Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KOMMENTAR


RAUB/1095: Deutsche Bank im Sturzflug (SB)



Wie der Sturzflug der Deutschen Bank signalisiert, ist die große Krise keineswegs ausgestanden. Hatte die Aktie des deutschen Flaggschiffs auf dem Finanzsektor seit einem Jahr 55 Prozent an Wert verloren, so fiel sie zu Wochenbeginn um 7,5 Prozent auf den tiefsten Stands seit 1983. Auslöser des jüngsten Absturzes ist eine Strafzahlung in Höhe von 14 Milliarden Dollar (12 Milliarden Euro), die das US-Justizministerium im Zusammenhang mit der Hypothekenkrise von 2008 gegen die Bank verhängt hat. Im August hatte der Internationale Währungsfond die Deutsche Bank als schwächstes Glied im Weltfinanzsystem eingestuft, was einerseits der Ausschau nach dem nächsten Dammbruch und andererseits der Identifizierung des bestgeeigneten Opfers, mit dem man die unerforschlichen Götter des globalen Finanzmarktes zu besänftigen hofft, geschuldet ist. Die für alternativlos erklärte Ratio des Wachstums auf Grundlage der Konkurrenz kennt nur eine einzige Logik des Überlebens, nämlich die Vernichtung des Schwächeren.

Bei der gegen die Deutsche Bank verhängten Strafe, die nicht etwa von der Börsenaufsicht, sondern von einem Organ der US-Regierung auferlegt wurde, handelt es sich nicht zuletzt um eine Breitseite im Zuge wachsender politischer und wirtschaftlicher Spannungen zwischen den USA und der EU. Daß deren Verhältnis von einem Schulterschluß zu Lasten anderer Weltregionen derzeit in Richtung einer erbitterten Rivalität auf denselben Weidegründen verschiebt, unterstreichen die von der EU gegen Apple verhängte Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro wie auch die vor allem von deutscher und französischer Seite für mehr oder minder gescheitert erklärten Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Daß das US-Justizministerium der Deutschen Bank das Zehnfache dessen abverlangt, was es in demselben Zusammenhang von amerikanischen Banken einzutreiben versucht, zeugt von einem zunehmenden transatlantischen Wirtschaftskrieg. [1]

Was die Deutsche Bank betrifft, ist der Dax-Konzern an der Börse nur noch rund 14,6 Milliarden Euro wert. Selbst wenn die verhängte Strafe wie erwartet im Endeffekt niedriger ausfallen dürfte, ist die Bank höchstwahrscheinlich auf eine Kapitalerhöhung angewiesen. Trotz sinkender Gewinne mehr Geld zu bekommen, dürfte sich jedoch als problematisch erweisen, da die Niedrig- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank die Geschäftsmodelle aller großen Banken empfindlich getroffen hat. Zentralbankchef Mario Draghi spricht von einer "Überkapazität an Banken in Europa" und fordert die Regierungen auf, gesetzliche Voraussetzungen für eine Konsolidierung schaffen. Ein Grund mangelnder Profitabilität der Banken seien deren Überkapazitäten, die abgebaut werden müßten. Die Commerzbank sucht ihr Heil in einem massiven Personalabbau und will in den kommenden Jahren 9600 Vollzeitstellen streichen, so daß mehr als jede fünfte der zuletzt 45.000 Vollzeitstellen wegfallen soll. [2]

Das klassische Muster in der Konkurrenz des Kapitale, die eigene Produktivität insbesondere durch Rationalisierung, also Reduzierung des Anteils menschlicher Arbeitskraft, zu erhöhen, bleibt eine brachiale Option auch für die Deutsche Bank. Allerdings hat sie bereits auf diese Karte gesetzt, ohne daß dies zu einer Konsolidierung geführt hätte. Längst ist in Anspielung auf den Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, der die weltweite Finanzkrise von 2008 ausgelöst hat, vom Supergau eines "zweiten Lehman" die Rede. Ein Ende der Deutschen Bank hätte angesichts ihrer Verflechtungen mit anderen Banken und Finanzinstituten verheerende Auswirkungen auf das gesamte europäische Finanzsystem, das ohnehin einem Giganten auf tönernen Füßen gleicht, da die Krise nicht bewältigt, sondern in ihren Folgen lediglich durch riesige staatliche Rettungsmaßnahmen und abenteuerliche Tarnmanöver hinausgezögert worden ist.

Ungeachtet alles Dementis bereiten die Bundesregierung und die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden deswegen einen Notfallplan für die Deutsche Bank vor. Er soll in Kraft treten, wenn die Deutsche Bank zusätzliches Kapital benötigt und diese Mittel nicht am Markt beschaffen kann. Der Rettungsplan sieht unter anderem vor, daß Teile des Geschäfts an andere Finanzinstitute verkauft werden. Allerdings müßte das auf eine Weise geschehen, welche die Deutsche Bank entlastet, ohne ihr deutlichen Verluste zu bescheren. Diese Transaktionen könnten durch staatliche Garantien abgesichert werden. Im äußersten Notfall würde sich der Staat direkt an der Bank beteiligen, wobei eine Beteiligung von 25 Prozent im Gespräch sein soll. Teile der Bundesregierung favorisieren demgegenüber offenbar den europäischen Abwicklungsmechanismus, der für die Sanierung notleidender Banken vorgesehen ist. Daran müßten sich allerdings auch Gläubiger und Kunden beteiligen, was die Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht gerade dämpfen würde. [3]

Sollte die Bundesregierung die Deutsche Bank nicht stützen, hätten andere Banken und Finanzinstitute bei Geschäften mit ihr ein sehr ungutes Gefühl, schreibt der britische Daily Telegraph: "Seit 2008 wissen wir: Geht das Vertrauen in eine Bank verloren, gerät sie in die allergrößten Schwierigkeiten. Falls die Deutsche Bank untergeht, erscheint es immer wahrscheinlicher, dass sie auch Merkel mit in den Abgrund reißt - und den Euro gleich mit dazu."

Weit über den Angriff auf die Deutsche Bank hinaus weist deren akute Überlebenskrise insbesondere darauf hin, daß die explosionsartige Entladung von 2008 nicht wie bei früheren Wirtschaftskrisen zu einer phasenweisen Stabilisierung der Kapitalverwertung geführt hat, deren Verfall sich offenbar mit ökonomischen Mitteln nicht mehr bremsen, geschweige denn umkehren läßt. Die in Geldwert ausgedrückte Menge an Schuldtiteln aller Art übersteigt die produzierbaren materiellen Gegenwerte um ein Vielfaches, was ihre Einlösung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft illusorisch macht. Wenn von faulen Krediten, Bad Banks oder schwindendem Vertrauen der Anleger die Rede ist, beschreibt dies verschiedene Aspekte oder Symptome eines tendenziellen Zusammenbruchs der bislang bekannten Wirtschaftsweise und gesellschaftlichen Organisation.


Fußnoten:

[1] https://www.wsws.org/de/articles/2016/09/28/deut-s28.html

[2] http://www.deutschlandfunk.de/banken-commerzbank-streicht-9-600-stellen.1818.de.html?

[3] http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-09/deutsche-bank-rettungsplan-finanzaufsichtsbehoerde

29. September 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang