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HEGEMONIE/1558: Obama knüpft an die imperiale Tradition der USA an (SB)



Die Vereinigten Staaten sind von ihrer Verfassung, die "zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen" ihr 44. Präsident Barack Obama gelobte, her eine Republik. Der Prunk des Rituals, das in Washington vor fast drei Millionen Zuschauern abgehalten wurde, der mediale Aufwand, mit dem dieses Ergebnis in alle Welt ausgestrahlt wurde, wirkten allerdings eher, als ob dort der Kaiser der Welt gekrönt wurde. Auch die Antrittsrede des frischgebackenen Amtsinhabers war weniger darauf zugeschnitten, das Ergebnis eines demokratischen Prozesses zu würdigen, als den imperialen Charakter der USA zu bekräftigen. Lauscht man den Kommentaren in deutschen Medien, dann ist dies keineswegs allein das Ergebnis des Führungsanspruchs der US-Eliten. Die Genugtuung darüber, mit der Abdankung George W. Bushs einen eher weniger vorzeigbaren US-Präsidenten los zu sein, so daß die Staats- und Regierungschefs der EU sich künftig wieder um Fototermine im Weißen Haus reißen können, dokumentiert den Wunsch nach imperialer Kontinuität.

"Amerika ist der Freund jeder Nation, jedes Mannes und jeder Frau und jedes Kindes, wenn sie ein Leben in Frieden und Freiheit leben wollen; und wir sind bereit, wieder die Führung dieser Nationen zu übernehmen."
(Deutscher Wortlaut der Inaugurationsrede laut Spiegel Online, 20.01.2009)

Scharf kontrastiert wird dieses Angebot durch Obamas Aussage, daß sich die USA "im Krieg gegen ein Netz der Gewalt und des Terrors" befänden. Um wen auch immer es sich dabei handeln soll, Obama droht ihnen an: "Unser Wille ist stärker und kann nicht gebrochen werden. Ihr werdet uns nicht überdauern, denn wir werden euch besiegen." Diese Kampfansage ist unmißverständlich und richtet sich keineswegs an alle Adressaten, die Obama bezichtigt, sie würden "Terror in die Welt bringen und Unschuldige massakrieren". Schließlich wirken die Kriege der USA, der NATO oder Israels auf viele Betroffene wie hier beschrieben, was Obamas Plädoyer für den verstärkten Einsatz von soft power gleichzeitig erklärt und dementiert: "Unsere Sicherheit besteht in der Gerechtigkeit unserer Mission, in der Macht unseres Vorbilds, in der beschwichtigenden Macht von Demut und Bescheidenheit."

Allen diesen hehren Postulaten ist gemeinsam, daß die US-Eliten selbst darüber befinden, inwiefern sie ihnen gerecht werden. Indem sie ihre selbsterklärte Integrität zum Maßstab des Verhaltens aller anderen Staaten und Regierungen machen, projizieren sie das eigene Verfassungsverständnis auf konträre Weise in alle Welt. Wo Volkssouveränität und Gewaltenteilung die Usurpation der Macht verhindern sollten, hat sich ein Gewaltmonopol etabliert, dessen vernichtender Wirkung die davon Betroffenen ohnmächtig ausgeliefert sind. Die Annahme, der imperiale Charakter dieser Anmaßung ließe sich auf ein externes Problem der USA begrenzen, kann schon deshalb nicht zutreffen, weil die Unterdrückung des Dissenses keine Lücken im Legitimationskorsett zuläßt. Die Gültigkeit der eigenen Definitionsmacht ist entweder total oder gar nicht, andernfalls wäre die Schlagkraft dieses Regierungssystems so eingeschränkt, daß sich seine Sachwalter gar nicht erst zu der beanspruchten imperialen Machtfülle aufschwängen.

Wenn sich Obama "an die Adresse der politischen Führer auf diesem Planeten, die Konflikte säen wollen oder dem Westen die Schuld an ihren eigenen Problemen geben", wendet, dann kann er das nur mit dem Imperativ einer durch nichts außer durch Selbstevidenz zu verifizierenden Gültigkeit tun. Da auch der neue US-Präsident von der Kommandohöhe der führenden Weltmacht aus erklärt, daß eine andere Sicht der Dinge als die eigene im bilateralen Verhältnis der Staaten eine potentielle Aggression darstellt, knüpft er indirekt an die von seinem Vorgänger zur Scheidemünze der Bündnispolitik der USA im Terrorkrieg erhobene Dichotomie von gut und böse an. Man kann nur für oder gegen die USA sein, einen Raum der Neutralität, der nicht durch ihren imperialen Anspruch besetzt wäre, existiert nicht.

Zu behaupten, man läse zu viel in die vor allem repräsentativ gemeinte Antrittsrede des neuen US-Präsidenten hinein, wenn man sie beim Wort nimmt, hieße, alle bisherigen geostrategischen, personal- und bündnispolitischen Stellungnahmen Obamas zu ignorieren. Gestern hat der neue US-Präsident lediglich bestätigt, was sich seit langem mit großer Prognosesicherheit abzeichnet - er tritt als Sachwalter eines Imperiums, nicht einer Republik an.

21. Januar 2009