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FRIEDEN/1094: Rohstoffreicher Südsudan - die Hyänen lauern auf Beute (SB)



Das Datum 9. Juli 2011 markiert ein weiteres finsteres Kapitel in der afrikanischen Geschichte. Ein neuer Staat wurde gegründet, die Republik Südsudan. Finster ist das Kapitel deshalb, weil die Menschen noch voller Hoffnung sind, daß ihnen die Unabhängigkeit vom Norden Freiheit und Wohlstand bringen wird. Bei einem Referendum im Januar dieses Jahres hatten sich 99 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Sezession entschieden. Nun feiern die Südsudanesen, die Stimmung im Land wird als überwältigend beschrieben.

Die Ernüchterung dürfte nicht lange auf sich warten lassen. Eigentlich sollte man Südsudans Präsident Salva Kiir nicht kritisieren, kaum daß er seine Amtsgeschäfte aufgenommen hat. Allerdings hatten er als Vizepräsident Sudans und sein Kabinett sechs Jahre Zeit, wenigstens erste Weichen in Richtung einer nachhaltigen Armutsbekämpfung zu stellen. Doch die allgemeine Not blieb groß, der Reichtum konzentriert sich auf die Hauptstadt Dschuba und wenige Subzentren. Es ist nicht erkennbar, daß Kiir daran etwas ändern wird.

Transnationale Konzerne, insbesondere aus der Ölbranche, haben längst die Phase des Umschleichens ihrer Beute abgeschlossen und ziehen ihr bereits wie die Hyänen Brocken aus dem Leib. Weniger blumig ausgedrückt: Es werden Explorationslizenzen zur Ölförderung verteilt. Andere Interessenten schicken noch ihre Kundschafter aus, um die Lage vor Ort zu sondieren. Vor wenigen Wochen bereiste Bundesaußenminister Guido Westerwelle Sudan, sprach mit Kiir und anderen Vertretern aus Politik und Wirtschaft, brachte Deutschland als Interessent der Entwicklung Südsudans ins Spiel. Am Freitag beschloß der Bundestag die Entsendung von Soldaten und Polizisten in das Land. Selbstverständlich gratulierte die Bundesregierung dem neuen Staat. Gleiches gilt für die USA, China, Rußland, die AU, die EU und viele mehr. Auch sie befinden sich in aufgelöster Stimmung.

Und man belauert sich gegenseitig. Wer hat was gesagt, wer trifft sich mit wem und welche Verträge sind bereits unter Dach und Fach? Südsudan verfügt nicht nur über viel Erdöl, sondern auch über andere Rohstoffe sowie eine große Landfläche, die für den Anbau sogenannter Energiepflanzen und andere landwirtschaftliche Exportprodukte urbar gemacht werden kann. Die Geschäftsperspektiven der Profiteure der vorherrschenden Verwertungsbedingungen sind großartig. Südsudan erscheint wie ein weißer Fleck auf der Landkarte der Neokolonialmächte. Der Anlaß ihres Feierns steht allerdings dem des Feierns der großen Mehrheit der Bevölkerung diametral gegenüber.

Die südsudanesische Regierung hat bislang nichts erkennen lassen, das die Erwartung rechtfertigte, sie würde die übliche gesellschaftliche Umverteilung des Reichtums von unten nach oben ablehnen und ein anderes Produktionsmodell als das der profitorientierten Ausbeutung von Mensch und Natur bevorzugen. Aller Voraussicht nach wird sich Südsudan zu einem ganz normalen Staat entwickeln, wie man ihn auf der ganzen Welt antrifft. Eben das macht den Tag seiner Gründung so finster.

11. Juli 2011