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REPRESSION/1457: Verbot oder Spaltung? - Mit Vorschlaghammer und Seziermesser gegen die Linkspartei (SB)



Daß jede geheimdienstliche Tätigkeit, die sich gegen legale Parteien, deren demokratisch gewählte Amtsträger oder deren Mitglieder richtet, einem Faß ohne Boden gleicht und in seiner Stoßrichtung auf ein letztendliches Parteiverbot abzielt, unterstreichen die derzeit zu Tage tretenden Aktivitäten des Verfassungsschutzes gegen die Linkspartei. Damit nicht genug, sehen politische Gegner vielerorts ihre Stunde gekommen, gezielt ausgewählten Repräsentanten der Partei Die Linke mit juristischen Mitteln ans Zeug zu flicken. Dieser Kampf mit harten Bandagen verläßt das Feld der argumentativen Auseinandersetzung, die im Angesicht einer in wachsenden Teilen verarmenden Bevölkerung das staatstragende Establishment aus gutem Grund scheut. Ließe man der Linkspartei Luft, ihre Positionen ohne unablässige Querschüsse haltloser Bezichtigungen zu vertreten, könnte die Wählerschaft auf den Gedanken kommen, daß eine forcierte Umverteilung von unten nach oben samt der mit militärischen Mitteln durchgesetzten Suprematie der westlichen Metropolen nicht die einzig denkbare Antwort auf die kapitalistische Krise ist.

Die Mehrheit aus CDU und FDP im hessischen Landtag hat mit der Aufhebung der Immunität der Linken-Fraktionschefs Janine Wissler und Willi van Ooyen ohne Debatte ein klares Zeichen in Richtung politisch motivierter Strafverfolgung gesetzt. Als die beiden Betroffenen im Parlament persönliche Erklärungen abgeben wollten, wurde ihnen das unter Verweis auf die Geschäftsordnung verwehrt. Die Schutzfunktion der Immunität soll verhindern, daß Menschen wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Parlaments Repressionen ausgesetzt werden. Sie schützt nicht generell vor Strafverfolgung, wohl aber vor willkürlicher Anwendung derselben. Prüft man den Sachverhalt unter dieser Maßgabe, ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß einzelne Personen gezielt aufs Korn genommen werden, viele andere Beteiligte jedoch von vornherein nicht ins Visier staatsanwaltlicher Ermittlungen geraten.

Am 13. Februar 2010 hatten in Dresden mehr als zehntausend Menschen gegen Rechtsextremismus demonstriert, indem sie mit ihrer Präsenz einen Marsch von Rechtsextremisten verhinderten, die den Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg für ihre Propaganda nutzen wollten. An dieser Aktion hatten sich Politiker der Linkspartei mit öffentlichen Fraktionssitzungen beteiligt. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte die Fraktionschefs unter den Verdacht, Rädelsführer bei der Blockade einer angemeldeten Demonstration gewesen zu sein, und beantragte die Aufhebung ihrer Immunität als Parlamentarier. [1]

In Dresden hatten indessen nicht nur Linkenfraktionen aus Hessen, Thüringen und Sachsen demonstriert, sondern auch Bundespolitiker wie Wolfgang Thierse (SPD) und Claudia Roth (Grüne). Während die Parlamente in Sachsen und Thüringen bereits die Immunität der dortigen Linken-Fraktionschefs André Hahn und Bodo Ramelow aufgehoben hatten und der hessische Landtag nun nachzog, sind sonstige Teilnehmer der Aktion wie insbesondere Politiker anderer Parteien nicht von solchen Maßnahmen betroffen. Dennoch erklärte die hessische CDU-Abgeordnete Karin Wolff, die Linken verlangten einen "Blankoscheck", der unabhängige Ermittlungen unterbinden solle. Diese Argumentation verkehrt das Prinzip der Immunität in sein Gegenteil und verschleiert, daß im vorliegenden Fall offenbar ein Exempel zu Lasten der Linkspartei statuiert werden soll.

Janine Wissler holte in einer Stellungnahme die vom politischen Gegner ausgeblendete inhaltliche Diskussion zurück in die Diskussion. Sie halte "die strafrechtliche Verfolgung und die Kriminalisierung breiter Anti-Nazi-Proteste für ein fatales Signal ins In- und Ausland und an alle Menschen, die Opfer von rechter Gewalt wurden". Während eine mordende Nazi-Bande ein Jahrzehnt lang ungehindert von den Sicherheitsbehörden durch die Republik gezogen sei, stelle man linke Antifaschisten unter Anklage. Mit ihrem Vorgehen gegen die Politiker der Linken behindere die Justiz den Kampf gegen Nazis.

