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PROPAGANDA/1444: Blut geleckt ... Spiegel Online kolportiert BAK Shalom (SB)



Die Bundesrepublik kriegsbereit zu machen scheint das ganze Anliegen einer Propagandakompanie führender deutscher Medien zu sein. Das belegt nicht nur die andauernde Häme, mit der Außenminister Westerwelle die Nichtbeteiligung der Bundeswehr an der Eroberung Libyens vorgehalten wird. Der Ärger darüber sitzt so tief, daß die nächste Gelegenheit, sich an einem blutigen Beutezug zu beteiligen, auf keinen Fall verpaßt werden soll. Nicht willens, die Implikationen europäischer Staatenkonkurrenz zwischen transatlantischer und deutscher Hegemonie dieser von der Kanzlerin getragenen Entscheidung auf den Tisch zu legen, wurde anläßlich des Besuchs Westerwelles in Libyen einmal mehr in die Kerbe des angeblichen Verlusts deutschen Zugriffs auf die lukrativen Ressourcen des nordafrikanischen Landes geschlagen.

Die Entscheidung, diesen oder jenen Krieg einmal ausfallen zu lassen, beruht nicht auf altruistischer Emphase oder völkerrechtlichen Normen, sondern folgt dem Kalkül einer Staatsräson, dem die Nöte und Leiden der von kriegerischen und wirtschaftlichen Katastrophen betroffenen Bevölkerungen so gleichgültig sind wie die Art und Weise, auf die sich das Kapital verwertet. So ist die unmittelbare Verknüpfung aggressiver Eroberungspolitik und langfristiger ökonomischer Vorteilsnahme nur bedingt gegeben, wie die enttäuschende Bilanz des US-Kapitals im Irak belegt. Abgesehen von der staatlichen Quersubventionierung durch die immensen Kosten der neunjährigen Besetzung des Landes ist wenig geblieben, das den militärischen Aufwand im Verhältnis zur einst entworfenen Aussicht auf großen Gewinn rechtfertigte.

Wie dieser Krieg in erster Linie ein Projekt gewaltsamer Durchsetzung nicht nur der geostrategischen und ökonomischen Interessen, sondern auch der gesellschaftlichen und kulturellen Hegemonie seiner maßgeblichen Akteure war, so soll auch der nächste Feldzug dafür sorgen, daß der Gültigkeit der zur globalen Leitdoktrin erhobenen Normen und Werte nicht widersprochen werden kann. Die Bundesrepublik verfügt nicht umsonst über Streitkräfte, die von der strategischen Konzeption bis zur wehrtechnischen Umrüstung auf Angriff abonniert sind. Die Interessen der Menschen, die staatlicher und ökonomischer Gewalt ohnmächtig ausgeliefert sind, zu artikulieren ist also nicht nur im Falle des auf Umverteilung von unten nach oben ausgerichteten Krisenmanagements Aufgabe linker emanzipatorischer Kräfte. Daß dies trotz der Schwäche der linken Bewegung in Deutschland immer wieder erfolgt, wird dementsprechend rigoros zum Anlaß genommen, den medialen Antikommunismus totalitarismustheoretisch aufzuladen, um Kriegsgegnern eine verwerfliche Nähe zu üblen Despoten anzulasten.

Ein exemplarisches Beispiel dafür ist ein Artikel auf Spiegel-Online, in dem den Unterzeichnern eines Aufrufs zur Beendigung der Kriegsvorbereitungen und Embargopolitik gegen den Iran und Syrien [1] "Linke Solidarität mit Schlächter Assad" [2] vorgeworfen wird. Inhaltlich wird mit der Anprangerung vermeintlich haltloser Behauptungen über die Rolle der NATO-Staaten in diesen Konflikten vor allem gegen die Linkspartei blankgezogen. Als Kronzeuge für die Verwerflichkeit der in dem Aufruf vertretenen Forderungen wird der Bundesarbeitskreis (BAK) Shalom aufgeboten. Unter Berufung auf eine Stellungnahme dieses Zirkels neokonservativer Bellizisten innerhalb der Linksjugend Solid, deren Titel "Gegen linke Solidarität mit den Schlächtern von Syrien und Iran!" [3] von Spiegel-Online nur leicht modifiziert übernommen wurde, läutet das Hamburger Magazin eine neue Runde in der von außen wie innen betriebenen Zersetzung der Partei Die Linke ein.

