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FRIEDEN/1026: Atomwaffenfreie Welt? Nicht mit Deutschland, Israel, den USA (SB)



Die Initiative des US-Präsidenten Barack Obama für eine atomwaffenfreie Welt wurde auf dessen Veranlassung im UN-Sicherheitsrat mit der Verabschiedung von Resolution 1887 gewürdigt. Darin wird die Gültigkeit des atomaren Nichtverbreitungsvertrags (NPT) als "Eckstein des nuklearen Nichtverbreitungsregimes und der friedlichen Nutzung der Atomenergie" hervorgehoben. Ausdrücklich werden alle Staaten, die den NPT noch nicht unterzeichnet haben, aufgefordert, ihm beizutreten, um der Minderung der Atomkriegsgefahr zuzuarbeiten.

Fast zeitgleich meldete die Washington Times (03.10.2009) unter Berufung auf drei Quellen in der US-Regierung, daß Obama dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei einem Treffen im Mai zugesichert habe, daß die USA sich weiterhin an die angeblich 1969 zwischen dem damaligen US-Präsidenten Richard Nixon und der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir ausgemachte Vereinbarung hielten, Israels informellen Status einer Atommacht zu akzeptieren, so lange sich das Land nicht offiziell zum Besitz von Atomwaffen bekenne oder eine solche teste. Da weder die israelische Botschaft in Washington noch der Nationale Sicherheitsrat im Weißen Haus zu dieser Meldung Stellung nehmen wollten, kann das nichterfolgte Dementi als Beweis für die Gültigkeit dieser Meldung genommen werden.

Wie der arabische Nachrichtensender Al Jazeera (03.10.2009) berichtet, vertrat Netanjahu im israelischen Fernsehen die Ansicht, daß Obama seine Abrüstungsinitiative lediglich im Kontext von Nordkorea und Iran verstanden wissen wollte. Er habe von dem US-Präsidenten bei ihrem ersten Treffen eine Liste mit "strategischen Übereinkünften" erhalten, "die seit vielen Jahren zwischen Israel und den Vereinigten Staaten in dieser Sache existieren". Während der Iran als Unterzeichnerstaat des NPT auf das Recht zur Nutzung der Urananreicherung für die Produktion atomaren Brennstoffes zu zivilen Zwecken pocht, dafür jedoch nach allen Regeln intriganter Kunst an den Pranger einer internationalen Bedrohung gestellt wird, bleibt Israels Atommacht so sehr Fakt, wie in der erregten Debatte über die angeblichen Verstöße des Irans über diese Tatsache hinweggegangen wird. Auch die Nachricht über die Verabschiedung einer Resolution bei der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in Wien durch zahlreiche Staaten der Blockfreienbewegung, die Israel dazu aufruft, dem NPT beizutreten und seine Nuklearanlagen unter Aufsicht der IAEA zu stellen, wurde hierzulande fast vollständig ausgeblendet.

Nicht anders erging es der Meldung der Nachrichtenagentur AFP (29.09.2009), laut der Israel zwei U-Boote der Dolphin-Klasse erhalten hat, deren Kauf 2006 zwischen der Bundesrepublik und Israel vereinbart worden war. Mit der ursprünglich erst für 2010 geplanten Auslieferung der beiden U-Boote verfügt das Land über fünf Trägersysteme, die nach übereinstimmender Ansicht von Militärexperten mit speziellen Umbauten in die Lage versetzt wurden, atomar bestückte Lenkwaffen abzufeuern. Die ersten drei Exemplare dieses U-Boot-Typs wurden zur Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung ausgeliefert. Diese gab sich hinsichtlich des strategischen Werts, der darin besteht, Israels atomares Drohpotential durch die Zweitschlagkapazität aufzuwerten, damals recht zugeknöpft.

Allerdings waren die U-Boote der Dolphin-Klasse, die Israel zwischen Juli 1999 und Oktober 2000 erhielt, seit langem dafür bekannt, daß sie prinzipiell mit Atomwaffen aufgerüstet werden können. Das Fachmagazin Jane's Defence Weekly stellte bereits 1993 fest, daß U-Boote diesen Typs nach Umbauten in der Lage wären, Trägersysteme mit nuklearen Sprengköpfen abzufeuern. Im Jahr 2000 wurden vor der Küste von Sri Lanka, das Israel mit Rüstungsgütern für den Kampf gegen die tamilischen Rebellen unterstützte, von Bord zweier dieser U-Boote atomwaffenfähige Lenkwaffen abgeschossen, die Ziele in 1500 Kilometer Entfernung im Indischen Ozean trafen. 2003 meldete die LA Times unter Berufung auf US-amerikanische und israelische Regierungsbeamte, daß Israel über die nukleare Zweitschlagkapazität verfügt, da es Cruise Missiles US-amerikanischer Herkunft für den Abschuß von drei seiner U-Boote modifiziert und mit Atomsprengköpfen ausgestattet habe.

