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HERRSCHAFT/1811: AfD - das rechte Aufgebot ... (SB)



Ich nehme den Auftrag der Spitzenkandidatur voller Kampfeslust an. [...] Unsere Landesliste ist ein Spiegel der Brandenburger Bevölkerung. Wir holen uns unser Land zurück - die AfD-Brandenburg steht - geschlossen wie immer - bereit.
Andreas Kalbitz (Partei- und Fraktionschef der AfD-Brandenburg) [1]

Sollte die Behauptung des Spitzenkandidaten der AfD-Brandenburg für die Landtagswahl am 1. September 2019 zutreffen, daß die Landesliste ein Spiegel der Bevölkerung ist, stünde es schlecht um dieses Bundesland. Ihm müßte man dann eine rechtskonservative Mehrheitsmeinung attestieren, die offen für rechtsextremistische Bewegungen ist. Die Brandenburger AfD befindet sich im Aufwind, liegt sie doch in Umfragen gleichauf mit der in einer rot-roten Koalition regierenden SPD und könnte als stärkste Kraft aus dem Urnengang hervorgehen. Am selben Tag wird auch in Sachsen und am 27. Oktober in Thüringen gewählt, wobei auch in diesen beiden Fällen ein deutlicher Zuwachs der AfD droht. In Sachsen liegt sie den Umfragewerten zufolge zwar derzeit noch hinter der Regierungspartei CDU, doch holte sie dort bei der Bundestagswahl 2017 die meisten Zweitstimmen. In Thüringen liegen CDU, Linke und AfD eng beieinander.

Der vermeintliche Widerspruch, daß die Verbindungen des brandenburgischen Spitzenpersonals zur rechtsextremen Szene bekannt sind, man ihnen jedoch zugleich zumindest in Teilen attestiert, sie hätten aus taktischen Gründen bei ihren öffentlichen Auftritten Kreide gefressen, läßt sich leicht auflösen. Im grundsätzlichen Unterschied zur Verfolgung der radikalen Linken, die der Staatsschutz mitunter noch nach Jahren wegen angeblich verfassungsfeindlicher Aussagen oder auch nur eine Nähe zu denselben zur Rechenschaft zieht, genoß die AfD trotz ihrer rechtsradikalen Strömungen und ihrer Öffnung gegenüber derartigen Bewegungen auf der Straße lange einen Freibrief. Der frühere Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen beriet bekanntlich Frauke Petry, wie eine Beobachtung der AfD durch seine Behörde zu vermeiden sei.

Seit Maaßens turbulentem Abgang, der viel Staub in der öffentlichen Wahrnehmung aufgewirbelt hat, wird der Ruf nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz immer wieder laut. Die Parteiführung auf Bundesebene reagierte darauf mit der Auflösung einiger regionaler Jugendverbände, die unter Beobachtung standen, und empfahl, bei der Teilnahme an Demonstrationen einen gewissen Abstand zu rechtsextremen Aufmärschen zu wahren. Die Führung um Alexander Gauland und Jörg Meuthen blockierte jedoch zugleich jeden Versuch, einen Parteiausschluß Björn Höckes herbeizuführen oder eine Unvereinbarkeit mit rechtsextremen Gruppierungen außerhalb der Partei zu beschließen. Zudem halten sich besonders weit rechts aufgestellte Landesverbände wie jener in Brandenburg keineswegs an das Abstandsgebot nach Rechtsaußen, sondern erklären diese Verbindung im Gegenteil zur eigentlichen Stärke der Partei. Man hat es also auf den verschiedenen Ebenen jeweils mit Doppelstrategien zur Täuschung einer breiteren Wählerschaft zu tun, während diesbezügliche Berichte der Medien zu Diffamierungen seitens der "Lügenpresse" erklärt werden.

