Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

FRIEDEN/1015: Bündnis zwischen USA und Israel zu keiner Zeit in Frage gestellt (SB)



Auf einer Demonstration rechter Siedlerorganisationen am Montag in Jerusalem, die von der Regierungspartei Likud unterstützt wurde, hat der frühere Knesset-Abgeordnete Rabbi Eliezer Waldman US-Präsident Barack Obama einen "Rassisten" geschimpft, da er Juden vorschreiben wolle, an welchen Orten sie nicht leben dürften. Abgesehen davon, daß die Forderung nach einem Siedlungsstopp in den von Israel besetzten Palästinensergebieten keinem solchen Verbot gleichkommt, könnten die Siedler doch bei Anerkennung palästinensischer Hoheitsbefugnisse und der in einem säkularen Palästinenserstaat geltenden Gesetze auch in diesem leben, ist die Brandmarkung Obamas als Rassist abenteuerlich. Der US-Präsident hat erhebliche Mühe darauf verwendet, nicht bezichtigt werden zu können, sich parteiisch für die Sache irgendeiner ethnischen Minderheit, also auch nicht die der schwarzen US-Bevölkerung, einzusetzen. Er geht in seinem Bemühen darum, die eigene Hautfarbe als politischen Faktor zu negieren, so weit, wie es kein weißer Präsident der USA je nötig hatte. Das hat etwa zur Folge, daß Obama die schwarze Minderheit in den USA heute anhand des neoliberalen Dogmas, alle gesellschaftlichen Nachteile, die aus ethnischer oder sozialer Benachteiligung resultieren, seien Ergebnis individuellen Versagens, bezichtigt, selbst für ihre desolate Lage gesorgt zu haben.

Den US-Präsidenten als Rassisten zu bezeichnen, der Juden diskriminiert, ist auch angesichts der Tatsache absurd, daß er mit der aus Sicht der Palästinenser sehr moderaten Forderung an die israelische Regierung, nur den Ausbau bestehender Siedlungen einzustellen, der völkerrechtlichen Bringschuld Israels das denkbare Minimum an konkretem Entgegenkommen abverlangt. Daß die US-Regierung derart feindselige Stellungnahmen ignoriert, belegt, wie gering ihre Entschlossenheit ist, sich mit den rechten Kräften in Israel anzulegen. Die von Obama mit der Entsendung von gleich vier Emissären nach Israel eingeleitete Verhandlungsoffensive ist zumindest im ersten Schritt symbolischer Art, geht es doch darum, das Ansehen der USA in Staaten mit islamischer Mehrheitsbevölkerung nicht völlig verkommen zu lassen.

Wenn überhaupt, dann scheint der US-Präsident eher Opfer denn Verursacher rassistischer Erniedrigung zu sein. So belegte Rabbi Yigael Shandorfi Obama, den er als "Araber, den sie Präsident nennen", bezeichnete, bei der mit einer religiösen Zeremonie begangenen, die Bemühungen der US-Vermittler demonstrativ konternden Einweihung eines neuen Außenpostens der Siedlerbewegung im Westjordanland mit einem verletzenden hebräischen Schimpfwort für Schwarze (New York Times, 29.07.2009). Niemand der mehreren hundert Besucher der Zeremonie erhob Einspruch gegen diese Beleidigung, statt dessen erklärte ein Siedlerführer Obama zum Rassisten und Antisemiten.

Trotz derartiger Anwürfe ist die Bereitschaft Washingtons, im sogenannten Friedensprozeß Nägel mit Köpfen zu machen, gering. Das zeigt sich auch an dem Schlachtruf der Demonstranten "Ja zu Israels Unabhängigkeit, nein zu amerikanischen Diktaten!" Antiamerikanismus gehört nicht zu den politischen Strömungen, die in Israel hegemonial sind, weil es dazu bislang keinen Grund gab. Die diplomatische, politische und militärische Unterstützung, die die USA Israel gewähren, sind Ausdruck einer langjährigen Waffenbrüderschaft, die erklärtermaßen auch unter Obama nicht zur Disposition steht.

So steht und fällt die Unabhängigkeit Israels auch in Zukunft mit dem Stand der Beziehungen zu den USA. Folgte die israelische Regierung der Forderung der Demonstranten, dann müßte sie auf mehrere Milliarden Dollar Militärhilfe im Jahr und auf das Privileg, hochentwickelte Waffen aus den USA zu beziehen, die kaum sonst ein Land außerhalb der NATO erhält, verzichten. Vielleicht noch schlimmer wäre der Entzug der politischen Unterstützung Washingtons auf internationaler Ebene. So legen die USA regelmäßig ihr Veto gegen eine Verurteilung Israels im UN-Sicherheitsrat ein, und auch gegen Israel verhängte Boykottmaßnahmen oder Wirtschaftssanktionen, von denen diverse Staaten betroffen waren und sind, die sich dem Diktat Washingtons nicht beugen wollten, wären nicht mehr unvorstellbar.

