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REPRESSION/1647: USA - Flüchtlingselend und präsidialer Spott ... (SB)



"Viele dieser illegalen Ausländer leben jetzt viel besser als dort, wo sie herkamen, und unter viel sichereren Bedingungen." Sollten die internierten Migranten unglücklich über die Zustände in den Lagern an der Grenze zu Mexiko sein, dann "sagt ihnen einfach, dass sie nicht kommen sollen. Alle Probleme gelöst!"
US-Präsident Donald Trump auf Twitter [1]

Im Zuge ihrer Kriegsführung gegen geflohene Menschen aus Guatemala, El Salvador oder Honduras an der Grenze der USA zu Mexiko treibt die Administration in Washington ihre Politik der Abschottung, Abschreckung und Verfolgung massiv voran. Präsident Donald Trump legitimiert und forciert die grausamen Praktiken des Grenzschutzes in den Internierungscamps von höchster Stelle, womit er deren sukzessiver Umgestaltung in Haftanstalten, die in zunehmendem Maße an Konzentrationslager erinnern, den Boden bereitet. Repressive Gesetzgebung, Ausrufung des nationalen Notstands im Grenzgebiet, Aufrüstung der Abwehrmaßnahmen und Großrazzien schaffen ein Arsenal der Jagd auf all jene Menschen, deren Aufenthalt in den Vereinigten Staaten für illegal erklärt wird. Eine zutiefst rassistische Deutungsmacht im öffentlichen Sprachgebrauch verfestigt die ideologische Umprägung vorherrschender Denkweisen, die Führungspositionen in den zuständigen Behörden werden systematisch mit Hardlinern bestückt, und rechte Netzwerke im Staatsdienst treten immer offener in Erscheinung.

Wurden bereits unter der Regierung Barack Obamas drei Millionen Menschen und damit mehr als je zuvor in der Geschichte des Landes abgeschoben, so wirft die Administration Donald Trumps den Deckmantel humanitärer Verschleierung ab und geht zum offenen Angriff über. Einwandernde Menschen aus südlicheren Ländern werden zur Bedrohung der nationalen Sicherheit erklärt, um die Existenz der Klassengesellschaft zu leugnen und eine zutiefst reaktionäre Rassengesellschaft zu etablieren. "America first" erhebt die weiße, männlich geprägte Definition des Amerikaners in den Rang der alleingültigen nationalen Identität, die sich der Bedrohung durch fremdrassige Okkupation von innen und außen zu erwehren habe. Der mit wachsender Brutalität geführte Krieg gegen Menschen, die vor Elend und Gewalt in ihren Herkunftsländern geflohen sind, die nicht zuletzt auf den imperialistischen Übergriff der USA zurückzuführen ist, stellt nur den Auftakt zur präventiven Aufstandsbekämpfung im eigenen Land dar, in dem die Verelendung vorwiegend nicht weißer Bevölkerungsteile sprunghaft voranschreitet.

Wie eingangs zitiert, setzt Trump darauf, internierten Flüchtlingen in den Lagern das Leben zur Hölle zu machen, um die Signale der Abschreckung zu maximieren. Im Gestus des Herrenmenschen verhöhnt er sie in ihren existentiellen Nöten und fokussiert zugleich die Abstiegsängste in der US-Gesellschaft auf ein Feindbild, das die Herkunft der alltäglichen Drangsalierung auf ein konkurrenzgetriebenes Muster fixiert. Razzia und Pogrom bleiben blutsverwandte Geschwister, da exekutierte Staatsgewalt ohne massenhafte Beteiligung ihrer Adressaten ein zahnloser Tiger bliebe, der in die Fallgrube getrieben würde. Wie Trump angekündigt hat, werde er nach dem Unabhängigkeitstag am 4. Juli die Razzien in den Großstädten umsetzen, bei denen Tausende von Immigranten verhaftet und abgeschoben werden sollen. Auf die Zurschaustellung militärischer Macht vor dem Lincoln Memorial folgt der massive Einsatz im Inneren, mit dem der tendenzielle Schutz in hispanischen Milieus gebrochen werden soll.