Dem Grundsatz getreu, daß eine Betrachtung des nahöstlichen Krisenszenarios, die über das analytische Niveau der Bild-Zeitung hinausgeht, der Vollendung der von der US-Regierung schon vor zehn Jahren konzipierten Neuordnung der Region unter westlicher Vorherrschaft nur abträglich sein kann, wird mit BAK Shalom schlicht behauptet, es seien "nicht die Nato, die USA oder Israel, die einen Bürgerkrieg in Syrien anfachen, sondern das syrische und iranische Regime". Zweifellos läßt sich die Legitimität des Anliegens der syrischen und iranischen Bevölkerung nach politischem Wandel ebensowenig negieren wie die Bandbreite der syrischen Opposition, die von Gruppen, die einen Bürgerkrieg lostreten wollen und eine Intervention der NATO verlangen, bis zu Organisationen, die den politischen Wechsel als innersyrische Angelegenheit begreifen und aus eigener Kraft bewerkstelligen wollen, reicht. Das Interesse der NATO-Staaten, die bislang gescheiterte Zerschlagung des sich den Vormachtansprüchen der USA und EU widersetzenden Bündnisses zwischen den Regierungen Syriens und des Irans doch noch zum Erfolg zu führen, zu dementieren zeugt allerdings von einer intellektuellen Schlichtheit, die das ganze Elend der notgedrungenen Leugnung offenkundiger Widersprüche erkennen läßt.

In dem Aufruf der Kriegsgegner hingegen wird weder für oder gegen die Regierungen Syriens und des Irans Partei genommen. Seine Unterzeichner unterstützen vielmehr das Recht der Bevölkerungen dieser Länder, ihre Verhältnisse selbstbestimmt zu regeln, anstatt die unmittelbare Herrschaft nationaler Eliten gegen die nicht minder passiv erlittene Herrschaft fremder Interessen einzutauschen:

"Das iranische und syrische Volk haben das Recht, über die Gestaltung ihrer politischen und gesellschaftlichen Ordnung allein und souverän zu entscheiden. Die Erhaltung des Friedens verlangt es, dass das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten konsequent eingehalten wird." [1]

Dafür, sich auf verbürgte völkerrechtliche Prinzipien zu berufen, gibt es viele gute Gründe, wie die Kriege in Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen belegen. In allen Fällen wurde erhebliches Leid über die Zivilbevölkerung gebracht, und das nicht nur durch die Aggression der NATO-Staaten, sondern auch durch die dadurch freigesetzten Zerwürfnisse unter den ethnisch-religiösen Gruppen der Bevölkerungen. Das jüngste Ergebnis des humanitären Interventionismus, der Sturz der libyschen Regierung mit Hilfe der Instrumentalisierung einer demokratischen Protestbewegung durch die NATO und die Einsetzung einer gegen den sozialen Aufstand der arabischen Bevölkerungen gerichteten, die Restauration oligarchischer bis islamistischer Interessen betreibenden Statthalterregierung, kostet die libysche Bevölkerung möglicherweise nicht nur ihre relativ großzügige sozialpolitische Beteiligung an der Ölrente. Auch auf diesem Schlachtfeld westlicher Hegemonialinteressen werden nun Machtkämpfe ausgefochten, die - wie im Irak und in Afghanistan - in einen langwierigen Bürgerkrieg münden könnten.

Auf Spiegel-Online hingegen, wo der Einsatz westlicher Geheimdienste und Spezialkommandos im Libyenkrieg durchaus bestätigt wurde, wird mit Hilfe des BAK-Shalom-Textes der Eindruck erweckt, die Verfasser des Aufrufs betrieben mit der Behauptung, nämliches geschehe auch im Iran und in Syrien, eine üble Form der Parteinahme für einen "Schlächter". Diese Diktion einer Gruppe, die die blutige Durchsetzung des israelischen Siedlerkolonialismus für einen Ausbund demokratischen und zivilisatorischen Fortschritts hält und die aus ihrem Wunsch nach einem kriegerischen Regimewechsel im Iran keinen Hehl macht, in einer nicht als Zitat ausgewiesenen Artikelüberschrift zu übernehmen, um die Verfasser und Unterzeichner des Aufrufs kollektiv als irregeleitete Gesinnungstäter zu diffamieren, ist schon eines Broder wert. Nicht ganz zufällig ist dieser Journalist, auf den der Titel des Demagogen, wie seine jüngsten Ausfälle gegen das "alternative, friedensbewegte, rote Pack" [5] belegen, allemal zutrifft, gern gelesener Autor dieses Blattes.

