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FRIEDEN/0990: Nahostmission George Mitchells überbewertet (SB)



Die Entsendung des US-Sondergesandten George Mitchell nach Israel und Palästina wird weithin überbewertet. Die Vorschußlorbeeren, die dem 75jährigen Ex-Senator irisch-arabischer Abstammung zugedacht werden, resultieren aus der Vermittlung des Karfreitags-Abkommens, mit dem 1998 der Bürgerkrieg in Nordirland beendet wurde, und damit einer gänzlich anders gelagerten Konfliktkonstellation. Mitchell war auch schon im Nahen Osten auf Vermittlungsmission, doch war er dort bei weitem nicht so erfolgreich. So wurde in dem Bericht der nach ihm benannten Kommission, die im Oktober 2000 eingesetzt wurde und der mit dem Ex-US-Senator Warren Rudman, dem türkischen Präsidenten Suleyman Demirel, dem norwegischen Außenminister Thorbjorn Jagland und dem Hohen Repräsentanten der EU Javier Solana vor allem Gewährsleute Israels angehörten, behauptet, die Intifada sei durch die Palästinensische Autonomiebehörde von langer Hand geplant worden. Sie habe die Gewalt angestachelt und geleitet, so das Ergebnis einer Untersuchung, bei der völlig davon abgesehen wurde, daß die Palästinenser zahlreiche relevante Gründe haben, gegen die Besatzer aufzustehen.

Durch die einseitige Verurteilung des palästinensischen "Terrorismus" und die Formulierung, daß der "Schlüssel für Frieden in der Bereitschaft der Palästinenser besteht, zu den Prinzipien des Friedensprozesses zurückzukehren", erklärt der Bericht der Mitchell-Kommission die Intifada zur primären Ursache der Eskalation. Bei den zu Lasten Israels gehenden Forderungen handelte es sich um im Prinzip Selbstverständliches. Der Stopp des weiteren Ausbaus jüdischer Siedlungen, die Auszahlung der von Tel Aviv einbehaltenen Steuereinnahmen der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Aufhebung der Blockade der besetzten Gebiete, die Einstellung der Verwüstung von Häusern und Plantagen, der Verzicht auf den Gebrauch tödlicher Waffen sowie der Abzug der Armee aus den Autonomiegebieten nannte Übergriffe beim Namen, die sich Israel zusätzlich zur ohnehin illegalen Okkupation leistete.

Die 2001 an die PA gerichteten Forderungen wie die Einstellung der Intifada, die Verhaftung und Entwaffnung "extremistischer" Kämpfer und die Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation mit Israel bezweckten vor allem, die verlorengegangene Kontrolle über die Palästinenser zurückzuerlangen. Daß Palästinenserpräsident Jassir Arafat diese und weitere Forderungen dennoch uneingeschränkt akzeptierte, während der israelische Ministerpräsident Ariel Sharon das im Mitchell-Plan verlangte Einfrieren des Siedlungsausbaus strikt verweigerte, hatte zur Folge, daß das Projekt ergebnislos im Sande verlief. In Reaktion auf diese Forderung erhöhte Sharon sogar die staatlichen Mittel für die Siedlungen, ohne daß dies damals seitens der US-Administration und ihres Emissärs Mitchell auf angemessene Weise gerügt worden wäre. Das galt auch für die andauernden militärischen Übergriffe Israels, denen keinesfalls auf gleiche Weise wie den Nadelstichen der Palästinenser mit dem Urteil "Terrorismus" Rechnung getragen wurde.

Als die israelische Regierung schließlich im April 2002 mit der Militäroperation "Schutzschild" Tabula rasa im Westjordanland machte, indem sie ein Großteil der palästinensischen Regierungseinrichtungen verwüsten und das Flüchtlingslager Jenin dem Erdboden gleichmachen ließ, sprach keiner mehr von den an Israel gerichteten Forderungen des US-Gesandten. Mitchell mag ein persönlich integerer Politiker sein, ohne die entschiedene Bereitschaft der USA und EU, an Israel gerichtete Forderungen auch durchzusetzen, ist alle Vermittlung müßig.

Und danach sieht es trotz der Obama zugeschriebenen Bereitschaft, sich im Nahen Osten mehr und anders als sein Vorgänger Bush zu engagieren, nicht aus. So spricht die Stellungnahme, die er bei der Beauftragung Mitchells letzte Woche zum Krieg in Gaza abgegeben hat, dafür, daß die US-Regierung auch in Zukunft gegen die Interessen der Palästinenser an einer selbstbestimmten Entwicklung handeln wird. Obama wies alle Schuld an dem Massaker, daß die israelischen Streitkräfte an der Bevölkerung des Gazastreifens begangen haben, den Opfern zu, die dies durch den Raketenbeschuß Israels zu verantworten hätten. Er versprach, die Wiederbewaffnung der Hamas zu verhindern, ohne den Palästinenser eine Sicherheitsgarantie gegenüber israelischen Angriffen zu bieten, und erneuerte die Forderung, daß die Hamas einseitige Zugeständnisse an Israel zu leisten habe, bevor sie überhaupt als Verhandlungspartner akzeptiert werden könnte.

Indem der US-Präsident Mitchell nach Ramallah entsendet und die Palästinensische Autonomiebehörde als Sachwalterin für den Wiederaufbau in Gaza einsetzt, spricht er den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, dessen Amtszeit am 9. Januar auslief, und dessen Notstandsregierung als Repräsentanten aller Palästinenser an. Daß diese vor drei Jahren die Hamas mit der Regierungsbildung beauftragten, während die PA mit den USA und Israel gegen sie konspirierte, läßt erkennen, daß Obama in den Fußstapfen Bushs wandelt. Zu wissen, daß unter US-Regie in Jordanien ausgebildete Sicherheitsbeamten der Fatah während der israelischen Angriffe auf den Gazastreifen im Westjordanland mit Waffengewalt verhinderten, daß die Menschen dort für ihre bedrängten Freunde und Verwandten in Gaza auf die Straße gingen, reicht aus, um das innerpalästinensische Konfliktpotential zu ermessen, daß die USA und EU mit der stur aufrechterhaltenen Strategie schüren, ausschließlich mit Abbas und der von ihm eingesetzten Regierung zu arbeiten.

28. Januar 2009