Der große strategische Wert der deutschen U-Boote ergibt sich daraus, daß sie neben einem Dieselantrieb für Überwasserfahrten über einen besonders leisen Elektromotor verfügen, der seinen Strom aus einer Brennstoffzelle bezieht, die mit Wasserstoff betrieben wird. Da das bei U-Booten mit Dieselantrieb erforderliche Schnorcheln ausfällt, kann das 58 Meter lange Boot wie ein Atom-U-Boot über große Zeiträume fast unentdeckbar unter Wasser bleiben. Indem es weite Strecken mit einem Antrieb zurücklegen kann, dessen Geräuschniveau leiser ist als das von atomar betriebenen Dampfturbinen und der eine geringere thermische Abstrahlung als die Reaktoren von Atom-U-Booten erzeugt, ist es als Trägersystem für atomar bestückte Distanzwaffen geradezu ideal geeignet.

Als die rot-grüne Bundesregierung antrat, hegten die Kritiker von Rüstungsexporten noch die Hoffnung, sie werde zumindest vermeiden, hochwirksame Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. So hatte die grüne Bundestagsfraktion zur Zeit der Kohl-Regierung in Anbetracht der unter Militärexperten geführten Debatte um die atomare Aufrüstbarkeit der deutschen U-Boot-Innovationen noch eine kleine Anfrage zu deren Verwendungszweck gestellt, die die christliberale Regierung mit einer Allerweltsformel beantwortete. Selbst in Regierungsverantwortung hatten Grüne wie Sozialdemokraten kein Problem damit, nicht nur die bei der Vorgängerregierung bestellten U-Boote an Israel auszuliefern. Eine der letzten Amtshandlungen des zweiten Kabinetts Schröder bestand 2005 darin, dem Wunsch Israels nach Lieferung zwei weiterer U-Boote der Dolphin-Klasse im geheim tagenden Bundessicherheitsrat stattzugeben. Diese zweifellos in Übereinstimmung mit der Nachfolgerin Schröders erfolgte Entscheidung belegt, daß die Vorgaben der Rüstungsexportrichtlinien für keinen der Beteiligten von Belang waren.

Es ist schon auffällig, daß zur Auslieferung des vierten und fünften U-Boots ein Zeitpunkt gewählt wurde, an dem die Aufmerksamkeit der Bundesbürger wie bei der Entscheidung, sie zu liefern, ganz auf den Regierungswechsel gerichtet ist. Schon die Tatsache, daß die U-Boote in hohem Maße subventioniert werden - bei einem Stückpreis von rund 500 Millionen Euro hat die Bundesregierung 1,1 Milliarden Euro für die ersten drei Exemplare und rund 650 Millionen Euro für die gerade ausgelieferten U-Boote übernommen -, ist nicht dazu geeignet, auf Zustimmung in der Bevölkerung zu treffen. Der nun vom Spiegel (04.10.2009) berichteten Bitte der israelischen Regierung, sich auch an den Kosten für ein sechstes, von der Regierung Merkel 2006 genehmigtes U-Boot der Dolphin-Klasse zu beteiligen, dürfte folgerichtig entsprochen werden.

Während dem Publikum Hoffnungen auf eine atomwaffenfreie Welt gemacht werden, wird realpolitisch aufgerüstet, und das im Fall eines Landes, das wiederholt damit gedroht hat, ein anderes anzugreifen. Gemeint ist einmal nicht der Iran, dessen Bürger allen Grund haben, sich vor der geballten Atommacht seiner Gegner zu fürchten, sondern Israel, das noch Anfang des Jahres einen mörderischen Überfall auf eine wehrlose Zivilbevölkerung vollzogen hat. Welchen Reim man sich auch immer daraus macht, er fällt kaum zugunsten einer Bundesregierung aus, die Wasser predigt und Wein trinkt.

7. Oktober 2009