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KULTUR/0857: Krieg ist eine ernste Angelegenheit ... (SB)



Gänzlich spaßfrei hat der Terrorkrieg zu bleiben, wenn seine Akteure auf der falschen, feindlichen Seite stehen. So erregte sich der britische Verteidigungsminister Liam Fox über die Aktualisierung eines beliebten Computerspiels, dessen Schlachtfelder nicht mehr nur im Zweiten Weltkrieg, sondern auch in Afghanistan zu begehen sind. Fox zeigte sich angeekelt von der Möglichkeit, daß die Gamer auch in die Rolle von Taliban schlüpfen können, die britische Soldaten bekämpfen. Die Hersteller von Medal of Honour forderte er auf, dieses "durch und durch unbritische Spiel" nicht mehr weiter verfügbar zu machen. In Deutschland sekundierte der Sprecher des Bundeswehrverbands, indem er im Focus kundtat, wie "widerwärtig" es sei, "so ein Spiel auf den Markt zu bringen, während in Afghanistan Menschen sterben".

Auch wenn derzeit keine Gefahr zu bestehen scheint, daß Medal of Honour aufgrund einer behördlichen Verfügung verboten wird, ist der Ärger des britischen Kriegsministers signifikant für den Zwang zur Affirmation, der die Kriegführung begleitet. Der bloße Spaß an militärischer Gewaltausübung wird überall dort, wo er den Zwecken und Zielen der NATO-Regierungen zuarbeitet, nicht nur toleriert, sondern von den maßgeblichen Akteuren produziert. Spektakuläre Bildaufnahmen von angreifenden Kampfhubschraubern, bisweilen mit Rockmusik unterlegt, sind im Fernsehen keineswegs verboten und im Internet massenhaft verfügbar, ohne daß jemand das Netz deswegen als "Hochschule des Terrors" brandmarkte. Kriegsverherrlichende Hollywoodproduktionen behaupten sich im Mainstream des Unterhaltungsgeschäfts, ohne daß Politiker dies zum Anlaß nähmen, die Militarisierung der Kultur zu kritisieren.

Spaß macht das Töten, nicht das Getötetwerden. Daran auf kreativ-provokante Weise zu erinnern wie mit der Aktion von Kriegsgegnern, die die Heimkehr in Afghanistan umgekommener deutscher Soldaten am Berliner Mahnmal für die Gefallenen der Bundeswehr mit einem symbolischen Sektumtrunk begleiten wollten, zieht Beschlagnahmungsaktionen des Staatsschutzes und Distanzierungen von Friedensbewegten nach sich. Ironie oder gar Subversion sind auf dem Schlachtfeld der Ehre so strikt verboten, wie es die Verlogenheit einer Kriegführung gebietet, die Menschlichkeit vorschützt, um unmenschlich agieren zu können. Jegliche Kritikfähigkeit, die aus einer alterierenden Sicht der Dinge entstehen könnte, ist zu unterbinden, indem man den Krieg zum ernstesten aller Geschäfte erklärt.

Der Glanz und Glorie verbreitende Aufmarsch von Rekruten bei öffentlichen Gelöbnissen der Bundeswehr oder die weihevolle Trauer bei Staatsakten für gefallene Soldaten sind mit der den Feind diffamierenden Selbstgerechtigkeit, mit der Angriffe auf Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit dem Ausdruck des Abscheus gebrandmarkt werden, gerade deshalb so gut vereinbar, weil sie das offen zu Tage liegende Geheimnis dieses Krieges hermetisch abschließen. Die eigennützige Willkür einer geostrategischen Ratio, die die NATO auf Schlachtfelder weit außerhalb des Bündnisgebiets antreten läßt, wird mit zivilreligiösen Symbolen und Ritualen verklärt, um das krude ökonomische Gewaltverhältnis des Krieges ethisch wertvoll zu überspielen. Der Tod eigener Soldaten muß zum zivilgesellschaftlichen Heldenmythos des für Freiheit und Demokratie sterbenden Bürgers in Uniform verklärt werden, weil das damit verbundene Leid keinesfalls als Preis für den Erhalt sehr spezifischer, ihre Nutznießer nicht der Gefahr des Krieges aussetzender Klasseninteressen erkannt werden soll.

Wer die Produzenten von Computerspielen, vorerst nur mit moralischer Wucht, im Kern landesverräterischer Umtriebe bezichtigt, um Formen militärischer Gewaltanwendung anzuwenden, mit deren Realitätstauglichkeit keine Inszenierung mithalten kann, bedient sich einer nicht minder produzierten Wirklichkeit. Den Herren des Krieges zuzustimmen setzt den Verzicht auf jegliche Form eigenen Denkens voraus. Die gesellschaftlich verfügte Wirklichkeit soll flach wie eine Scheibe sein, so daß die darauf lebenden Menschen nicht über sich hinauswachsen und das kreatürliche Drama unverstellt von der ihnen aufoktroyierten Ideologie sehen.

26. August 2010