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HERRSCHAFT/1551: Haßkampagne gegen US-Muslime ... Kulturkrieg in vollem Gange (SB)



Es hat US-Präsident Barack Obama nicht genützt, sich nach anfänglichem Eintreten für den Verfassungsgrundsatz der Religionsfreiheit vom Bau der sogenannten Ground Zero-Moschee zu distanzieren. Laut einer aktuellen Umfrage des Pew Research Center glauben 18 Prozent der US-Bürger, daß ihr Präsident ein Muslim ist. Dabei handelt es sich nicht um eine wertfreie Vermutung, viel mehr liegt diese Annahme auf der Linie eines antiislamischen Ressentiments, das derzeit in den Vereinigten Staaten Hochkonjunktur hat.

Fast neun Jahre nach den Anschlägen des 11. September 2001 geht die damals zwar nicht erst gelegte, aber grelle Blüten treibende Saat des gegen Muslime gerichteten Rassismus mit einer Vehemenz auf, die moderate Beobachter der gesellschaftlichen Entwicklung in den USA regelrecht schockiert. Auslöser ist der Streit um den geplanten Bau eines muslimischen Gemeinde- und Gebetszentrums in Lower Manhatten, das mehr als zwei Häuserblocks vom ehemaligen Standort des World Trade Centers entfernt errichtet werden soll. Das Projekt ist als Begegnungsstätte für in den USA lebende Muslime und andere Interessierte konzipiert. Park 51, so sein offizieller Name, ist nicht nur eine Moschee, wie seine Gegner suggerieren, sondern ein großer Komplex mit diversen Freizeit-, Sport-, Kommunikations- und Bildungseinrichtungen, zu dem auch ein Ort des Gebetes gehören soll.

Der Hauptinitiator Imam Feisal Abdul Rauf ist über jeden Verdacht, mit militanten Islamisten zu sympathisieren, erhaben. Er hat die Anschläge des 11. September 2001 mehrfach ausdrücklich verurteilt und arbeitet als Berater mit dem FBI wie dem US-Außenministerium zusammen, für das er in den Nahen und Mittleren Osten reist, um dort unter anderem etwas für die Rechte muslimischer Frauen zu tun. Rauf verdammt jede im Namen des Islam begangene Gewaltanwendung, dabei insbesondere Selbstmordattenate, und hält die Verbreitung der Religion unter Zwang für einen Verstoß gegen die Menschenrechte. Dementsprechend stieß das Projekt anfangs auf Zustimmung in der New Yorker Stadtverwaltung, die es einstimmig begrüßte, wie auch unter Vertretern der jüdischen Gemeinde der Stadt.

Die maßgebliche Initiatorin der nun die US-Gesellschaft durchwogenden Auseinandersetzung um den Bau des Zentrums ist die New Yorker Bloggerin Pamela Geller. Mit ihrer Webseite Atlas Shrugs, benannt nach einem zentralen Werk der neokonservativen Säulenheiligen Ayn Rand, hat sie sich einen Namen als antiislamische Demagogin erster Ordnung gemacht. Der von ihr betriebene Alarmismus um die kurz bevorstehende Übernahme der westlichen Welt durch den Jihadismus mündet mitunter in konkrete Zerstörungsaufrufe, so in einem Video, in dem sie forderte, Pakistan von der Landkarte zu entfernen. Ihre Berühmtheit als Bloggerin ist einem Video des Jahres 2006 geschuldet, in dem sie im Bikini - "mein Tschador, meine Burka" - beim Baden an der Mittelmeerküste in Israel gelobt, für die "freie Welt" und gegen die "Weltherrschaft des Islam" zu kämpfen.

Dies tut Geller, die sich als "Antifeministin" bezeichnet und organisierten Frauenrechtlerinnen eine marxistisch-leninistische Gesinnung anlastet, unter anderem mit der Verherrlichung der israelischen Kriegführung in ihrem Blog. Die fanatische Antikommunistin kooperiert mit der neofaschistischen English Defence League und ist mit südafrikanischen Rassisten, laut denen die schwarze Mehrheitsbevölkerung einen Genozid an den Weißen plant, einer Meinung.