Ein verheerendes Bild von den Zuständen in den Internierungslagern zeichnet nun auch ein Bericht der internen Aufsichtsbehörde des Heimatschutzministeriums, das fünf solcher Einrichtungen der Grenzpolizei CBP im Rio Grande Valley inspiziert hat. Wie das Büro des Generalinspekteurs warnt, seien die Lager gefährlich überfüllt, Erwachsene und Kinder würden häufig zu lange festgehalten. Leitende Mitarbeiter dieser Einrichtungen hätten Sicherheitsbedenken für ihre Kollegen und die festgenommenen Migranten geäußert, einer habe die Situation "eine tickende Zeitbombe" genannt. Die hygienischen Verhältnisse seien alarmierend, die meisten Erwachsenen, die bis zu einem Monat in den Lagern seien, trügen dieselbe Kleidung, in der sie aufgegriffen wurden, und hätten in der ganzen Zeit nicht duschen können. [2] In einer Grenzschutzstation im Raum El Paso habe es nur vier Duschen für 756 Immigranten gegeben. Die Hälfte der Insassen mußte in der Hitze außerhalb des Gebäudes bleiben, diejenigen im Inneren lebten in Zellen, deren Kapazität um das Fünffache überschritten wurde. Unter den Menschen breiteten sich Läuse aus, und es gab Fälle von Grippe, Windpocken und Krätze. [3]

Der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, kritisierte "die unmenschlichen Bedingungen für Kinder und ihre Familien" in den Internierungslagern und forderte die sofortige Entlassung der Führungsspitze der Grenzpolizei. Trump bescheinigte den Grenzschützern hingegen, sie machten einen "großartigen Job". Schließlich seien sie keine Ärzte oder Krankenschwestern. Der Präsident machte die Demokraten für die Krise an der Grenze verantwortlich und warf ihnen vor, sich einer Reform der Migrationsgesetze zu verweigern. Wer die Krise wirklich lösen wolle, "der sagt Migranten, dass sie nicht in unser Land kommen sollen, außer sie sind bereit, das legal zu tun".

Die bestehenden Lager sind angesichts der stark gestiegenen Zahl geflohener Menschen völlig überlastet. So wurden nach Angaben der Grenzpolizei in den acht Monaten zwischen Oktober 2018 und Mai 2019 mehr als 676.000 Menschen beim illegalen Grenzübertritt aus Mexiko in die USA aufgegriffen. Das sind etwa doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Zuletzt registrierte die CBP monatlich mehr als 100.000 illegale Grenzübertritte. Die Zustände in den Lagern sind jedoch keine bloße Folge unzureichender Kapazitäten, sondern politisch gewollte und gezielt herbeigeführte Extremsituationen, die von Teilen der Grenzschützer aktiv verschärft werden.

Dies erfuhr eine Delegation von gut einem Dutzend Mitgliedern des Congressional Hispanic Caucus teils sogar am eigenen Leib, die während des Besuchs von Internierungslagern in Texas von Agenten der Grenzschutzbehörde verhöhnt, beschimpft und bedroht wurden. Zu den Abgeordneten der Demokraten gehörte auch Alexandria Ocasio-Cortez, deren Bericht zufolge Frauen in Zellen ohne Wasser festgehalten werden, denen die Beamten erklärten, sie sollen aus den Toiletten trinken. Die Frauen in einer Zelle hätten "alle angefangen zu weinen - aus Angst vor Strafe, weil sie krank waren, aus Verzweiflung, Schlafmangel, Trauma oder aus Verzweiflung". Die Abgeordnete Madeleine Dean schilderte, daß 15 Frauen zwischen 50 und 60 Jahren, die alle von ihren Familien getrennt wurden, in einer kleinen Betonzelle schliefen. Von inhaftierten Frauen erfuhren die Abgeordneten, daß sie rund um die Uhr geweckt und als "Huren" beschimpft werden. Der Vorsitzende des Hispanic Caucus, Joaquin Castro, twitterte ein Video von einer Station in El Paso, auf dem mehrere inhaftierte Frauen zu sehen sind, die auf dem Boden sitzen. Eine von ihnen erklärte, man verweigere ihr notwendige Medikamente. Die Frauen würden bis zu 50 Tage in überfüllten Zellen festgehalten und hätten wochenlang keinen Zugang zu Duschen oder fließendem Wasser.

