Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HEGEMONIE/1781: Posse um transatlantische Geheimexekutive (SB)




Was für ein Hohn. Der Fall des BND-Mitarbeiters, der der CIA allem Anschein nach Dokumente des deutschen Auslandsgeheimdienstes zugespielt hat, zeige, das meint zumindest Bundesinnenminister Thomas de Maizière, wie wichtig eine funktionierende Spionageabwehr sei. Da der Mann laut BND bei der Abteilung "Einsatzgebiete Ausland" beschäftigt war, die unter anderem für den Schutz der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen zuständig ist, gehört die Abwehr der Ausspähung durch ausländische Dienste selbstredend zu ihren Aufgabenfeldern. Ihn als "Naivling" zu diffamieren, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise meldet [1], baut auf die Gutgläubigkeit einer Bevölkerung, der man unter dem Vorbehalt des Geheimnisschutzes so ziemlich alles weismachen kann, was der Geheimexekutive als Schutz und Schild gegen die Aufdeckung ihrer Machenschaften dient.

Ihrer machiavellistischen Logik gemäß dienen Skandal und Erfolg gleichermaßen der bürokratischen Rechtfertigung ihrer antidemokratischen Existenz. In beiden Fällen sind Geheimdienste unverzichtbar. Ein sicherheitstechnischer Einbruch durch andere Dienste verlangt ebenso nach der Aufrüstung ihrer Mittel und Methoden wie die erfolgreiche Aufklärung eines geplanten terroristischen Anschlages. Handlungsbedarf zu reklamieren, indem geheime Informationen vorgehalten werden, ist ein administrativer Freibrief, auf die jede andere Regierungsbehörde neidisch sein dürfte. Nichts genaues weiß man nicht, schließlich könnte das die Arbeit der Dienste beeinträchtigen, aber unverzichtbar, weil die Überprüfbarkeit demokratischer Verfahren zugunsten der Staatsräson aussetzend, sind sie allemal.

Die naheliegende Vermutung, daß der angebliche "Naivling" seine Arbeit für den US-Dienst im geschützten Raum einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit verrichten konnte, in der seitens der BRD ohnehin auf weitreichenden Informationsaustausch gesetzt wird, geht unter in den betont zurückhaltenden Stellungnahmen der zuständigen Politiker. Sich jeglicher Spekulation zu enthalten ist das Gebot der Stunde, schließlich steht die transatlantische Zusammenarbeit auf dem Spiel. Das hindert die gleichen Regierungsbeamten und Parlamentarier nicht daran, im Falle Rußlands Verschwörungstheorien ins Kraut schießen zu lassen, die bar jeder Seriosität wären, wenn sie auf den NATO-Partner angewendet würden. Daß die undichte Stelle dem Verfassungsschutz auffiel, als sich der BND-Mitarbeiter per E-Mail an das russische Generalkonsulat in München wandte, um diesem seine Dienste anzubieten, könnte nicht deutlicher belegen, wie gut die Spionageabwehr funktioniert, wenn sie es nur soll.

Wie in der NSA-Spähaffäre ruchbar wurde, arbeitet der BND auch aus der praktischen Erwägung, auf diese Weise das Verbot, Bundesbürger auszuforschen, umschiffen zu können, eng mit US-Diensten zusammen. Sicherlich teilt die Bundesregierung nicht alle Informationen mit der US-Regierung, doch liegt dem transatlantischen Bündnis seit jeher der Handel zugrunde, die eigenen Hegemonialambitionen durch Zuträgerdienste aller Art dafür zu qualifizieren, Rückendeckung durch US-amerikanische Feuerkraft zu erhalten. Dieses Verhältnis ist alles andere als asymmetrisch. Im Zweifelsfall trifft man dies- und jenseits des Atlantiks die Übereinkunft, daß die Sicherung des NATO-Blocks über alles geht. Der Anspruch der Bevölkerungen, die zugestandenen demokratischen Rechte so weitgehend in Anspruch zu nehmen, daß auch eine Abschaffung der Geheimexekutive möglich wäre, spielt im Parlament praktisch keine Rolle. Auch das zeigt, daß der Hauptwiderspruch nicht zwischen den obskuren Fronten angeblich miteinander befreundeter Staaten ausgespannt ist, sondern die Ohnmacht der Menschen gegenüber den staatlich gesicherten Gewaltverhältnissen betrifft.

Heute, da die Bundesrepublik sich anschickt, mit der Bundeswehr auf den Schlachtfeldern globaler Verteilungskämpfe anzutreten und sie absehbar mit den "extralegalen" Praktiken des Terrorkriegs aufzurüsten, erscheint die im demokratietheoretischen Sinne naheliegende Forderung nach der Abschaffung aller Geheimdienste wie ein utopisches Anliegen irrealer Träumer. Die weitgehend unkontrollierte Arbeit der Dienste stellt eine Form der permanenten exekutiven Ermächtigung dar, die ansonsten verfassungsrechtlich auf den Staatsnotstand beschränkt wäre. Geheimdienste sind ein administratives Machtmittel, dessen Schlagkraft wesentlich aus ihrem antidemokratischen Charakter erwächst, das macht sie so unverzichtbar wie das staatliche Gewaltmonopol selbst. Insofern dient die Posse um den BND-Mann, der sich bei etwas erwischen ließ, was dem strategischen Profil des Bundesnachrichtendienstes ohnehin entspricht, eher dazu, die Bevölkerung daran zu gewöhnen, daß die Undurchdringlichkeit der Geheimexekutive zum autoritären Sicherheitsstaat gehört wie die Angst davor, gegen die fortschreitende Aushöhlung grundrechtlicher und demokratischer Mindeststandards aufzustehen.


Fußnoten:

[1] http://www.neues-deutschland.de/artikel/938236.verhafteter-bnd-mann-wird-als-naivling-bezeichnet.html

6. Juli 2014