Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

REPRESSION/1294: Den Briten droht eine Gesinnungsdiktatur (SB)



In Britannien steht eine weitere Verschärfung der Antiterrorgesetzgebung an, die nicht nur für die auf den ersten Blick gemeinten Muslime schwerwiegende Folgen haben wird. Wie laut mehrerer Informanten aus dem Londoner Innenministerium, die sich an den BBC und dem Guardian wandten, bekannt wurde, sollen die Behörden künftig nicht nur das Begehen terroristischer Gewalttaten oder dementsprechende Aufrufe verfolgen. Dem unter dem Titel "Contest 2" firmierenden Plan zufolge will man weit im Vorfeld solcher Entwicklungen auf breiter Ebene gegen Radikalisierungstendenzen vorgehen.

Laut dem BBC-Magazin Panorama (16.02.2009) will man künftig gegen muslimische Prediger, die den Islam für unvereinbar mit westlichen Demokratien halten, vorgehen, selbst wenn ihre Aussagen rechtlich unanfechtbar sind. Um die betreffenden Personen ausfindig zu machen, will man auch auf die geheimdienstliche Unterwanderung muslimischer Gemeinden setzen. Die geplanten Maßnahmen umfassen etwa den Entzug öffentlicher Gelder, aber auch Methoden, die inkriminierten Prediger gesellschaftlich zu isolieren. In welchem Ausmaß dabei Zwang ausgeübt werden soll, ist den bislang bekanntgewordenen Informationen zu dem noch im Entwurfsstadium befindlichen Konzept Contest 2 nicht zu entnehmen.

Laut der Tageszeitung The Guardian (17.02.2009) gehören zu den Kriterien einer inakzeptablen Radikalisierung das Propagieren des Kalifats, also einer supranationalen Form islamischer Staatlichkeit, das Propagieren der Sharia oder des Jihad, der ausdrücklich auch den bewaffneten Widerstand palästinensischer Kämpfer gegen das israelische Militär betreffen soll, und der Verzicht darauf, die Tötung britischer Soldaten im Irak und in Afghanistan zu verurteilen.

Diese Merkmale einer staatlicherseits zu bekämpfenden Radikalisierung lassen bereits erkennen, daß sich das neue Paradigma der Terrorismusbekämpfung nicht nur gegen Muslime, sondern auch Vertreter säkularer politischer Ideologien richtet. Wer "gegen die Demokratie und staatliche Institutionen" ist, macht sich laut einer von der BBC zitierten Quelle eines politischen Extremismus schuldig, dessen bezichtigt zu werden man kein Muslim zu sein braucht. Die demgegenüber positiv formulierte Bezugnahme auf "gemeinsame britische Werte", die es gegen Extremisten zu verteidigen gelte, ist mit dem bislang in Britannien herrschenden Liberalismusverständnis nicht mehr zu vereinbaren.

An die Stelle bürgerlicher Freiheit, die in der britischen Monarchie ohnehin schon durch eine Vielzahl repressiver Maßnahmen stark eingeschränkt ist, tritt ein Wertediktat, das, wie Innenministerin Jacqui Smith im Dezember ankündigte, auch nicht gewalttätig vorgehende "Extremisten" daran hindern soll, "Grenzbereiche des Gesetzes auszunutzen, um haßerfüllte Ideologien zu verbreiten". Der freizügigen legalen Auslegbarkeit des Rechts tritt der Staat mit einem Bekenntniszwang entgegen, der etwa mit der Forderung, die Tötung britischer Soldaten zu verurteilen, auch gegen Kriegsgegner durchgesetzt werden könnte.

Die Fortschreibung der britischen Antiterrorgesetze greift, wie sich in bereits heute strafbaren Gesinnungsdelikten ausdrückt, in zunehmendem Maße auf die politische Einstellung der Menschen zu. Das Ergebnis besteht, völlig unabhängig von der Fragwürdigkeit mancher von Muslimen vertretener Moralvorstellungen und Gesellschaftsideale, in einer allgemeinen ideologischen Gleichschaltung, die bei entsprechender strafrechtlicher Sanktionierung und deren exekutiver Durchsetzung in eine regelrechte Gesinnungsdiktatur münden kann. Da Britannien maßgeblichen Einfluß auf die Rechtsentwicklung in der gesamten Europäischen Union hat, werden die Folgen solcher Verschärfungen auch in der Bundesrepublik zu spüren sein.

20. Februar 2009