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RAUB/0896: Hunger oder die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch (SB)



Haben Sie schon davon gehört, daß in Südasien der Hunger in der Bevölkerung in jüngster Zeit massiv zugenommen hat? Nein? Eben. Über so etwas "Unattraktives" wird kaum berichtet. Noch nie in den letzten vierzig Jahren war der Hunger so verbreitet wie gegenwärtig, meldete das UN-Kinderhilfswerk Unicef in der vergangenen Woche. Im Vergleich zu vor zwei Jahren müssen 100 Millionen Menschen zusätzlich hungern - allein in dieser Region! Nimmt man jetzt noch den wachsenden Hunger in anderen Weltregionen hinzu, so geht rechnerisch daraus deutlich hervor, daß global die Eine-Milliarde-Grenze an Hungernden schon weit überschritten wurde.

Zudem steht eine wachsende Zahl von Menschen quasi auf Treibsand und rutscht unaufhaltsam immer tiefer in Armut. Allein in Südasien betrifft dies laut der Weltbank 1,2 Milliarden Menschen, 400 Millionen Menschen nagen dort am Hungertuch. Der Unicef-Report befaßt sich vor allem mit der Lage der Frauen und Kinder, da diese von der jüngsten Wirtschaftskrise am schwersten betroffen sind. Die Not gilt selbstverständlich für die Familien insgesamt.

Entweder die internationale Gemeinschaft ist unfähig, die hungernden Menschen zu ernähren, oder aber sie weigert sich, dies zu tun. Inakzeptabel ist das in beiden Fällen. Hier zeigt sich, daß das auf Profitmaximierung ausgerichtete kapitalistische System ungeeignet ist, den Hunger in der Welt zu beheben. Und nicht nur das, es fördert den Hunger, indem die Lebensverhältnisse der Menschen, die als Wanderarbeiter, geringbezahlte Arbeitssklaven auf Plantagen oder in Freihandelszonen ihre Gesundheit zu Markte tragen dürfen, verschlechtert werden. Und diese Menschen können sich noch glücklich schätzen. Denn sie könnten auch zu jenen Regionen gehören, die an keine nennenswerte Infrastruktur angeschlossen sind, kaum von außen versorgt werden und Austragungsstätte für blutige Konflikte um Einfluß und Bereicherung sind.

Der Hunger in den Ländern des Südens bildet die Basis für den relativen Wohlstand in Deutschland und anderen Ländern des Nordens. Innerhalb der privilegierten Regionen wiederum beruht der Reichtum auf der Armut eines großen Teils der Bevölkerung. Gesichert wird dieser Widerspruch zwischen den sozialen Schichten durch das Militär nach außen und durch paramilitärische und Polizeikräfte nach innen. Die unermüdlichen Vorstöße von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), das von der Regierung ach so gefeierte Grundgesetz zu verändern, damit in der Konsequenz wieder deutsche Soldaten auf deutsche Bürger schießen dürfen, muß als Vorbereitung der Regierung auf Zeiten angesehen werden, in denen die vorhandene soziale Widerspruchslage so immens deutlich wird, daß Recht und Gesetz nicht mehr genügen, sie unterdrückt zu halten.

Wenn es stimmt, daß Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, dann wäre es folgerichtig zu sagen, daß in Deutschland großmaßstäblich gehungert wird, und es würde Zeit, dieser Erkenntnis Taten folgen zu lassen. Eine Schlußfolgerung daraus könnte lauten, im kommenden Herbst keine Regierung zu wählen, die Soldaten in die Hungerregion des Hindukusch entsendet, denn man müßte davon ausgehen, daß es sich um eine Regierung handelte, die im Zweifelsfall Soldaten auch gegen verarmte oder gar hungernde Menschen in Deutschland aufmarschieren ließe.

9. Juni 2009