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REPRESSION/1430: Pelican Bay State Prison - Tausende im Hungerstreik gegen Isolationsfolter (SB)



6600 Gefangene in mindestens 11 der 33 kalifornischen Staatsgefängnisse haben sich anfangs an einem Hungerstreik beteiligt, der am 1. Juli gegen die Haftbedingungen im Hochsicherheitstrakt des Pelican Bay State Prison begonnen wurde. Wie viele von ihnen heute noch die Aufnahme jeglicher Nahrung verweigern, wird von der kalifornischen Gefängnisverwaltung nicht bekanntgegeben. Den UnterstützerInnen zufolge sind es nach wie vor Tausende von Insassen, die unter den erschwerten Bedingungen des heißen kalifornischen Sommers Gefahr laufen, schwer zu erkranken oder gar zu sterben.

Über ein Drittel des mit 3100 Häftlingen überbelegten, da nur für 2280 Gefangene gebauten Supermax-Knastes Pelican Bay verbringen über 22 Stunden des Tages in völliger Isolation. In der sogenannten Security Housing Unit (SHU), einem mit elektrisch geladenem Zaun umgebenen Sondertrakt innerhalb des Pelican Bay-Komplexes, werden angeblich besonders gefährliche Gefangene auf 1.85 x 2.75 Meter praktisch lebendig begraben. In einer rundum aus Beton bestehenden, permanent mit Neonlicht beleuchteten Zelle fast den ganzen Tag eingesperrt zu sein, keinen Ausblick nach außen zu haben, unter Luftmangel zu leiden, bis auf kurze Begegnungen mit WärterInnen fast keinen menschlichen Kontakt zu haben, von diesen mit Schlägen und rassistischen Beleidigungen mißhandelt zu werden, permanent observiert zu werden, den kurzen Gang in den überdachten Innenhof mit Fußketten und erst nach einer Leibesvisitation absolvieren zu müssen, ist an Perfidie kaum zu übertreffen.

Diese Haftbedingungen sind keine Sicherheitsmaßnahmen, wie die Behörden behaupten. Durchschnittlich zwei Jahre lang werden Gefangene diesen Bedingungen ausgesetzt, doch es können auch über zehn Jahre werden. Allein wenige Wochen in einem Betonsarg zu verbringen würde die psychische Belastbarkeit der meisten Menschen überfordern. Wer dies über Jahre aushalten muß, wird gefoltert. Die angeblichen Gang-Mitglieder, politischen Gefangenen oder schlicht auffällig gewordenen Straftäter im SHU sind der strafenden Grausamkeit des staatlichen Gewaltmonopols auf eine Weise ausgesetzt, die durch keine noch so gravierende Straftat zu rechtfertigen ist. Pelican Bay wird allerdings wie die meisten US-Knäste überdurchschnittlich von Afroamerikanern und Latinos bevölkert, da, wie in vielen Untersuchungen nachgewiesen, der US-Strafvollzug ethnische Minderheiten auf vielfältige Weise benachteiligt. Diese rassistische Praxis wird durch den sozialfeindlichen Charakter des US-Justizwesens verstärkt, sind mittellose Angeklagte doch weit weniger in der Lage, sich angemessen vor Gericht verteidigen zu lassen. In vielen Bundesstaaten erschwerend hinzu kommt das Three Strikes Law, unter dem Wiederholungstäter schon bei kleineren Delikten nach der dritten Straftat eine obligatorische Zeitstrafe von mindestens 25 Jahren absitzen müssen.

Nach der Hauptforderung, die Isolationshaft aufzuheben, verlangen die Insassen des Hochsicherheitstraktes Pelican Bay die Einstellung des sogenannten Debriefing, einer Art Kronzeugenregelung für Gangmitglieder. Den wegen Gangmitgliedschaft inhaftierten Gefangenen wird angeboten, über die Bezichtigung anderer Gefangener dieser besonders harten Situation zu entkommen. Nun sind zahlreiche Fälle von Verurteilungen bekannt, deren Opfer lediglich aufgrund von Indizien wie einer Tätowierung oder dem Besitz bestimmter Gegenstände als Gangmitglieder eingestuft werden. Teilweise wurden Menschen auch verurteilt, weil sie über die Praxis des Debriefing in Verdacht gerieten. Allerdings sitzen auch Gefangene in der SHU ein, die sich solidarisch mit anderen Gefangenen gezeigt haben oder die Kontakte mit mißliebigen politischen Gruppen haben.

Die Gefängnisverwaltung behauptet unterdes, das Ausmaß des Hungerstreiks sei auf Gangstrukturen zurückzuführen. Dies wird von den UnterstützerInnen bestritten und als weitere Stigmatisierung von massiver Repression betroffener Menschen verurteilt. Wo der Mensch Widerstand gegen die Elimination seiner körperlichen und geistigen Freiheit zeigt, wird ihm sogar in Isolationshaft unterstellt, illegale Verbindungen zu anderen Menschen zu unterhalten. Offensichtlich fürchten die Herrschenden nichts mehr als unverbrüchliche Solidarität.

Der schwarze Gefangenenaktivist Hugo Pinell wurde 1965 mit 19 Jahren unter der Vorspiegelung, er werde bald entlassen, wenn er das Begehen einer Vergewaltigung gestehe, zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Im Knast entwickelte er sich zum Sozialrevolutionär und beteiligte sich 1971 an dem Gefangenenaufstand in St. Quentin, bei dem George Jackson erschossen wurde. Neun Mal wurden seine Anträge auf Begnadigung abgelehnt. Erst im Jahr 2024, wenn Hugo Pinell fast 80 Jahre alt ist, kann er den nächsten Begnadigungsantrag stellen. Seit 1986 lebt Pinell in Isolationshaft, seit 1990 in der SHU Pelican Bay. Sein letztes Foto ist mehrere Jahre alt, da die kalifornische Gefängnisverwaltung Aufnahmen von SHU-Gefangenen prinzipiell verboten hat. Zu den Forderungen der Häftlinge gehört daher, nicht nur einmal im Monat ein Telefongespräch führen zu dürfen, sondern auch einmal im Jahr eine fotografische Aufnahme für Verwandte und Freunde anfertigen zu lassen. Pinell beteiligt sich trotz seines Alters an dem Hungerstreik, wie er in einem Brief an den Black Panther-Aktivisten Kiilu Nyasha [1] erklärt.

Das ganze Ausmaß der Drangsalierung, Folterung, Erniedrigung, Justizwillkür, die Häftlinge im Strafvollzug der Vereinigten Staaten zu erleiden haben, läßt sich nicht im Rahmen eines Zeitungsartikels schildern. Informationen über den Hungerstreik sind fast ausschließlich auf US-Webseiten zu erhalten [2]. Die so gut wie nichtvorhandene Berichterstattung in deutschen Medien und die kaum erfolgende Solidarisierung linker Gruppen mit den hungerstreikenden Gefangenen in Kalifornien läßt allerdings vermuten, daß es zur einschüchternden Wirkung der Repression, die den in den USA besonders heftig tobenden sozialen Krieg flankiert, nicht einmal der grausamen Gewalt bedarf, die die Insassen des Pelican Bay State Prison zu erleiden haben.

Fußnoten:

[1] http://sfbayview.com/2011/letters-from-hugo-pinell-and-other-hunger-strikers-rally-to-support-the-hunger-strikers/

[2] http://www.change.org/petitions/support-prisoners-on-hunger-strike-at-pelican-bay-state-prison
http://www.indybay.org/police/