Nach dem Parteitag der AfD-Brandenburg in Rangsdorf zieht wie erwartet Partei- und Fraktionschef Andreas Kalbitz als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf. Er wurde mit 319 Ja- und 113 Nein-Stimmen bei 43 Enthaltungen auf Platz eins der Kandidatenliste gewählt. Mit Kalbitz schickt die AfD einen Politiker ins Rennen, der zum völkisch-nationalistischen Flügel um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zählt und enge Verbindungen in die rechtsextremistische Szene hatte. Der aus München stammende Zeitsoldat und ehemalige Fallschirmjäger nahm 2007 an einem Pfingstlager der "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) teil. Der Verein völkischer Nazis, der sich als "paramilitärisch auftretende Elite" verstand, mit militärischem Drill und Hitler-Verehrung Kinder und Jugendliche aufzog, wurde 2009 vom Bundesinnenministerium verboten. Kalbitz war Autor für rechtsextreme Publikationen wie das Vereinsblatt der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland", wurde 1993 Mitglied der Republikaner, trat dann dem "Witikobund" bei und übernahm in der rechten Organisation "Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit" den Vorsitz, die von Nazis, SS-Offizieren und NPD-Funktionären gegründet worden war.

Kalbitz hat trotz Abgrenzungsbeschlüssen seiner Partei kein Problem damit, daß Mitarbeiter der Fraktion Verbindungen zur Identitären Bewegung (IB) haben, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird. Seit geraumer Zeit enthält er sich jedoch verbaler Provokationen, die kurzfristig Aufmerksamkeit erheischen, sondern übt sich in Beharrlichkeit und Geduld, da er sich auf einem politischen "Langstreckenlauf" sieht. Er formuliere ganz vorsichtig, erläuterte er Anfang letzten Jahres bei einem Vortrag im Institut des neurechten Verlegers Götz Kubitschek seine Vorgehensweise. Dank dieser taktischen Marschroute gelingt es ihm, auch jene Teile der Partei und Anhängerschaft für sich zu gewinnen, die von einem allzu derben Sprachgebrauch eher abgestoßen werden. [2]

Während mit Kalbitz als Spitzenkandidat zu rechnen war, ist insbesondere bemerkenswert, daß sich die AfD die Proteste des Vereins "Zukunft Heimat" vor allem in Cottbus zunutze machen will. Christoph Berndt, Sprecher des Vereins, wurde auf Platz zwei der Liste gewählt und lag mit 314 Ja-Stimmen nur knapp hinter Kalbitz. Wären, wie bei anderen Parteien durchaus üblich, die Enthaltungen nicht mitgezählt worden, hätte Berndt sogar das Rennen gemacht. Dies unterstreicht den enormen Einfluß der selbsternannten neuen außerparlamentarischen Opposition, die Cottbus zu einem zweiten Dresden machen will. Berndt nennt die Stadt einen "Knotenpunkt der patriotischen Bewegung in Deutschland", ist bei den dortigen Demonstrationen häufig der profilierte Hauptredner und holt auch führende Köpfe der Neuen Rechten wie Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek hinzu.

Bei den Demonstrationen duldet der Verein auch Rechtsextremisten und Neonazis, denn Berndt zufolge sind die patriotischen Bürgerbewegungen der natürliche Bündnispartner der AfD. Kalbitz begrüßte ausdrücklich Berndts Kandidatur und widersprach damit offen dem Willen des AfD-Bundesvorstandes, dem er selbst angehört, wonach AfD-Leute möglichst nur auf AfD-Demos gehen sollen, damit ihnen nicht die Nähe zu Rechtsextremisten oder Pegida vorgeworfen wird. "Der Meinung bin ich nicht", unterstrich Kalbitz. Der Erfolg seiner Partei basiere doch gerade auf der Zusammenarbeit mit Pegida oder "Zukunft Heimat". [3]

