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HERRSCHAFT/1826: CSU - Finanzoffenbarungen ... (SB)



Wachstum, Bildung und Sicherheit - nur in diese drei Bereiche sollen zusätzliche Steuermittel fließen, meint zumindest CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. In allen anderen Sektoren soll gekürzt werden, so vor allem in der Sozialpolitik, was unter neoliberalen PolitikerInnen nichts Neues ist. Mehr Klimaschutz, wie auf der Umweltministerkonferenz der Länder in Hamburg mit großem Aplomb zur kleinen Münze einer allgemeinen Bepreisung von CO2 verlangt, oder Entwicklungspolitik - Fehlanzeige. Auch dort könnten die Ausgaben reduziert werden, schlägt der Dlf-Moderator vor. Michelbachs Antwort: "Alles, was nichts direkt mit Wachstum, mit Bildung und Sicherheit zu tun hat, muss natürlich korrigiert werden" [1]. Nachdem die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer den Handel mit Verschmutzungsrechten zum Königsweg des Klimaschutzes erklärt und damit zu erkennen gegeben hat, daß in der Bundesrepublik freigesetzte Treibhausgase finanziell kompensiert, aber nicht in absoluten Zahlen wirksam reduziert werden sollen [2], zeigen die steuerpolitischen Absichten des Koalitionspartners, daß die Verlautbarungen der Regierungspolitik gegen den Strich gelesen werden müssen, um die reale politische Entwicklung abschätzen zu können.

Wenn der Eindruck erweckt wird, eine positive Entwicklung des Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik ließe sich mit den erklärten Zielen zur Emissionsreduktion vereinbaren, dann wird neben der Kompensation von Grenzwertüberschreitungen durch Verschmutzungsrechte vor allem auf eine höhere technische Effizienz in der Produktion, auf eine Regulation des Konsums und die verschiedenen Möglichkeiten der Filterung und Entsorgung von CO2 verwiesen. Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, daß die sogenannte Effizienzrevolution auch nur annähernd das Tempo erreichte, dessen es bedürfte, um die Beschleunigung des Klimawandels einzuholen, geschweige denn zu überholen. Da dieser Pfad des Klimaschutzes schon seit Jahren beschritten wird, ohne Emissionseinsparungen zu zeitigen, die den freiwillig eingegangenen Minimalanforderungen der Bundesrepublik und den Reduktionszielen der EU gerecht würden, wird der Haufen an der einen Stelle immer größer, während er andernorts mit einem Ergebnis abgetragen wird, dessen Ineffizienz mit technokratischen Begriffskonstrukten wie "Kohlenstoffneutralität", "Netto-Null" oder "Dekarbonisierung" verschleiert wird.

Eine Regulation des Konsums über den Preis, wie auch im Rahmen der CO2-Steuer vorgeschlagen, wird die soziale Widerspruchslage in der Bevölkerung auch dann verschärfen, wenn es zu einem gewissen Ausgleich bei der Rückverteilung der Steuer käme. Die Preise insgesamt zu steigern ohne entsprechende Zunahme bei der Produktion und damit der Mehrwertrate führt im Endeffekt zu einem abnehmenden Gesamtprodukt, also einer geringeren Menge an zu verteilendem Reichtum. Auch die mit technischen Verfahren der CO2-Entsorgung und -Kompensation etwa durch Biomasse verbundenen Probleme wurden bislang bestenfalls im Ansatz bedacht. Diese Möglichkeiten werfen nicht nur erhebliche ökologische Fragen auf, sondern erzeugen ein Produktivitätswachstum, das ausschließlich mit der Frage beschäftigt ist, was mit den Abfällen aus einer Wirtschaftsweise geschehen soll, die nicht an Bedürfnisbefriedigung orientiert ist, sondern Konsum voraussetzt, um überhaupt im systemimmanenten Sinne rentabel wirtschaften zu können.

