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HEGEMONIE/1638: Umerziehung gelungen ... Serbien unterwirft sich EU-Suprematie (SB)



Der Überfall der NATO auf Jugoslawien war ein imperialistisches Manöver, das von einer erheblichen Dosis kultureller Arroganz befeuert wurde. Unter dem Vorwand, einen Genozid in der serbischen Provinz Kosovo zu verhindern, wurde die Bundesrepublik Jugoslawien als Hort eines rückständigen Nationalchauvinismus angeprangert und bombardiert. Im Vielvölkerstaat Jugoslawien wurde über lange Zeit eine mustergültige Minderheitenpolitik betrieben, während die BRD mit der Verschärfung des Asylrechts und die EU mit der Aufrüstung ihrer Außengrenzen die Fremdenfeindlichkeit bereits institutionalisierte. Die Zerfallsprozesse der neunziger Jahre kamen nicht zuletzt unter Einwirkung der europäischen Großmächte zustande, denen Jugoslawien als sicherlich nicht idealer, aber durchaus entwicklungsfähiger Staatenbund der Südslawen ideologischer Konkurrent und geostrategischer Störfaktor war.

Den Schutz der Kosovo-Albaner, den sich die NATO bei der völkerrechtswidrigen Aggression gegen Jugoslawien auf die Fahnen geschrieben hatte, mündete letztlich in die Vertreibung nichtalbanischer Minderheiten, darunter Opfer der NS-Vernichtungspolitik wie Roma und Juden. Wurden die Bundeswehrsoldaten, die diese rassistische Vertreibungspolitik durch Wegschauen guthießen, noch von alten Albanern, die Seite an Seite mit Wehrmacht und SS serbische Partisanen bekämpft hatten, mit freudigen Verweisen auf die alte Waffenbrüderschaft begrüßt, gab sich die rot-grüne Bundesregierung ganz antifaschistisch und wies diesen Aggressionsakt gegen die im Zweiten Weltkrieg brutal unterdrückte jugoslawische Bevölkerung als Vergeltung für Auschwitz aus.

Offiziell erklärtes Ziel dieser Politik war, den Serben den Weg nach Europa zu bereiten. Als ob der Westbalkan nicht dazugehörte, wurde dessen Okkupation und Assimilation durch die EU unter dem Vorzeichen einer Kolonisation betrieben, bei der ein rückständiges, nachgerade wildes Gebiet von einer hochentwickelten Zivilisation in den Stand versetzt wurde, endlich Anschluß an die Moderne zu erlangen. Allenthalben war von der Umerziehung der Serben die Rede, wollten diese doch nicht einsehen, daß die Toten der Sezessionskriege auf Rechnung ihres halsstarrigen Nationalismus gingen.

Mit dem nun von Serbiens Präsident Boris Tadic eingereichten Beitrittsgesuch sind diese Forderungen längst nicht abgegolten. Allein weil die EU profundes Eigeninteresse daran hat, ganz Europa unter der Verfügungsgewalt der Brüsseler Administration zu wissen, sieht man über die nicht erfolgte Anerkennung der Abspaltung des Kosovo von Serbien und die nichterfolgte Auslieferung des vom Den Haager Kriegsverbrechertribunal gesuchten Ex-Generals Ratko Mladic hinweg. Hat man Serbien erst einmal in die obligatorischen Pflichten genommen, die es vor einem Beitritt zu erfüllen gilt, werden sich diese Probleme wie von selbst lösen, wird man in Brüssel denken.

Damit liegt man nicht falsch, denn allein das Stellen eines Aufnahmeantrags dokumentiert die Kapitulationsbereitschaft Serbiens. Jegliches Selbstbewußtsein, dem europäischen Alleinvertretungsanspruch der EU die Souveränität des eigenen Staates entgegenzuhalten, ist verschwunden und hat der trügerischen Hoffnung auf eine Besserung der ökonomischen Verhältnisse in der EU Platz gemacht. Was immer Jugoslawien und Serbien im Verhältnis zum imperialistischen Zentrum der westeuropäischen Führungsmächte an Eigenständigkeit aufgeboten haben, steht zur Disposition einer Belohnung, die nicht weniger bescheiden ausfallen wird als die Versprechungen, mit denen die NATO-Staaten die serbische Politik nach der Ära Slobodan Milosevics manipuliert haben.

Auf den Gedanken, daß ein EU-Regierungspolitiker wie der ehemalige britische Premierminister Tony Blair mehr Blut unschuldiger Opfer der eigenen Kriegsmaschinerie an den Fingern hat als alle jugoslawischen Präsidenten zusammen, kommt man in der weitreichend von deutschen Verlagskonzernen aufgekauften Belgrader Presse nicht. Der Stigmatisierung Serbiens als angeblich an den jugoslawischen Sezessionskriegen hauptschuldiger Staat steht nicht nur der völkerrechtswidrige Überfall der NATO auf Jugoslawien gegenüber. Auch in den Kriegen im Irak und Afghanistan sowie bei der Kooperation mit der US-amerikanischen Terrorjustiz haben EU-Regierungen so schwere Schuld auf sich geladen, daß man einen Platz für sie auf der Den Haager Anklagebank freihalten müßte. Daß dies nicht erfolgt, Serbien jedoch die Bringschuld der Auslieferung Ratko Mladics aufgelastet wird, ist Ausdruck einer ideologischen Suprematie, die das Anathema des serbischen Nationalchauvinismus als aus eigenen Ressentiments geschöpften Vorwand entlarvt.

25. Dezember 2009