Nachdem immer weitere Einzelheiten der Beobachtung und Observierung von Politikern der Linken durch den Verfassungsschutz zutage treten und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit der Forderung nach einem Verbotsverfahren gegen die Linkspartei das Fernziel beim Namen genannt hat, schaltete sich Oskar Lafontaine mit drastischen Worten in die Debatte um das Vorgehen des Inlandgeheimdienstes ein. Der Fraktionsvorsitzende der saarländischen Linken tritt für seine Partei als Spitzenkandidat bei der Neuwahl des saarländischen Landtags am 25. März an, was ihn um so mehr motivieren dürfte, der Wucht wachsender Bezichtigung eine klare Position entgegenzusetzen. Die Linke ist drittstärkste politische Kraft im Land und erhielt 2009 mit Lafontaine 21,3 Prozent der Stimmen. Wenngleich die Sozialdemokraten ein Bündnis mit der Linken ausgeschlossen haben und deren Regierungsbeteiligung mithin nicht zur Debatte steht, befürchten die etablierten Parteien zweifellos ein erneut starkes Votum der Wähler für Die Linke.

Lafontaine hält sich in seinen jüngsten Äußerungen erfreulicherweise nicht mit dem Versuch einer Rechtfertigung auf, die Wasser auf die Mühlen der politischen Gegner wäre. Er geht in die Offensive und geißelt "Polizeistaatsmethoden wie in einer Bananenrepublik", wobei er die aktuelle Entwicklung mit den Zuständen unter dem "von der CSU hofierten" Diktator Augusto Pinochet vergleicht, dessen Regime die chilenische Bevölkerung zwischen 1973 und 1990 unterjochte. Der CSU wirft er Verfassungsbruch und Korruption vor, da sie sich "von Reichen schmieren" lasse. "Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern", zitiert Lafontaine aus Artikel 123, Absatz drei der Bayerischen Verfassung. Die CSU tue das Gegenteil, "weil sie sich von Reichen wie Quandt und von Finck schmieren" lasse, und verhalte sich demzufolge "klar verfassungsfeindlich". Die CSU-Minister, die der Erbschaftssteuersenkung zustimmten, hätten beim Schwur auf die Verfassung des Freistaats einen Meineid geleistet, so Lafontaine. [2]

Die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch geht sicher nicht fehl in ihrem Schluß, die Union wolle mit der Beobachtung von Bundestagsabgeordneten ihrer Partei durch den Verfassungsschutz Wahlen beeinflussen. Es handle sich um eine politische Instrumentalisierung des Geheimdienstes, die mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar sei. Auch daß die Bevölkerung durch diese Vorgehensweise langfristig verunsichert werden soll, wie die Parteichefin annimmt, ist nachvollziehbar. Daß sich Vertreter der anderen im Bundestag vertretenen Fraktionen kritisch zur Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz geäußert haben, will Lafontaine für sich genommen nicht gelten lassen: Bislang seien das nur Worte - ihn interessierten Handlungen. Wo diese Parteien regierten, ob im Bund oder in den Ländern, werde die Linke "vom sogenannten Verfassungsschutz" beobachtet.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bringt ihre Strategie dezidiert auf den Punkt. Sie bezeichnet das von Dobrindt thematisierte Verbot der Linkspartei als "völlig abwegig". Eine Gleichsetzung der Linkspartei mit der NPD sei unangemessen, da sich letztere in ihrem Programm gegen die Verfassung richte. Hingegen fände man innerhalb der Linken Gruppierungen, die Bestandteile der Verfassung in Frage stellen: "Das sollten wir sauber unterscheiden, gerade wenn es darum geht, gewählte Abgeordnete zu überwachen." Wo der CSU-Generalsekretär nach dem Vorschlaghammer greift, will die liberale Justizministerin exakt sezieren. Weit liegen die beiden nicht auseinander, wenn der eine den Vorgriff auf das Ziel des Feldzugs macht, während die andere sich auf taktische Spaltungsmanöver kapriziert, die zuvor als Etappen zu bewältigen sind.

Fußnoten:

[1] http://www.fr-online.de/rhein-main/landtag-hebt-immunitaet-auf-justiz-darf-linke-belangen,1472796,11557674.html

[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/linke-im-visier-des-verfassungsschutzes-oskar-lafontaine-wuetet-gegen-die-csu-1.1272376

2. Februar 2012