So bescheidet sich Spiegel Online darauf, den Unterzeichnern des Aufrufs unter Verweis auf BAK Shalom "puren Antiamerikanismus" anzulasten. Mit dieser politklerikalen Letztbegründung für falsch und richtig erweist sich sein Journalismus als von eben jener ideologischen Borniertheit befallen, derer er Linke notorisch bezichtigt, sobald diese Position gegen herrschende Verhältnisse beziehen. Das führende deutsche Meinungsmedium sitzt fest im Sattel der auch vom Springer-Konzern propagierten neokonservativen Weltanschauung und ist schon deshalb nicht daran interessiert, die Kritiker der NATO-Kriegspolitik zu widerlegen. Ihre Sorge, daß ein "Angriff der Nato auf Syrien oder Iran (...) zur direkten Konfrontation mit Russland und China führen" könnte, findet keine Erwähnung, weil diese Gefahr nicht nur die direkt betroffenen Bevölkerungen bedroht, sondern weil ein gewaltsamer Übergriff von dieser Proportion die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik einem fundamentalen Wandel unterziehen könnte.

Um nichts anderes geht es den neokonservativen Funktionseliten im Angesichte des globalen Krisenszenarios. Der 2011 manifest gewordene Widerstand der Opfer des kapitalistischen Weltsystems ist unter gegebenen, noch demokratischen Verhältnissen nicht zuverlässig genug zu unterdrücken, als daß man nicht den Einsatz erhöhte, um den Preis unumkehrbarer Herrschaftsverhältnisse zu erringen. Ein großer Krieg im Nahen und Mittleren Osten riefe angebliche Sachzwänge der nationalen Sicherheit in den europäischen Gesellschaften auf den Plan, mit denen sich die abzeichnende Etablierung autoritärer Verhältnisse weit unproblematischer durchsetzen ließe als mit dem Argument, die Überwindung der Krise des Kapitals bedürfe des Einsatzes aller gesellschaftlichen Kräfte, also vor allem derjenigen, die noch niemals von der finanzmarktgenerierten Reichtumsproduktion profitiert haben. Die Kriegstreiber setzen nicht umsonst auf die Wucht der demagogischen Bezichtigung, müßten sie doch passen, wenn sie sich auf eine Analyse des herrschenden Klassenantagonismus und seiner kulturalistischen Tapezierung einließen.

Und so greift eins ins andere, wie das Interview mit dem Hoffnungsträger der Parteirechten in der Linken, Dietmar Bartsch, zeigt. Einen Tag nach dem Spiegel-Bericht distanziert er sich im Deutschlandfunk [6] entschieden von Mitgliedern der eigenen Fraktion wie Diether Dehm und Sevim Dagdelen, die den Aufruf unterzeichneten. So lange sich Mitglieder der Partei Die Linke nicht beirren lassen und eine imperialistische Aggression als solche erkennen und kritisieren, so lange wird diese Partei von den neurechten bürgerlichen Eliten, die den Sozialrassismus und die Islamfeindlichkeit der Sarrazin und Broder auf ihre Fahnen geheftet haben, mit allen Mitteln beschädigt werden. Sich davon nicht beeindrucken zu lassen, sondern den Primat militaristischer und kapitalistischer Ideologie anzugreifen, mag keine leichte Aufgabe sein, doch geht es um nichts geringeres, als katastrophalen Entwicklungen von grundstürzender Wirkung Einhalt zu gebieten.

Fußnoten:

[1] http://www.freundschaft-mit-valjevo.de/wordpress/?p=402

[2] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,808255,00.html

[3] http://bak-shalom.de/index.php/2012/01/08/gegen-linke-solidaritat-mit-den-schlachtern-von-syrien-und-iran/

[4] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,754370,00.html

[5] http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik-detail-an/1948671?_link&skip&_g=Broders-rhetorischer-Sturmangriff-auf-das-friedensbewegte-Pack.html

[6] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1649380/

11. Januar 2012