Geller und der Autor Robert Spencer, der die Webseite Jihad Watch betreibt und mehrere erfolgreiche Bücher über die Bedrohung der westlichen Welt durch den radikalen Islam verfaßt hat, haben die Freedom Defence Initiative (FDI), die unter anderem angebliche islamistische Agenten in US-Behörden verfolgt, und die sogenannte Menschenrechtsorganisation Stop Islamisation of America (SIOA) ins Leben gerufen. Gemeinsam haben sie das Buch The Post-American Presidency: The Obama Administration's War on America veröffentlicht, zu dem der ehemalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen und neokonservative Falke John Bolton das Vorwort beisteuerte [1].

FDI und SIOA zeichnen für die Anzeigenkampagne verantwortlich, mit der im Frühjahr die Feindseligkeiten gegen das geplante islamische Kulturzentrum im Mai losgetreten wurden. Die "Campaign Offensive: Stop the 911 Mosque!" erlangt mit Unterstützung der neokonservativen New York Post, in der fälschlicherweise behauptet wird, die Moschee solle am 11. September 2011, also genau zehn Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center, eröffnet werden, schnell landesweite Beachtung. Innerhalb weniger Wochen springen rechte Radio Talk Shows und Fernsehsender wie Fox TV auf den Zug auf, was sich republikanische Politiker mit Hoffnung auf eine Präsidenschaftskandidatur wie Sarah Palin und Newt Gingrich nicht entgehen lassen.

Insbesondere der ehemalige republikanische Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus zeichnet sich durch Ausfälle gegen den Bau des Kulturzentrums aus, die eines Haßpredigers würdig sind. Er vergleicht das Projekt mit dem Versuch von Nazis, sich am Holocaust Museum in Washington zu verewigen, oder von Japanern, nämliches in Pearl Harbour zu tun. Im Klartext sagt er damit nichts anderes, als daß Muslime Nazis und Kriegsaggressoren gleichen. Ohnehin befände sich das Cordoba Initiative Mosque and Cultural Centre, so der Name des Projekts, bis der Historiker Gingrich behauptete, Cordoba wäre ein Chiffre für islamische Dominanz und nicht für christlich-jüdisch-islamische Koexistenz, weiter von Ground Zero entfernt als die Striplokale und Pornoshops, die in unmittelbarer Nähe des angeblich heiligen Grundes, auf dem die beiden Türme des World Trade Centers standen, auf Kundschaft warten, ohne daß sich die evangelikalen Christen, die besonders heftig gegen das geplante Zentrum zu Felde ziehen, daran störten.

Doch es geht in Anbetracht des erreichten Ausmasses der Erregung längst nicht mehr um Details, mit denen sich im Rahmen einer rationalen Debatte über den irreführenden Charakter der gegen das Projekt gerichteten Kampagne aufklären ließe. Was zu einer Stätte der Annäherung und Versöhnung werden könnte, wird als Ausdruck bloßer Arroganz und Feindseligkeit gegenüber den Opfern des 11. September dargestellt, um Stimmung für einen neokonservativen Rollback zu machen. Dieser soll die Demokraten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheiten im Kongreß und bei der Präsidentschaftswahl 2012 das höchste Staatsamt kosten. Er soll den von der Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten Bürgern ein Feindbild anbieten, das vom tiefen Klassenwiderspruch der US-Gesellschaft ablenkt, und er soll die Kriegführung der USA im Nahen und Mittleren Osten unterstützen.

Gerade diese Hegemonialmacht wird in Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung aufmerksam daraufhin beobachtet, wie sie mit den eigenen Muslimen umgeht. Die derzeitige antiislamische Kampagne könnte nicht besser dazu geeignet sein, antagonistische Reaktionen in diesen Staaten hervorzubringen, die wiederum den Kriegsfalken in Washington zuarbeiten. Als Newt Gingrich Ende Juli in der neokonservativen Strategieschmiede American Enterprise Institute (AEI), aus dem wichtige Mitglieder des ersten Kriegskabinetts des Präsidenten George W. Bush stammten, eine Rede hielt, münzte der als intellektueller Vordenker der US-Rechten hofierte Politiker das antikoloniale Freiheitsstreben der Gründerväter der Vereinigten Staaten auf den heutigen Kampf gegen die "Tyrannei" der Scharia. Diese besitze in den USA zwar noch keine Gültigkeit, doch die Gefahr, daß es bald so weit sei, könne kaum größer sein: "Und wenn es so weit ist, wenn wir alle Burkas und lange filzige Bärte tragen und wegen unserer Gesetzesübertretungen schlaff an den Bäumen hängen, dann wird es uns leid tun, daß wir auf die 'Säkularsozialisten' gehört haben, die das Land regieren, anstatt auf die intellektuelle Revolutionäre wie die guten Leute hier bei AEI und natürlich meine Person" [2].

