Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HERRSCHAFT/1416: Wer möchte der Pudel des US-Präsidenten sein? (SB)



George W. Bush war der schlechteste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, heißt es. Wie schlimm wird es der Welt erst ergehen, wenn Barack Obama, der bei seiner heutigen Amtseinführung schon vorab als bester Präsident seines Landes gefeiert wird, alle aufgestauten Ressentiments gegen die USA glattbügelt und nach den groben Klötzen seines Vorgängers nun die Feinarbeiten der neuen Weltordnung vorantreibt! Machte sich Bush mit seinem mitunter tölpelhaft anmutenden Auftritten oftmals selbst zum Narren, so kultiviert Obama geradezu messianische Züge, wenn er seine jeden konkreten Bedeutungsgehalts entkleideten Leerformeln in unablässiger Wiederholung predigt, als wolle er auch noch das Innerste der Menschen und Völker in seinen Bann schlagen. Man muß indessen schon mit Leib und Seele Untertan sein, um sich an der pompösen Inauguration des neuen Imperators zu berauschen, der eine gute Herrschaft verspricht und alle Verbündeten in seine Arme schließt. Welches Verhängnis droht da jenen, die sich weigern, die Figur im Weißen Haus mit dem Imperium zu verwechseln und den Abgang Bushs mit der Erlösung gleichzusetzen!

Bevor uns Barack Obama ganz und gar in Atem hält, sei George W. Bush eine letzte Randnotiz gewidmet. Der ließ es sich nämlich nicht nehmen, wenige Tage vor seinem Ausscheiden aus dem Amt drei seiner loyalsten Verbündeten mit der Freiheitsmedaille auszuzeichnen. Für die Empfänger ist diese höchste zivile Auszeichnung der USA normalerweise eine Art Ritterschlag oder äußerer Ausdruck der mit Wohlwollen zur Kenntnis genommenen guten Dienste, die man dem Thron geleistet hat. Von Bush auf diese Weise ins Rampenlicht gezerrt zu werden, war indessen ein mindestens zwiespältiges Erlebnis, denn wer will dieser Tage schon mit dem Herrn der Lügen, Kriege und Desaster in Verbindung gebracht werden!

Bei einer Feier im Weißen Haus zeichnete Bush den kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe, den früheren britischen Premierminister Tony Blair und den ehemaligen australischen Regierungschef John Howard mit der Freiheitsmedaille aus und charakterisierte sie als "gute Freunde" der Vereinigten Staaten, die zu den Menschen gehörten, "die dir die Wahrheit sagen und ihr Wort halten". Das war gewiß nicht ironisch oder zynisch gemeint, denn als Bush kürzlich Fehler seiner Amtszeit einräumte, war nur vom voreilig verkündeten Ende des Irakkriegs, nicht jedoch von den erfundenen Massenvernichtungswaffen zum Auftakt der Invasion die Rede. Wer die Welt von "bösen Männern" befreien will, deren einziges Trachten darin besteht, die Guten zu Fall zu bringen, kann und darf eben nicht zimperlich sein.

George W. Bush mochte einen Amtskollegen wie Alvaro Uribe tatsächlich für einen guten Freund, wahrheitsliebenden Menschen und treuen Gefährten halten, schließlich war der Kolumbianer so ungefähr sein letzter verbliebener Verbündeter in Lateinamerika. Bei einem Staatschef, dessen Regime mit der milliardenschweren US-amerikanischen Militärhilfe steht und fällt, ist das allerdings auch kein Wunder. Um zu verstehen, wes Geistes Kind dieser gepriesene Waffenbruder in Bogotá ist, lohnt es sich, einen Blick in dessen Vergangenheit zu werfen. Uribe entstammt einer Familie von Großgrundbesitzern mit engsten Verbindungen zu Paramilitärs, galt zeitweise als Vertrauter des Drogenkönigs Pablo Escobar, rief als Provinzgouverneur eine rechte Bürgermiliz ins Leben, die von der Zentralregierung verboten wurde, und ist im privaten und politischen Umfeld von Kollaborateuren der Todesschwadrone umgeben. Kurzum, ein idealer Bündnispartner der USA, dem Skrupel fremd und Intrigen zur zweiten Natur geworden sind. Sollte es eine "Koalition der Willigen" in Lateinamerika geben, so heißt sie Alvaro Uribe, da dieser den "Antiterrorkrieg" braucht, um die Guerilla niederzumachen.

