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KRIEG/1392: Kunduz-Affäre - Kriegsverbrechen folgt Kriegsverbrechen (SB)



Nichts spiegelt die Verruchtheit des Afghanistan-Kriegseinsatzes der Bundeswehr treffender wider als der - hoffentlich - gescheiterte Versuch der Regierung, den gewaltsamen Tod von vermutlich über 140 afghanischen Einwohnern zu vertuschen und die Verantwortung abzuschieben. Von der Version, die seinerzeit Verteidigungsminister Franz Josef Jung verbreitete, hat fast nichts der Überprüfung standgehalten. Nur Datum und Ort des Vorfalls scheinen zu stimmen, ansonsten haben die Entscheidungsträger in der Regierung immer nur so viel zugegeben, wie ihnen nachgewiesen werden konnte.

Jetzt glaubt der deutsche Auslandsgeheimdienst BND, er habe einen Joker ausgespielt, indem er wie aus heiterem Himmel mit der Behauptung aufwartet, Oberst Georg Klein, der den Befehl zur Bombardierung und damit Vernichtung zweier entführter Tanklastzüge UND der Taliban in der Nähe gab, habe gut einen Tag zuvor von Plänen der Taliban erfahren, das Bundeswehr-Feldlager in Kunduz mit Tanklastwagen anzugreifen. Die sollten eine Bresche in den ersten Verteidigungsring schlagen, woraufhin schnellere Geländefahrzeuge eingedrungen wären und die deutschen Soldaten angegriffen hätten.

Merkwürdig nur, daß diese Erklärung, die zwar die Massentötung des deutschen Offiziers in keiner Weise entschuldigt, aber augenscheinlich doch zu seiner Entlastung und damit letztlich auch die der Verantwortlichen in der Regierung dienen soll, erst zu einem so späten Zeitpunkt lanciert wurde.

Ein Minister, ein Staatssekretär und der Bundeswehrbeauftragte mußten wegen dieser Affäre bereits abdanken. War das alles? Hat Verteidigungsminister von Guttenberg zu jedem Zeitpunkt stets die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt? Seine anfängliche Erklärung, das Bombardement sei militärisch "angemessen" gewesen, hat sich als unangemessen herausgestellt, da von Guttenberg vom Roten Kreuz frühzeitig über eine viel höhere Opferzahl informiert war. Was wußte der damalige Vizekanzler und Außenminister Frank-Walter Steinmeier? Was die Bundeskanzlerin Angela Merkel? Haben sie nach bestem Wissen zur Aufklärung beigetragen, oder haben sie etwa versucht, durch ihr Schweigen die Aufklärung zu manipulieren, um sich oder andere aus der Schußlinie zu bringen?

Was auch immer der am 16.12. einberufene Kunduz-Untersuchungsausschuß zutage fördert, die Rechtmäßigkeit des Afghanistan-Kriegseinsatzes an sich wird er nicht in Zweifel ziehen. Und weil das nicht geschieht, legitimiert er ihn umgekehrt sogar. Denn wenn Oberst Georg Kleins Befehl ein Fehler war, dann muß logischerweise der ganze "kriegsähnliche" Rest richtig sein. Doch man erinnere sich: Die Angriffsvorbereitungen auf die Taliban liefen in den USA zeitlich bereits vor den Anschlägen am 11.9.2001 an, obgleich sie, so wurde den Menschen glauben gemacht, der Anlaß des Militäreinsatzes waren!

Eigentlich müßte untersucht werden, ob nicht aufgrund dieser Voraussetzungen der nachfolgende ISAF-Einsatz, an dem sich die Bundeswehr so rege beteiligt, als Kriegsverbrechen zu bewerten ist. Wenn der Beginn des Kriegs ein Verbrechen war, setzt jedes weitere militärische Engagement in Afghanistan von welcher Nation auch immer das Kriegsverbrechen fort. Denn das endet nicht, nur weil die Aggressoren bestimmte Kriegsziele erreicht haben oder irgendwann mit neuen Kräften (ISAF) ihr ursprüngliche Absicht weiterverfolgen.

16. Dezember 2009