Ocasio-Cortez erklärte vor der Presse, sie habe sich von den Beamten in dieser Einrichtung bedroht gefühlt. Andere Mitglieder der Delegation schilderten, daß Grenzschutzbeamte über die Abgeordneten lachten und Selfies mit ihnen im Hintergrund machten. Daß dies keine Fehleinschätzung seitens der Abgeordneten war, belegt ein Bericht des Nachrichtenportals ProPublica. Demnach existiert eine Facebook-Gruppe innerhalb der CBP mit etwa 9.500 Mitgliedern, auf deren Seite sich sadistische und rassistische Witze über Todesfälle von Immigranten und sexuell anstößige Fotos befinden, auf einem davon ist Ocasio-Cortez' Gesicht in den Schritt eines lächelnden Trump montiert. In anderen Posts werden weibliche demokratische Abgeordnete "Huren" genannt und Agenten aufgefordert, die Abgeordneten des Hispanic Caucus mit Burritos zu bewerfen.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Hogan Gidley, erklärte gegenüber Fox Business Network: "Ich weiß nicht, wovon Alexandria Ocasio-Cortez redet." Er bezeichnete die CBP-Agenten als "einige der tapfersten Männer und Frauen der Welt" und fügte hinzu: "Sie geben Leuten, die illegal und rechtswidrig hier sind, drei Mahlzeiten am Tag und dazwischen zwei Imbisse." Fox News warf der Abgeordneten vor, sie habe die Grenzschutzagenten in "bedrohlicher Weise angeschrien". Daß selbst Kongreßabgeordnete in dieser Form angegangen werden, zeugt vom rasanten Vormarsch rechtsextremer Kräfte, deren zeitgenössische Identitätspolitik neben rassistischen Angriffen auf nicht weiße Amerikaner insbesondere auch patriarchale Attacken gegen Frauen zum Inhalt hat.

Daß solche Elemente in den Einwanderungsbehörden von höchster Stelle gefördert werden, belegt die Personalpolitik des Weißen Hauses. Trumps irrlichternd anmutendes Personalkarussell dreht sich jeweils solange weiter, bis ebenso reaktionäre wie einflußreiche Figuren auf Schnittstellen exekutiver Macht befördert worden sind. Das gilt für John Bolton in der Außenpolitik wie für Trumps Chefberater zum Thema Immigration, Stephen Miller, der in den Einwanderungsbehörden Beamte entläßt, die als nicht aggressiv genug gelten, und sie durch Hardliner ersetzt. Zum neuen CBP-Oberkommissar wurde jüngst Mark Morgan ernannt, der Pläne für Massenrazzien in den Städten maßgeblich ausgearbeitet und Bürgerwehren verteidigt hat, die an der Grenze in Selbstjustiz Immigranten verhaften.

Morgan verkörpert zugleich den parteiübergreifenden Charakter der Migrationspolitik, war er doch unter Barack Obama stellvertretender Chef der CBP. Auch in Kreisen der Demokraten, die gegen Trumps Einwanderungspolitik protestieren, erhebt niemand die Stimme für das Recht aller Menschen, im Land ihrer Wahl zu leben und ein Auskommen zu haben, oder zumindest dafür, die Insassen der Internierungslager zu befreien. Auch als progressiv geltende Politikerinnen wie Ocasio-Cortez legen sich ihre Version zurecht, warum sie mit ihrer Partei für eine Maßnahme gestimmt haben, die der Trump-Regierung weitere 4,9 Milliarden Dollar für ihren Grenzkrieg bewilligt hat. Sie rechtfertigte dies mit dem Wunsch, die Bedingungen für Immigranten in den Internierungslagern zu verbessern. Wo Parteidisziplin und Karrierestreben die Feder führen, landen humanitäre Attitüden leichterdings in den Fangarmen der Staatsräson, selbst wenn diese Menschen der eigenen Herkunft mit Repression überzieht und den "amerikanischen Traum" auf seinen Wesenskern einer Phantasmagorie reicher weißer Männer zuspitzt, die nicht nur von armen weißen Männern zu Heilsbringern verklärt werden.


Fußnoten:

[1] www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_86036736/behoerde-verheerende-zustaende-trump-spottet-ueber-kritik-an-migrantenlagern-nicht-kommen-.html

[2] web.de/magazine/politik/us-praesident-donald-trump/trump-migranten-kritik-lagern-usa-fernbleiben-33821992

[3] www.wsws.org/de/articles/2019/07/04/immi-j04.html

5. Juli 2019


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