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INTERNATIONAL/071: Entwicklungsagenda - UN-Chef drängt G20 zu verbindlichen Finanzierungsmechanismen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. November 2014

UN: Krisen gefährden Entwicklungsagenda - UN-Chef drängt G20 zu verbindlichen Finanzierungsmechanismen

von Thalif Deen


Bild: © Lyndal Rowlands/IPS

Der Leiter des IPS-Büros bei den Vereinten Nationen, Thalif Deen, interviewt den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon
Bild: © Lyndal Rowlands/IPS

New York, 13. November (IPS) - Die fortgesetzte Rezession, die durch die geostrategischen Spannungen und den Ebola-Ausbruch in Westafrika verschärft wird, gefährdet die Umsetzung der Armutsbekämpfungsagenda der Vereinten Nationen. Wie UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vor seiner Abreise zum G20-Gipfel im australischen Brisbane im IPS-Interview erklärte, müssen die Finanzierungsmechanismen noch vor der Annahme der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) im September 2015 stehen, damit das ehrgeizige Vorhaben überhaupt eine Chance hat.

Die SDGs sollen zu Ende bringen, was die Millenniumsentwicklungsziele von 2000 bis 2015 nicht vermocht haben: Hunger und Armut zu bekämpfen. Gleichzeitig sollen sie auf die künftigen globalen Herausforderungen wie den Klimawandel reagieren. Doch die Finanzierung der viel gepriesenen, neuen und ehrgeizigen Entwicklungsagenda steht auf der Kippe. Denn um erfolgreich sein zu können, bedarf es "robuster Finanzierungsmechanismen", wie Ban Ki-moon bereits mehrfach betont hat.


Sämtliche Finanzierungsmöglichkeiten ausschöpfen

In einem Schreiben an die Staats- und Regierungschefs der G20-Industrie- und Schwellenländer betonte der UN-Chef, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Wachstums- und Nachhaltigkeitsagenden weitgehend von der Mobilisierung "sämtlicher Finanzierungsquellen" abhängen werde. Mit den öffentlichen Mitteln allein ließen sich die SDGs nicht erreichen, meinte er gegenüber IPS. Alle Sektoren einschließlich die öffentlichen, privaten und internationalen Kanäle müssten ihren Beitrag leisten.

Ban erhofft sich vom G20-Gipfel in Brisbane entsprechende Zusagen. Mitglieder des Bündnisses sind Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA sowie die Europäische Union. Die G20 vertritt zwei Drittel der Weltbevölkerung. Darüber hinaus generiert sie 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und steht für mehr als 75 Prozent des globalen Handels.

Es ist üblich, dass der G20-Präsident, derzeit ist es Australiens Ministerpräsident Tony Abbott, mehrere Gastländer zu den Gipfeltreffen einladen. So wird Abbott auf dem Gipfel in Brisbane vom 15. bis 16. November Spanien als ständigen Teilnehmer sowie Neuseeland und Singapur begrüßen. Ferner werden Mauretanien, Myanmar und Senegal als diesjährige Vorsitzende der Afrikanischen Union (AU), der Vereinigung der Südostasiatischen Staaten (ASEAN) und als Vertreter der neuen Partnerschaft für Afrikanische Entwicklung teilnehmen.

Ban Ki-moon setzt seine Hoffnungen auch auf die UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung (ICFD), die im Juli 2015 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba stattfinden und von allen 193 UN-Mitgliedstaaten besucht werden wird.

Wie Ban im IPS-Gespräch erklärte, ist die öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) der reichen Länder für die ärmeren Staaten "notwendig aber unzureichend". Nach den letzten verfügbaren Zahlen haben lediglich fünf Länder das seit langem anvisierte Ziel, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommen für die ODA auszugeben, erreicht: Norwegen (1,07 Prozent), Schweden (1,02), Luxemburg (ein Prozent), Dänemark (0,85 Prozent) und Großbritannien (0,72 Prozent). Die deutschen ODA-Zahlungen an die armen Länder betragen gerade einmal 0,37 Prozent (Stand 2012).

Die aktuelle Rezession kommt zu einer Zeit, in der mehr als 800 Millionen Menschen hungern, über 200 Millionen arbeitslos sind, mehr als 750 Millionen unter Wassermangel und mehr als eine Milliarde Erdenbürger unter extremer Armut leiden.

Um für die Entwicklungsfinanzierung innovative Finanzierungsquellen wie die Besteuerung von internationalen Finanztransaktionen zu erschließen, hat Ban den ehemaligen französischen Kabinettsminister Philippe Douster-Blazy zu seinem Sonderberater ernannt. Der Vorschlag der innovativen Finanzierung war 2002 auf der ICFD in Mexiko beschlossen worden. Seither konnten zwei Milliarden Dollar aufgebracht werden.


G20 zum Handeln bewegen

Bans Aufgabe besteht nun darin, die reichen Länder zur Einhaltung ihrer 2009 eingegangenen Verpflichtungen zu bewegen, nämlich ab 2020 einen Grünen Klimafonds mit jährlich 100 Milliarden Dollar zu bestücken, um die verheerenden Folgen des Klimawandels abzufedern. "Wir brauchen mindestens zehn Milliarden Dollar, damit der Fonds einsatzbereit ist", erklärte der UN-Generalsekretär. Doch bisher wurden erst 2,5 Milliarden Dollar eingezahlt.

In seinem Brief an die Entscheidungsträger der G20 wies Ban auf neue Gefahren einschließlich der geopolitischen Spannungen und der Ebola-Pandemie hin, die die Umsetzung der UN-Entwicklungsagenda ab 2016 gefährden.

"Das G20-Gipfeltreffen in Brisbane kommt zu einem günstigen Zeitpunkt, um Führungsstärke zu signalisieren, ein starkes globales Wachstum und den Wandel zum Guten für die Menschheit zu erreichen", schrieb der UN-Chef in seinem Brief. "Deshalb bitte ich Sie und Ihre politischen Mitstreiter, die Chance zu ergreifen, die sich Ihnen in Brisbane bietet, und die Weichen für eine erfolgreiche gemeinsame Arbeit im Sinne einer nachhaltigen und wohlhabenden Welt für alle zu stellen." Bleibt abzuwarten, ob die G20-Teilnehmer auf den Appell reagieren. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/11/u-n-chief-eyes-upcoming-summits-to-resolve-development-crisis/

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IPS-Tagesdienst vom 13. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2014