Ob sich Uribe und Howard geehrt fühlten oder eher verärgert über Bushs Anhänglichkeit waren, ist nicht bekannt. Fest steht, daß die Sache für Tony Blair ausgesprochen peinlich war. Als "Bushs Pudel" hatte man ihn vordem geschmäht, und wer geglaubt haben mochte, daß inzwischen Gras über die alte Kumpanei gewachsen sei, sah sich umgehend eines Besseren belehrt. Im Vereinigten Königreich brach sich eine Woge des Unmuts Bahn, da man Blair den Kriegseintritt keineswegs vergeben hat. "Pudel der Ehre" lautete nur eine unter zahlreichen mehr oder minder boshaften Schlagzeilen, mit denen britische Zeitungen das Ereignis kommentierten. Die Auszeichnung sei "traurig und passend", urteilte Clare Short, die seinerzeit im Streit über den Irakkrieg aus Blairs Kabinett ausgeschieden war.

Für einen ehemaligen Premierminister, in dessen Amtszeit fünf Kriege fielen, war Tony Blair nicht gerade die Idealbesetzung für den Posten eines Sondergesandten des Nahostquartetts, den er nach seinem Rücktritt im Juni 2007 übernahm. Hat er in dieser Funktion etwas bewirkt, das man anerkennend hervorheben könnte? Mustafa Barghouti, der dem palästinensischen Parlament angehört, drückte es so aus: "Um ehrlich zu sein, war seine Mission ein Fehlschlag." Im Grunde spielte es schon keine Rolle mehr, daß Blair inmitten des israelischen Angriffs auf den Gazastreifen die Muße fand, sich von Bush im fernen Washington dekorieren zu lassen.

Im Jahr 2003 hatte Tony Blair noch die ihm zuerkannte Goldmedaille des US-Kongresses ausgeschlagen, um nicht seinem Ruf neue Nahrung zu geben, er sei ein Vasall der USA. Dieses Gespür scheint ihn inzwischen endgültig verlassen zu haben, doch vielleicht setzt er ja darauf, daß die Zeit alle Wunden heilt und er eines Tages nach Roosevelt und Churchill, Thatcher und Reagan doch noch gemeinsam mit Bush als drittes bedeutenden Paar britisch-amerikanischer Gestaltung des Weltgeschehens in die Geschichte eingeht. Irgendwo auf ihren verschlungenen Pfaden durch die Abgründe "terroristischer Bedrohung" - vielleicht auch im Zuge ihrer eigenhändigen Erfindung, Inszenierung und Aufbauschung derselben - scheinen sie allen Ernstes so etwas wie ein Freundespaar geworden zu sein, was es durchaus rechtfertigt, daß der eine den andern mit der Freiheitsmedaille schmückt.

Die Frage, von wessen Freiheit da die Rede ist, sollte man besser nicht stellen. Schließlich ist das alles Schnee von gestern, den Barack Obama heute energisch beiseite fegt, um die Straße von allen Hindernissen zu räumen, die dem rückhaltlosen Gleichschritt im Wege stehen. Jetzt braucht sich niemand mehr seiner unterwürfigen Hingabe und des vorauseilenden Gehorsams zu schämen, haben wir doch endlich wieder einen US-Präsidenten, zu dem wir stolz aufschauen können. Bis wieder von Pudeln und anderen kriecherischen Wesen die Rede ist, werden ja wohl noch einige Jahre ins Land ziehen.

20. Januar 2009