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KRIEG/1325: Mörderischer "Stabilisierungseinsatz" in Afghanistan (SB)



Ein Drittel der Bevölkerung Afghanistans hungert, aber Bundeskanzlerin Angela Merkel verweist anläßlich des Besuchs des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai in Berlin auf die Erfolge beim Aufbau des Landes. Man werde sich noch mehr bei der Ausbildung des Militärs und der Polizei dieser Satrapenherrschaft einsetzen, so ihr Angebot, eine von den NATO-Staaten eingesetzte Administration zu stabilisieren und den Bürgerkrieg im Land damit zu verstetigen. Daß Merkel den ungeliebten Karzai überhaupt empfangen hat, ist ein deutliches Zeichen dafür, daß der Einfluß der Bundesregierung auf die Kabuler Regierung nicht so groß ist, wie sie gerne möchte. Um so unberechenbarer sind alle Maßnahmen, mit denen man Öl ins Feuer am Hindukusch gießt. Wer wollte garantieren, daß Ausbildung und Ausrüstung, mit denen die Irakisierung dieses neokolonialen Kriegs betrieben wird, nicht eines Tages von Fußtruppen zu Besatzungsgegnern mutierten Kämpfern zugute kommen?

Immerhin ist man in Berlin inzwischen dazu übergegangen, die das Herz erwärmende Geschichte von der guten Bundesrepublik, die der Bevölkerung Afghanistans Freiheit und Demokratie per Nation Building bringt, zum schlechten Ende einer bloßen Kriegsoption zu führen. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt klärte die Bundesbürger vor kurzem dahingehend auf, "dass wir nicht in Afghanistan sind, um sozusagen den Zustand einer westlichen Demokratie im Sozialstaat zu organisieren, das können wir nicht, sondern wir sind da, um zu verhindern, dass aus diesem Land Reperkussionsgefahren für die ganze Welt herauskommen (...)" (Deutschlandradio, 30.03.2009). Schmidt erlöste die Bürger nicht nur von der Verlogenheit einer bewaffneten humanitären Mission am Hindkusch, er schenkte ihnen auch reinen Wein ein, indem er darauf verwies, daß es nun darum gehe, dafür zu sorgen, daß in Pakistan kein "neuer Brandherd für die Welt entsteht".

Wie das im einzelnen zu erfolgen hat, bedarf keiner komplizierten Überlegungen. Die Bundeswehr steht in Afghanistan in einem sich ausweitenden Krieg, der der Bundesrepublik weitere Truppenaufstockungen und Verluste abverlangen wird. In Berlin versucht man nach wie vor, dies mit Hilfe peinlicher Sprachregelungen zu leugnen. Dies sei auch aus rechtlichen Gründen erforderlich, so Staatssekretär Schmidt am 9. Mai im Deutschlandradio, als er einmal mehr behauptete, daß es sich nicht um einen Krieg, sondern "einen ziemlich gefährlichen Stabilisierungseinsatz, der auch kämpfen erfordert", handelt.

Das Eingeständnis, daß die Bundesrepublik sich im Krieg befindet, könnte die Konsequenz haben, daß die niemals wirklich Mandatierung der Vereinten Nationen zur Debatte gestellt wird und die Soldaten der Bundeswehr sich wegen Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Krieg rechtfertigen müssen. Es käme auch den Gegnern der NATO-Truppen zugute, da diesen dann ein Status zustände, der ihre Kriminalisierung als "Terroristen" verhinderte. Schließlich erhöhte es die Legitimität ihres Widerstands, während die NATO-Truppen auch ganz offiziell als Besatzer bezeichnet werden könnten.

Daß die US-Luftwaffe am letzten Mittwoch Zeugenaussagen zufolge das Leben von 147 afghanischen Zivilisten auslöschte (The Independent, 08.05.2009), erfüllt zweifellos den Tatbestand eine kriegerischen Handlung, wenn man nicht ohnehin von einem Verbrechen sprechen will. Diese Realität, für die die Bundeswehr bündnistechnisch mitverantwortlich ist, zu akzeptieren fällt der Bundesregierung und den diesen Krieg unterstützenden Bundestagsfraktionen schon deshalb schwer, weil das Eingeständnis, daß man die Gefahren produziert, von denen man behauptet, sie auf diese Weise abwehren zu wollen, immer unausweichlicher würde.

10. Mai 2009