Anfang Juni verstieg sich der israelische Minister Yossi Peled gar zu dem Vorschlag, man müsse Obamas Einsicht in den kontraproduktiven Charakter seiner Nahostpolitik dadurch beflügeln, daß man beim Verkauf von Militärgütern die Wünsche Washingtons nicht weiter berücksichtige, also auch an Länder liefere, die die US-Regierung als potentielle Gegner betrachtet. Auch meinte er, man könne sich beim Einkauf dieser Güter von den USA unabhängig machen, indem man Konkurrenten auf dem internationalen Rüstungsmarkt wie Frankreich beim Erwerb neuer Waffensysteme den Zuschlag gebe. Auf diese Weise könnte Israel den eigenen Interessen freundlicher gesonnene Staaten in die Lösung des Nahostproblems einbeziehen, so Peled, ohne daß dem Bericht der Jerusalem Post (09.06.2009) zu entnehmen gewesen wäre, an wen er dabei denkt.

Schließlich hält Peled es für eine erfolgversprechende Strategie, vor den nächsten Wahlen zum US-Kongreß jüdische Spender dazu zu bewegen, keine Abgeordneten der Demokraten mehr zu unterstützen, was wiederum dazu führte, daß diese Obama zu einem israelfreundlicheren Kurs bewegten. Der Likud-Minister warb für die Schaffung einer Regierungsorganisation, die zur Aufgabe hätte, die öffentliche Meinung in den USA zu beeinflussen. Zu diesem Zwecke könnte sie sich an Gewerkschaften wenden, deren Mitglieder von israelischen Waffenkäufen in den USA profitierten. Daß ein erheblicher Bestandteil des israelischen Militärbudgets von der US-Regierung bereitgestellt wird, scheint Peled bei seinen Sanktionsplänen entgangen zu sein. Die von den Siedlern beklagte Einmischung der USA in die Besatzungspolitik ihres Landes basiert bereits auf erheblicher Ignoranz, wäre diese Politik doch ohne US-Interventionen längst kollabiert. Daß die israelische Regierung den Spieß umdrehen und sich offen und unter Anwendung ökonomischen Drucks in die inneren Angelegenheiten der USA einmischen könnte, zeigt, daß die These von einer zionistisch kontrollierten Regierung in Washington auch unter dem Führungspersonal in Tel Aviv Anhänger hat.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte mit deutlicher Ablehnung auf den Vorschlag seines Kabinettmitglieds, gerade weil er gutes Anschauungsmaterial dafür bietet, daß Israel sich nicht in der Lage befindet, gegenüber den USA wie ein unabhängiges Land zu agieren. Die Obama aus Israel entgegenschlagenden Antipathien sind wenig mehr als ein taktisches Moment, mit dem er dokumentieren kann, daß er zwar guten Willens, zum Erzielen einer Lösung im Nahostkonflikt jedoch nicht in der Lage ist. Selbst wenn einige Außenposten der israelischen Siedler geräumt werden, bliebe man damit weit hinter den notwendigen Schritten zurück, die eine Eigenstaatlichkeit der Palästinenser erforderte. Da diese durch die Strategie der USA, EU und Israels, Fatah und Hamas gegeneinander auszuspielen, wirksam immobilisiert sind, besteht ohnehin kein drängender Handlungsbedarf.

Viel hängt davon ab, ob Israel weiterhin gegenüber dem Iran einen Kurs der Eskalation fährt, der am Ende alles überblendete, was derzeit mit einer gewissen Dramatik ob der ungewohnten Konfliktkonstellation zwischen Washington und Tel Aviv auf der nahöstlichen Bühne aufgeführt wird. Spätestens beim Ernstfall werden die aktuellen Verstimmungen vergessen sein. Das Bündnis zwischen Israel und den USA wurde und wird zu keiner Zeit in Frage gestellt. Ernstzunehmende Bestrebungen der israelischen Regierung, sich von den USA unabhängig zu machen, gibt es ebensowenig, als daß die US-Regierung, wie ihr unterstellt wird, Anstalten zu einer grundsätzlichen Kurskorrektur im Nahen Osten machte.

30. Juli 2009