Konkrete klimapolitische Maßnahmen wie der schnellstmögliche Ausstieg aus der Kohleverstromung, eine starke Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und Gütertransportes mit LKW durch verkehrspolitische und fiskalische Mittel, der drastischen Reduzierung des Flugverkehrs durch hohe Kerosinsteuern, den Rückbau vorhandender und die Einstellung aller weiteren Flughafenprojekte, die Bindung der Tierproduktion an die Fläche und eine starke, produktions- wie preisbedingte Reduzierung des Konsums von Tierprodukten, die Einstellung aus militärischen Gründen freigesetzter Treibhausgase, die Aufgabe der transport- und ressourcenintensiven Exportpolitik wie die Einstellung der Rohstoffausbeutung in den Ländern des Globalen Südens zur Fortsetzung deutschen Wohlstandskonsums wirken sich im wachstums- und wettbewerbsorientierten Sinne durch die Bank negativ auf das Wirtschaftswachstum aus. Was immer dort im stofflichen Sinne wächst, sind Verbrauchs- und Entsorgungspotentiale, die auf eine sozial gerechte Bedürfnisbefriedung zurückzuführen nichts anderes als die Überwindung einer Gesellschaftsordnung voraussetzte, die auf privatwirtschaftlicher Kapitalverwertung und Mehrwertproduktion durch Lohnarbeit basiert.

Um es so weit nicht kommen zu lassen, wird der Eindruck erweckt, mit der Umstellung der gesellschaftlichen Produktionsweise auf elektronische Datenverarbeitung durch informationstechnische Systeme ließen sich im Grunde genommen alle Probleme zur Zufriedenheit derjenigen lösen, die nicht von vornherein durch nichtvorhandene Erwerbsarbeit oder einen nichtdeutschen Status ausgegrenzt sind. Dementsprechend sind mit staatlichen Investitionen in den Bildungsbereich vor allem standort- und industriepolitische Ziele gemeint. So ist der sogenannte Digitalpakt, der die technische Ausstattung der Schulen und Universitäten mit informationstechnischer Hardware antreiben soll, durch die dabei eingesetzten Steuermilliarden zum einen selbst eine Form der Quersubvention industrieller Akteure. Zum andern soll er Qualifikationen in der Bevölkerung entwickeln, die den Standort Deutschland für die in Fabrik und Verwaltung anstehende Rationalisierungsoffensive fit macht. Die Zurichtung der Menschen auf sachgerechte Funktionserfüllung im Umgang mit informationstechnischen Systemen hat darüberhinaus den Vorteil, mittelfristig eine Form der Sozialkontrolle und Überwachung zu etablieren, die den zu erwartenden Widerstand gegen eine kapitalistische Vergesellschaftung, die allen alternativen, selbstorganisierten und autonomen Lebensformen die Zügel der Berechenbarkeit und Standardisierung anlegt, wirksam unterbindet.

So entspricht der Aufrüstung nach außen, für die ein erheblicher Haushaltsposten freigesetzt wurde, die Verschärfung innerer Repressionspotentiale. Die Aufrüstung der Bundeswehr zur weltweit aktiven Einsatzarmee dient nicht zuletzt der Stabilisierung von Widerspruchslagen in "Deutsch-Europa", die sich von der Sicherung des Extraktivismus im Globalen Süden und dorthin inklusive ihrer Umweltkosten verlagerter Fertigungsverfahren zur Einstellung von Sozialprogrammen in der Bundesrepublik leicht durchrechnen lassen. Sicherheit im kapitalistischen Weltsystem meint Überleben zu Lasten derjenigen, die nicht mit waffenstarrenden Streitkräften und hochentwickelten Überwachungsmethoden dafür gesorgt haben, daß Alternativen zur sozialdarwinistischen Überlebensordnung gar nicht erst in den Stand gesellschaftlich hegemonialer Bewegungen kommen.

Insofern sprechen Haushaltsplanungen wie die der CSU eine weit klarere Sprache als diejenige, die in den Fensterreden zur Beschwichtigung der Bevölkerung verwendet wird. Gerade weil es sich um eine so komplexe wie unspektakuläre Form politischer Willensbildung handelt, lassen sich bei den fiskalischen und ausgabentechnischen Plänen des Staatsapparates Hinweise auf die Gestaltung einer Zukunft finden, in der Konkurrenz und Wettbewerb eher ausgebaut denn als Formen gesellschaftlicher Organisierung, die Not, Elend und Tod produziert, überwunden werden.


Fußnoten:

[1] https://www.deutschlandfunk.de/csu-politiker-michelbach-zu-steuerschaetzung-keine.694.de.html?dram:article_id=448401

[2] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/raub1197.html

11. Mai 2019


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