "Versprechen gehalten!", prangt es breit auf der präsidialen Internetseite, worauf voller Stolz die Chronologie des Rückzugs aus einem Krieg folgt, den der junge Senator im Bundesstaat Illinois im Jahr 2002 einen "dummen" genannt hatte. Das schizophrene Manöver, den Irakkrieg als falsch abzulehnen und zugleich den Waffengang in Afghanistan als richtig zu befürworten, trug maßgeblich dazu bei, Obama in einem kometenhaften Aufstieg 2008 an Hillary Clinton vorbei und schließlich ins Amt des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten zu katapultieren.

Was wollte Barack Obama mehr als zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und über acht Jahre nach dem 19. März 2003, an dem der Angriffskrieg gegen den Irak begann, den versammelten Soldaten und seinen kriegsmüden Landsleuten mit seiner halbstündigen Rede in einem Hangar von Fort Bragg vorgaukeln? Rund 1,5 Millionen Amerikaner wurden im Irakkrieg eingesetzt, exakt 4.487 mußten nach offizieller Zählung des Pentagons bislang ihr Leben lassen, mehr als 30.000 kehrten verwundet zurück. In einem Nebensatz erklärte Obama, daß diese Zahl nur jene erfasse, "deren Wunden man sehen kann". Damit deutete er das Schicksal Hunderttausender Kriegsheimkehrer an, die auf die eine oder andere Weise unter den Folgen des Krieges leiden. 18 Kriegsheimkehrer nehmen sich täglich das Leben, das sind mit mehr als 6.500 Toten beinahe so viele wie alle bisherigen US-Kriegstoten in Afghanistan und dem Irak zusammen. [1]

Der Präsident lobte die Entbehrungen und Opfer "unserer Helden", erinnerte an die Orte des Schreckens wie Faludscha, Ramadi, Mosul und Bagdad und behauptete allen Ernstes, die US-Truppen hinterließen bei ihrem Abzug zwar kein perfektes Land, aber eine "stabile Nation". Der Krieg gehe nicht mit einer "letzten Schlacht, sondern mit einem letzten Marsch nach Hause" zu Ende, so daß man nicht etwa geschlagen, sondern erhobenen Hauptes abziehe. Die Kontroverse über den Sinn dieses Krieges sei überaus heftig gewesen, räumte Obama ein, und für geraume Zeit habe der Streit die Nation in zwei Lager getrennt. "Aber auf beiden Seiten waren es Patrioten, die da debattierten", schmierte er sogleich Leim in den Riß, um den aufbrechenden Widerspruch in eine bloße Kontroverse auf gemeinsamem Fundament umzudeuten. Der Patriotismus der Armee habe bei alledem die große Konstante gebildet, woran sich die zerstrittenen Kongreßabgeordneten in Washington ein Beispiel nehmen sollten. [2]

Der Irak als Leuchtturm der Demokratie, der der aufgewühlten arabischen Welt den Weg weist? Das Zweistromland als Modell für die nach demokratischer Teilhabe strebenden Völker der Region? Der Krieg als notwendiges Opfer, um das "enorme Potential" des neuen Irak hervorzubringen? Wen kümmern schon Hunderttausende getötete Iraker, verheerende Lebensverhältnisse, eine prekäre Sicherheitslage, ein fragmentiertes Land und der keineswegs gebannte Bürgerkrieg, wenn hegemoniale Machtentfaltung ihre blutige Schneise schlägt!

Fußnoten:

[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/offizielles-ende-des-irak-einsatzes-wie-amerika-nach-innerem-frieden-sucht-1.1236086

[2] http://nachrichten.rp-online.de/politik/obamas-zwiespaeltige-irak-bilanz-1.2640459

17. Dezember 2011