Auf Platz drei wurde Daniel Freiherr von Lützow gewählt, den man ebenfalls zu den strammen Parteirechten zählen kann. Der stellvertretende Landesparteichef und Ortschef in Blankenfelde-Mahlow gilt als Parteistratege für kommunale Basisarbeit, mit der er die AfD vor Ort kompetenter machen will. Wie er weiß, reicht das Kernthema Migration auf Dauer nicht aus, die Partei in der Fläche zu verankern, wo Schulung in Kommunalpolitik geleistet werden muß. Dabei schwört er seine Leute darauf ein, sachlich zu bleiben und sich nicht reizen zu lassen. In den sozialen Medien, auf Demonstrationen oder anderen AfD-Veranstaltungen klingt er weniger sachorientiert: "Wir sind der blaue Sturm, der Deutschland reinigt." Er ist dafür, die Grenzen dichtzumachen, weil man sonst "unsere Familien nicht schützen" könne, und glaubt: "Wenn wir unser Volk retten wollen, gibt es nur den Weg der Remigration." [4]

Auf Platz vier folgte Birgit Bessin, sie ist Vizechefin der AfD-Landtagsfraktion und tritt regelmäßig bei den Demonstrationen von "Zukunft Heimat" in Cottbus auf. Nummer fünf wurde Steffen Kubitzki, ein Mann aus der Kraftwerksbranche, der in Spree-Neiße gut vernetzt ist und dort bei der Landratswahl im Mai in der Stichwahl gegen den Amtsinhaber von der CDU auf 40 Prozent kam. Der Potsdamer Dennis Hohloch, Lehrer in Berlin und zuletzt AfD-Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl, hat Listenplatz zehn. Er ist auch Landeschef der Jungen Alternativen, des Jugendverbands der AfD, und wirft der Bildungspolitik in Brandenburg vor, "alles Deutsche und Identitätsstiftende aus den Lehrplänen zu entfernen". Interessant auf Platz 19 ist Leyla Bilge, die in den 1980er Jahren mit ihrer kurdischen Familie nach Deutschland gekommen war und 2018 zwei rechte "Frauen-Märsche" vor dem Kanzleramt in Berlin organisiert hat. Sie sei eine "stolze Deutsche", so Bilge, die sich als "erfahrene und kämpferische Aktivistin" bezeichnet. Es gebe eine "tödliche Toleranz" gegenüber dem Islam, der nicht zu Deutschland gehöre. "Der Osten ist der neue Sturm der AfD", verkündete sie unter frenetischem Beifall auf dem Parteitag.

Aktuell zählt die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag nach zwei Austritten wegen des Rechtsrucks noch neun Abgeordnete. Umfragen zufolge liegt die Partei bei 20 bis 23 Prozent, womit sie Chancen auf 20 bis 23 Abgeordnete hätte, die über die Liste ins Parlament einziehen. Andreas Kalbitz gab nach seiner Wahl als Ziel aus, daß die AfD bei der Landtagswahl stärkste politische Kraft werden wolle. Sie könne mit einer Mannschaft in den Wahlkampf ziehen, die durchmischt sei und die Vielfalt des Landes widerspiegle, es seien nicht abgehalfterte Berufsfunktionäre wie in anderen Parteien. Zugleich kündigte er einen harten und schmutzigen Wahlkampf an: "Für Rot-Rot geht es um alles. Es geht nicht nur darum, dass wir Verantwortung übernehmen, die haben auch Angst, dass wir mal in den Keller gehen und die Akten abstauben und mal gucken. Und das reicht für hundert Jahre Knast, davon bin ich fest überzeugt." Christoph Berndt erklärte am Sonntag auf einer Demonstration in Cottbus: "Wir werden eine Stadt des Widerstandes bleiben. Wir werden bei den Wahlen am 1. September den Parteien, die uns dieses Elend eingebrockt haben, eine Quittung erteilen."


Fußnoten:

[1] www.tagesspiegel.de/berlin/brandenburg-rechtsaussen-kalbitz-fuehrt-afd-in-die-landtagswahl/23834136.html

[2] www.jungewelt.de/artikel/346753.langstreckenhetzer-des-tages-andreas-kalbitz.html

[3] www.berliner-zeitung.de/berlin/brandenburg/afd-kandidaten-fuer-landtagswahl-partei-bekennt-sich-zu-demonstranten-von-rechtsaussen-31839990

[4] www.tagesspiegel.de/politik/brandenburg-wie-die-afd-die-provinz-durchdringt/23629896.html

8. Januar 2019


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