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PROPAGANDA/1374: Hamid Karzai verwandelt den Bundestag in einen Basar (SB)



Die Zeiten, als sich der afghanische Präsident mit US-Paß ob seines so eleganten wie farbenfrohen Auftretens noch der ungeteilten Bewunderung der Modeschöpfer erfreute, weil man sonst nichts über ihn wußte, sind lange vorbei. Heute ist Hamid Karzai der Status einer Marionette der NATO-Regierungen, an der man gelegentlich ziehen muß, um den Eindruck zu erwecken, er handle im Sinne des ihm zugewiesenen Postens eines Staatschefs Afghanistans, sicher. Je nach politischer Wetterlage wird er mal als Sündenbock zur Ablenkung von den Problemen der Besatzer mißbraucht, mal als Grüßaugust für nachrangige Politiker aus den NATO-Staaten vorgeführt oder als Souverän eines Operettenstaats, der sich kaum über seine Hauptstadt Kabul hinaus erstreckt, hofiert.

Letzteres war der Fall, als er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Bundestag trat. Da die Bundeswehr vorgeblich auf Einladung einer Regierung in Afghanistan ist, die zu dem Zweck, die Eroberer des Landes nachträglich hereinzubitten, erst von diesen installiert werden mußte, macht es sich gut, gelegentlich mit dem exotischen Gepränge seines Auftritts den Anschein völkerrechtlicher Legalität zu unterstreichen. So ging Merkel dieses Mal im Unterschied dazu, als Karzai Anfang November wegen unzureichender Bekämpfung der Korruption und anderer Versäumnisse von westlichen Politikern wie ein Schuljunge abgewatscht wurde, pfleglich mit dem Staatsgast um und ermahnte ihn nur einmal, in dieser Sache etwas zu unternehmen.

Dieses Entgegenkommen nahm Karzai dankbar an und revanchierte sich mit einem Persilschein für die Bundeswehr. Auf Anfrage von Journalisten zeigte er sich zufrieden mit der Schadensbegrenzung, die die Bundesregierung nach dem Luftangriff vom 4. September 2009, bei dem über 140 Menschen starben, betrieben hatte. Der oberste deutsche Soldat sei entlassen worden, der ehemalige Verteidigungsminister zurückgetreten, und die Familien der Opfer wären großzügig entschädigt worden. Karzais Fazit: Im Umgang mit diesem "sehr traurigen Zwischenfall" habe sich Deutschland "verantwortungsbewußt gezeigt".

Auch wenn es wieder still um dieses Massaker geworden ist, dürfte Karzai kaum entgangen sein, daß der für den Luftangriff verantwortliche Bundeswehroberst Georg Klein sich der Vorspiegelung falscher Tatsachen bedient hat, um den Angriff ohne Vorkehrungen, die den Betroffenen die Flucht ermöglicht hätten, durchführen zu lassen. Trotzdem wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Auch über die Anwesenheit dubioser Berater beim Zustandekommen dieser Entscheidung wird Karzai Bescheid wissen, konnte man dies doch in der frei zugänglichen Presse lesen.

Indem Karzai Merkel dennoch attestiert, daß dieses Massaker an seiner Bevölkerung nicht nur verzeihlich, sondern im Grunde genommen von der Bundesregierung nicht zu verantworten sei, hat sich der afghanische Präsident vollends als Handpuppe der Besatzungsmächte zu erkennen gegeben. Als Staffage für einen symbolpolitischen Akt gerade noch verwendungsfähig glänzt der gelernte Politologe denn auch mit Unterwerfungsgesten, die nur noch peinlich wären, wenn sein Ruf nicht ohnehin dahin wäre. So lobte er die angeblich neue Afghanistanstrategie der Bundesregierung, indem er sie mit den Produkten der deutschen Autoindustrie verglich. Alles Gute kommt aus Deutschland, schloß Karzai messerscharf, denn ein Land, dessen Industrie Fahrzeuge aus dem Haus Daimler oder Porsche herstelle, bringe auch auf anderen Gebieten nur Spitzenleistungen hervor. Im Stil eines passionierten Kaufmanns, der bei allen Gelegenheiten, die sich ihm bieten, sein Verkaufstalent unter Beweis stellen muß, versuchte der afghanische Präsident, den gemeinsamen Auftritt mit der Bundeskanzlerin in einen Basar gegenseitiger Überbietungen zu verwandeln. Damit allerdings ließ er auch Merkel, Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister Guttenberg wie Teppichhändler aussehen, die bei dem Versuch, einen Ladenhüter an den Kunden zu bringen, nicht die allerbeste Figur machen.

27. Januar 2010