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RAUB/0897: Biosprithandel - Wasserexport der Entwicklungsländer (SB)



Die Berichte darüber, daß die Aufrechterhaltung der Mobilität in den westlichen Metropolengesellschaften durch die Zumischung von Biosprit zu Benzin oder Diesel unmittelbar mit Landraub in den chronisch unter Hunger leidenden Entwicklungsländern einhergeht, mehren sich. Auf zehn Prozent soll der Biospritanteil in der Europäischen Union bis zum Jahr 2020 steigen; die USA haben sich vergleichbare Ziele gesetzt. Das eigene Territorium genügt jedoch nicht, um die entsprechende Menge an "Energiepflanzen" anzubauen, also wird mit Entwicklungsländern "Handel" betrieben - eine euphemistische Umschreibung dafür, daß die reichen Länder die ökonomische Not der Armutsländer ausnutzen und Verträge abschließen, die ihre eigene Vorteilsposition weiter befestigen.

Ja, es trifft zu, daß es bei manchen Energiepflanzen (Mais, Soja) eine Konkurrenz zu Nahrungspflanzen besteht, nicht aber für Jatropha, behaupten die Anhänger dieser Pflanze. Jatropha sei nämlich giftig und gedeihe auf kargen Böden. Stimmt, sagen Forscher der niederländischen Universität Twente, doch hat sich gezeigt, daß der reale Wasserbedarf der Jatropha in der Praxis pro Energieeinheit um das Fünffache über dem von Mais und Zuckerrohr und sogar um das Zehnfache über dem von Zuckerrüben liegt. Um ein Liter Jatrophaöl herzustellen, werden während des Anbaus 20.000 Liter Wasser verbraucht. (PNAS, 2.6.2009)

Diese wissenschaftliche Vergleichsstudie von Arjen Hoekstra und anderen trifft keine Aussage darüber, ob sich der Jatrophaanbau nicht für hauptsächlich für die Subsistenz wirtschaftende Dorfgemeinschaften lohne, die damit eine gewisse Energieautarkie erlangen oder ein Zubrot verdienen können. Das ist jedoch eine ganz andere Geschichte. Die dreht sich nicht um die Erfüllung der Biospritziele der USA und EU. Es handelt sich eben nicht um die Geschichte der fortgesetzten Kolonialisierung unter dem Titel der Globalisierung, wie sie Tag für Tag weitergeschrieben wird.

Vor allem mit China, aber auch mit Indien und den Ölexportnationen am Persischen Golf erwachsen den klassischen Kolonialstaaten aus Europa sowie den USA starke Konkurrenten um Land für den Anbau von Nahrung und Biospritpflanzen heran. Die Hoffnung, daß sich aus dieser Konkurrenzsituation Vorteile für die Entwicklungsländer herausschlagen lassen, erfüllt sich nicht. Ihre Abhängigkeit von den kapitalstarken Investoren dominiert unvermindert das Geschehen. Die Globalisierung geht nur in eine Richtung, und die vertieft die Kluft zwischen reichen und armen Ländern, genauer gesagt, zwischen Produktions- und Nutzungsregionen.

Das bedeutet am Beispiel der für den Export angebauten Jatrophapflanze: Mit jedem Liter ihres Öls werden 20.000 Liter Wasser, das in vielen Anbaugebieten rar ist, ausgeführt. Das Verhältnis kann reduziert werden, verkünden Pflanzenzüchter und rechnen dabei in einigen Jahren, vielleicht sogar einem Jahrzehnt. Doch dann würde noch immer reichlich Wasser in Form des Öls exportiert. Bis das Versprechen erfüllt wäre, so es jemals dazu kommt, würden neue Strukturen und Abhängigkeiten geschaffen, die das räuberische Grundverhältnis längst in andere Regionen der "wirtschaftlichen Zusammenarbeit" übertragen hätte.

12. Juni 2009