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FRIEDEN/1083: Das Weltsozialforum in Dakar - gegen Kapitalismus und Imperialismus (SB)



Das Weltsozialforum, zu dem diese Woche mehrere zehntausend Menschen aus aller Welt in die senegalesische Hauptstadt Dakar gereist sind, wird gern als ausgelassene, fröhliche, multikulturelle Gemeinschaft junger Menschen beschrieben. Wenngleich bedenkenlos zugestanden werden kann, daß die gute Stimmung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den unbeteiligten Betrachter ins Auge sticht, wäre es ein Irrtum, das Weltsozialforum als eine Art Love Parade, also eine Polit-Parade anzusehen. Es geht den Beteiligten um Inhalte, darum sind sie zusammengekommen; um bewegende Fragen wird gerungen, sie stehen im Mittelpunkt der Diskussionsrunden und Arbeitsgruppen und nicht Selbstverständlichkeiten wie, daß es einem dabei gut geht.

"Das Weltsozialforum ist ein offener Treffpunkt, an dem soziale Bewegungen, Netzwerke, NGOs und andere zivilgesellschaftliche Organisationen zusammenkommen, die Neoliberalismus und eine Welt, die vom Kapital oder irgendeiner Form des Imperialismus beherrscht wird, ablehnen (...)", stellt sich das Weltsozialforum vor (http://fsm2011.org/en/wsf-2011. Übersetzung: SB). Wie auch immer die Stellungnahme von den einzelnen mit Leben gefüllt wird, zunächst einmal handelt es sich um eine klare Positionierung außerhalb des gesellschaftlichen Mainstreams.

Solange das nach profitträchtigen Anlagen suchende Kapital die Landnahme in Afrika vorantreibt und Vertreibungen und Verdrängungen der angestammten Einwohner bewirkt, solange AKP-Staaten von der Europäischen Union genötigt werden, für sie nachteilige Wirtschaftspartnerschaftsabkommen abzuschließen, solange die Einigung führender Atommächte auf Bestandssicherung ihrer nuklearen Overkillkapazitäten als Abrüstungserfolg gefeiert wird und solange die multiplen Krisen der letzten Jahren zu Lasten der Armen reguliert werden, ist jede Form von Verweigerung der Gefolgschaft des Kapitals und des Imperialismus unterstützenswert.

Sicherlich wird das Weltsozialforum in Dakar einzelnen auch als Sprungbrett für ihre Politikerkarriere dienen, aber das kann man dem Treffen nicht vorwerfen. Die Entschiedenheit, mit der zur Zeit die Bevölkerungen von Tunesien und Ägypten gegen ihre diktatorischen Regierungen demonstrieren, trifft man auch auf dem Weltsozialforum wieder. Vor allem junge Menschen wollen eine andere Welt als die, die ihnen auf ewig gleiche paternalistische Weise vorgesetzt wird und die sie in sich hineinlöffeln und schlucken sollen wie klebrigen Brei, der doch nur im Hals stecken bleibt. Sollte das Ergebnis des Weltsozialforums darin bestehen, daß mehr Menschen politisiert werden als zuvor und sie sich die Frage, wie eine andere Welt beschaffen sein könnte, nicht von den alten Regimes beantworten lassen, dann birgt das einwöchige Treffen ein beträchtliches Potential zur Kurskorrektur.

Ob im Wohnprojekt Liebigstraße 14 in Berlin, bei den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo oder dem Weltsozialforum in Dakar, die Gemeinsamkeit der an ihnen Beteiligten besteht darin, herrschaftsfreie Räume schaffen zu wollen. Frei von der Herrschaft des Kapitals, der Religion und der Geschlechterzuordnung, frei von der Herrschaft des Menschen über den Menschen.

8. Februar 2011