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HEGEMONIE/1577: US-Offerte an Iran unterstreicht Führungsanspruch Washingtons (SB)



Die Neujahrsbotschaft, mit der US-Präsident Barack Obama sich an die iranische Bevölkerung richtete, gibt sich im Ton so freundlich, wie sie vom Inhalt her unversöhnlich ist. Was in der westlichen Welt als großzügiges Angebot interpretiert wird, mit dem Obama bewiesen habe, wie sehr sich seine Politik von der seines Vorgängers unterscheidet, erzeugte bei der iranischen Regierung eine zwar grundsätzlich positive, doch mit deutlicher Kritik an der Tatsache, daß die US-Regierung andere Staaten regelrecht belehrt, versehene Reaktion. Eben diese Haltung ist aus der Sicht nicht nur des Irans, sondern vieler Länder des Südens ein regelrechtes Markenzeichen der Politik Washingtons, und zwar keines, das Lust darauf erwecken würde, sich auf ihre Angebote einzulassen.

Die US-Regierung hat erst vor kurzem die Sanktionen gegen den Iran um ein Jahr verlängert, im Atomstreit liegen nach wie vor alle Optionen, also auch die eines militärischen Angriffs auf das Land, auf dem Tisch, und die von Außenministerin Hillary Clinton explizit gestellte Bedingung, vor einer Aufnahme von Gesprächen müsse der Iran die ihm laut dem atomaren Nichtverbreitungsvertrag zustehende Nutzung der Urananreicherung einstellen, wurde nicht zurückgenommen. Politisch hat sich also nichts verändert, der Iran steht am Pranger, weil er angeblich atomar rüstet, was ihm bislang nicht nachgewiesen werden konnte, so daß er sich, was den zu verhandelnden Stand betrifft, bestenfalls die Option aufrechterhält, dies zu tun. Die Islamische Republik wird von Israel bedroht, dessen Führung immer wieder öffentlich darüber nachdenkt, wie man die vom Iran angeblich ausgehende Gefahr präventiv beseitigen kann. Dabei verfügt Israel über ein ausreichendes Abschreckungspotential, daß zudem von der Bereitschaft der USA, auf einen iranischen Atomangriff mit nuklearen Mitteln zu reagieren, zusätzlich verstärkt wird.

Vor diesem Hintergrund kann es in Teheran nur als arrogant empfunden werden, wenn Obamas Loblied auf die alte Kultur des Landes darin mündet, daß er dem Iran attestiert, über einen "rechtmäßigen Platz in der Gemeinschaft der Nationen zu verfügen". Was berechtigt die USA, anderen Ländern dieses Recht zuzusprechen und damit deutlich zu machen, daß sie es ihnen auch vorenthalten könnten? Der von der Regierung der Vereinigten Staaten selbst formulierte und offensichtlich keiner Bestätigung durch andere Staaten bedürfende Führungsanspruch. Das hat mit einer internationalen Gemeinschaft, die sich als auf der Basis der UN-Charta beruhendes System gleichberechtigter Staaten versteht, nichts zu tun, sondern kündet von einem imperialen Selbstverständnis.

Der Pressesprecher des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad, Ali Akbar Javanfekr, begrüßte Obamas Videobotschaft denn auch grundsätzlich, stellte aber auch klar, daß es nicht Sache des Irans sei, "die bisherige feindselige und aggressive Herangehensweise der Vereinigten Staaten zu vergessen". Javanfekr forderte die US-Regierung auf, "ihre in der Vergangenheit gemachten Fehler anzuerkennen und zu beheben, um die Differenzen zwischen den beiden Staaten zu beheben". Er erinnerte an den von der US-Regierung mitinitiierten Sturz der Regierung Mossadegh 1953, an den Abschuß einer iranischen Passagiermaschine 1988 durch ein US-Kriegsschiff, bei dem alle 290 Passagiere starben, an die Unterstützung der irakischen Aggression gegen den Iran in den 1980er Jahren durch die USA, an die gegen das Land verhängten Sanktionen und die Unterstützung der von Teheran als terroristische Gruppierung behandelten Volksmujahedin durch Washington (The Daily Star, 21.03.2009).

Obama hatte dem Iran, also seiner Bevölkerung wie seiner Regierung, das Recht auf Mitgliedschaft in der internationalen Gemeinschaft unter der Bedingung zugestanden, "diesen Platz nicht mit Terror und Waffen" in Anspruch zu nehmen. Gemeint ist die Unterstützung, die die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas aus Teheran erhalten. Abgesehen davon, daß diese quantitativ bedeutungslos ist, wenn man sie mit der Militärhilfe vergleicht, die die Verbündeten Washingtons in der Region erhalten, handelt es sich in beiden Fällen um Parteien, die zwar mit Israel in Konflikt stehen, aber legitime Interessen ihrer Anhängerschaften vertreten. Die bloße Wiederholung der Behauptung, es handle sich bei ihnen um Terroristen, trägt zur Lösung der politischen Probleme nicht bei.

Des weiteren verwandelte Obama das Preisen der iranischen Zivilisationsleistungen in eine moralische Standpauke, indem er erklärte, der "Maßstab für diese Größe" sei "nicht die Fähigkeit zur Zerstörung", sondern "die Fähigkeit zum Aufbauen und Neuschaffen". Das sagt der Präsident eines Landes, dessen Streitkräfte zwei Staaten der Region besetzen, gegen die sie zuvor für die betroffenen Bevölkerungen verlustreiche Kriege geführt haben, und das Israel mit umfassender militärischer Unterstützung erst in den Stand versetzt hat, mit US-Waffen über die Bevölkerung Gazas herzufallen, obwohl diese praktisch wehrlos war und nicht einmal fliehen konnte.

Wenn es eine zivilisatorische Errungenschaft gibt, mit denen die USA die Welt überziehen, dann ist es die eines exploitativen Wirtschaftsliberalismus, der im Zweifelsfall mit Gewaltmitteln durchgesetzt wird. Das sehen die Herolde des Liberalismus natürlich anders, allerdings wird deren Glaubwürdigkeit gerade von einer Weltwirtschaftskrise erschüttert, die in den Ländern des Südens nicht eben die Bereitschaft fördert, sich von dem mit Abstand am höchsten verschuldeten, dabei natürliche Ressourcen am meisten verbrauchenden Land der Welt über die eigene Politik belehren zu lassen.

Die iranische Bevölkerung leidet unter einer rigiden Theokratie und hat allen Grund, für demokratischere Verhältnisse zu kämpfen. Dem Trugschluß zu erliegen, die US-Regierung könnte ihr dabei ein verläßlicher Bündnispartner sein, hätte jedoch das fatale Ergebnis, in eine neokolonistische Abhängigkeit zu geraten, die auf weitere Verarmung bei kaum geringerer Unterdrückung hinausläuft. Obamas angebliche Offerte verfolgt das durchsichtige Ziel, die iranische Führung weiter zu diskreditieren, indem man ihr zukünftig anlasten kann, ein gutes Angebot in den Wind geschlagen zu haben. Daß sich daraus eine Öffnung der Situation ergibt, bleibt so lange unwahrscheinlich, als die machtpolitischen Realitäten der Region von den USA und der EU auf die bislang betriebene Weise aufrechterhalten bleiben.

22. März 2009