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KRIEG/1388: Obama läßt natürlich keine Katze aus dem Sack (SB)



US-Präsident Barack Obama läßt keine Katze aus dem Sack, wenn er nach Monaten vermeintlichen Zögerns den durch entnervende Spekulationen weichgeklopften Amerikanern und Verbündeten genau jene Afghanistanstrategie präsentiert, die zu befürchten war: Mehr Soldaten unter Beteiligung aller Raubkumpane, die unterdessen Zeit genug hatten, die Vorbehalte ihrer Untertanen gegen Krieg und Verderben systematisch zu pulverisieren. Nie war es so wichtig, den Waffengang an der Heimatfront zu gewinnen, denn daß die Afghanen im klassischen Sinn nicht zu besiegen sind, pfeifen die Spatzen von allen Dächern.

Als Amtsvorgänger George W. Bush vor acht Jahren angekündigt hat, der "Antiterrorkrieg" müsse weltweit geführt werden und sein Ende sei nicht abzusehen, schlug er ein neues Kapitel unablässiger Kriegsführung der Vereinigten Staaten auf, deren Waffen seit Korea, spätestens aber seit Vietnam nie mehr geschwiegen haben. Sowenig der Irak auf einen Frieden hoffen darf, der mit den Verhältnissen vor der Zerschlagung des Staates und Fragmentierung der Überreste vergleichbar wäre, so sehr droht auch dem Land am Hindukusch die dauerhafte Präsenz einer Okkupationsmacht, die nicht vorhat, diese Region je wieder zu verlassen.

Die Strategie, durch massive Aufstockung der Truppen deren späteren Teilabzug möglich zu machen, ist der Notwendigkeit geschuldet, einerseits die Voraussetzungen einer Dauerpräsenz in Gestalt von Stützpunkten zu schaffen und andererseits den größten Teil der Kampfeinheiten für neue Schauplätze freizusetzen. Afghanistan soll nur eine Zwischenetappe im Ringen um die Vorherrschaft in dieser Region sein, die zu erlangen den USA und ihren Verbündeten unverzichtbar erscheint.

Zäh gestaltet sich allerdings der immer wieder aufgewärmte Plan, ein funktionsfähiges Marionettenregime in Kabul zu installieren, das tatsächlich das Hauen und Stechen in interne Auseinandersetzungen verwandeln kann. Was den afghanischen Widerstand trotz seiner zahllosen Fraktionen und ständig wechselnden Bündnisse eint, ist der wachsende Haß auf das Besatzungsregime. Wenn Obama daher von einer Doppelstrategie spricht und die Drecksarbeit auf einheimische Kräfte abschieben will, hütet er sich wohlweislich davor, den Zeitplan des vielzitierten Abzugs an bestimmte Bedingungen zu knüpfen.

Schon vor Monaten hatte General Stanley McChrystal die Latte hochgelegt: 40.000 zusätzliche Soldaten müßten es sein, sonst könne man "die Taliban" nicht besiegen. 30.000 will Obama nachlegen, dessen martialischer Schub die Verbündeten mitreißen soll. 500 weitere Soldaten gedenkt der britische Premierminister Gordon Brown zu entsenden, womit die eben noch über einen Abzug diskutierenden Briten inklusive ihrer Sondereinheiten bald mehr als 10.000 Soldaten am Hindukusch haben. Acht NATO-Staaten hätten bereits Zusagen gemacht, orakelte Brown im Unterhaus, ohne nähere Angaben zu machen. Von Frankreich verlangen die USA offenbar 1.500 zusätzliche Soldaten, so daß die Franzosen fast 5.000 im Afghanistan-Einsatz hätten. Das überträfe die derzeit 4.500 deutschen Soldaten am Hindukusch, deren Aufstockung Kriegsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit Sicherheit ausbrütet, wofür er als persönliche Vorleistung zunächst seine eigenen Popularitätswerte in schwindelerregende Höhen treibt.

Da man mit Hamid Karsai den Bock zum Gärtner gemacht hat, klingt die Forderung inzwischen recht hohl, er müsse die Korruption bekämpfen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Auch daß man Al Qaida ausschalten will, mag inzwischen kaum noch jemand glauben. Die Aufstockung der afghanischen Armee ist alles andere als eine neue Idee. Und natürlich will man "die Taliban" bekämpfen, die - wen wundert's - immer mehr Zulauf erhalten, je länger die fremden Truppen im Land ihr Unwesen treiben.

Damit bleibt unter dem Strich der vielbeschworenen neuen Strategie im Grunde nur noch der brachiale Ansatz, durch eine massive Truppenverstärkung den afghanischen Widerstandsgeist wenn nicht zu brechen, so doch auf ein bürgerkriegsartiges Szenario umzulenken. Barack Obama, der nicht zuletzt deshalb gewählt wurde, weil er den Eindruck zu erwecken verstand, er werde die Soldaten nach Hause holen, kommt einmal mehr die verbalakrobatische Aufgabe zu, seinen Landsleuten und den Verbündeten das Gegenteil zu verkaufen.

Ein zweites Vietnam, beschwichtigt sein Sprecher Robert Gibbs, stehe nicht zur Debatte: "Wir sind schon das neunte Jahr in Afghanistan. Weitere acht oder neun Jahre werden wir dort nicht bleiben." Wem diese Aussicht zu nebulös erscheint, halte sich an Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy. Wie dieser ankündigte, würden französische Truppen so lange in Afghanistan bleiben, bis das Land "friedlich und souverän" sei. Treffender hätte er den Ewigkeitscharakter dieses Kriegszugs und Besatzungsregimes kaum in Worte fassen können.

1. Dezember 2009