Der geplante Bau des islamischen Kulturzentrums in Lower Manhattan, wo es bereits mehrere Moscheen gibt, bietet einer wachsenden Zahl vor allem republikanischer Politiker die hervorragende Gelegenheit, den Kampf gegen die "kulturell-politische Offensive des Islamismus, die unsere Zivilisation unterminieren und zerstören soll", so Gingrich in einer Stellungnahme zur "Ground Zero-Moschee", mit neuem Brennstoff zu versehen. Der Terrorkrieg auf innen- wie außenpolitischem Feld wurde vor neun Jahren als Mehrgenerationenkrieg konzipiert, der vielleicht in Jahrzehnten noch nicht siegreiche beendet wäre. Allem Anschein nach wußten Vizepräsident Richard Cheney und Konsorten, wovon sie sprachen.

Zwei Drittel der US-Bürger soll sich laut jüngsten Umfragen gegen den Bau aussprechen, und kaum ein führendes Mitglied der Demokraten wagt es noch, das Grundrecht der US-Muslime auf freie und ungehinderte Religionsausübung zu verteidigen. Ganz im Gegenteil, sie sprechen sich gegen das Projekt aus und fallen damit Obama, der seinerseits nicht heftig genug zurückrudern kann, in den Rücken.

So gerät der Kulturkampf um Park 51 immer mehr zu einem Angriff auf den amtierenden US-Präsidenten. Dessen Demontage wird ohnehin des längeren von neokonservativen Kommentatoren und Kolumnisten betrieben. Sie unterstellen ihm, nicht wirklich dazu entschlossen zu sein, Israel vor dem Iran und den Palästinensern zu schützen. So lastet Jeffrey Kuhner von der Washington Times dem US-Präsidenten nicht nur an, zumindest ein "kultureller Muslim" zu sein, sondern tief in seinem Herzen den Wunsch zu hegen, den "jüdischen Staat auszulöschen" und und "die Israelis und Juden vom Angesicht der Erde zu tilgen". Starke Worte wie diese paaren sich mit der Bezichtigung, daß Obama eigentlich ein radikaler schwarzer Befreiungskämpfer wie Malcom X sei, von dem Geller einst behauptete, daß er sein Vater sei.

So abwegig und absurd derartige Bezichtigungen sind, so wenig verfehlen sie den Zweck, Obama zu schwächen und den US-Präsidenten Wachs in den Händen jener Kräfte werden zu lassen, deren ultimative Lösung für alle Probleme und Krisen im Führen weiterer Kriege besteht. Der Clash of Civilizations, vor fast 20 Jahren in den USA von neokonservativen Ideologen angezettelt, wächst sich zu einem Kulturkrieg aus, der mit der Eroberung Afghanistans und des Iraks wie dem Abbau wichtiger Bürgerrechte in den USA und weltweit längst nicht ausgestanden ist. In diversen US-Städten finden derzeit Protestaktionen gegen den Bau neuer Moscheen statt, und in Florida wird für den 11. September geplant, eine öffentliche Koranverbrennung abzuhalten.

Auch wenn Obama alles andere als ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit ist, wie viele seiner Anhänger vor seinem Wahlsieg meinten, so ist er in mancherlei Beziehung doch moderater als jene rassistischen Kriegstreiber, die sich anschicken, vom rechten Rand der US-Gesellschaft aus die Macht in Washington zurückzuerlangen. Die USA mögen im Nahen und Mittleren Osten seit 2003 noch so viele Ground Zeros in der Nähe von Moscheen errichtet haben, wie ein Kommentator auf Facebook den Gegnern des islamischen Kulturzentrums entgegenhielt, das hindert die Sachwalter des antiislamischen Paradigmas nicht daran, sich zu Opfern hochzustilisieren, die das Anrecht haben, mit aller Gewalt gegen die angeblichen Täter vorzugehen.

Fußnoten:

[1] http://www.guardian.co.uk/world/2010/aug/20/rightwing-blogs-islam-america

[2] zitiert nach Kelley B. Vlahos, 03.08.2010, www.antiwar.com