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WISSENSCHAFT/1340: 25 Jahre Wissenschaftspolitik in Sachsen-Anhalt - 1990-2015 (idw)


Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 22.12.2016

25 Jahre Wissenschaftspolitik in Sachsen-Anhalt: 1990-2015


Wie gelang Wissenschaftspolitik in einem vor 25 Jahren wiedergegründeten Land zunächst unter Transformationsbedingungen, dann unter Transformationsfolgewirkungen, d.h. unter Bedingungen weiträumigen wirtschaftlichen Niedergangs mit anschließender Re-Stabilisierung auf niedrigem (Produktivitäts-)Niveau, massiven demografischen Verwerfungen und haushalterischer Dauerkrise? Sachsen-Anhalt steht hier, trotz einiger Spezifika, exemplarisch für die 1990 neu gegründeten Länder im Osten Deutschlands.

In Sachsen-Anhalt wird seit 1990 eine Wissenschaftspolitik realisiert, die weitgehend von sachlichen Anforderungen bestimmt ist, d.h. nur wenige Differenzen zwischen den verschiedenen politischen Zusammensetzungen der wechselnden Landesregierungen erkennen lässt. Doch trotz dieser im ganzen nur geringen wissenschaftspolitischen Differenzen war die sachsen-anhaltische Wissenschaftspolitik der letzten 25 Jahre wesentlich konfliktbestimmt. Die Konflikte bestanden indes weniger im politischen Raum selbst, sondern vornehmlich zwischen der Policy-Ebene und der wissenschaftlichen Leistungsebene.

Anhand fünf prägender Konkurrenzen und Konflikte werden die zentralen wissenschaftspolitischen Entwicklungen der zurückliegenden 25 Jahre in Sachsen-Anhalt resümiert:

• Die Abwicklungen und Strukturumbauten ab 1990: Zunächst wurde ein grundlegender Systemumbau ingang gesetzt, der sich in drei Dimensionen entfaltete: (1) Personalumbau, bestehend aus der Personalstruktur-Neugestaltung und Personalüberprüfungen, (2) strukturelle Anpassung an das normsetzende westdeutsche Wissenschaftssystem sowie (3) inhaltliche Pluralisierung des Forschungs- und Lehrbetriebs.

• Der Halle-Magdeburg-Dualismus: Begünstigt durch die erhebliche Nord-Süd-Ausdehnung Sachsen-Anhalts, aber auch historisch bedingt - zuletzt in den DDR-Jahrzehnten durch die Trennung in die Bezirke Halle und Magdeburg -, haben sich zwei Wissenschaftsräume Nord- und Süd-Sachsen-Anhalt herausgebildet. Diese werden am deutlichsten erkennbar, wenn die Kooperationsdichte zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen betrachtet wird: Sie sind nahezu ausnahmslos auf den räumlichen Nahbereich beschränkt.

• Die Dauerhochschulreform: Nachdem die sachsen-anhaltische Hochschullandschaft in der zweiten Hälfte der 90er Jahre neu geordnet war und noch während erste Konsolidierungen der neuen Strukturen betrieben wurden, kehrte keine Ruhe ein, sondern Hochschulreformen. Dies hat sich zur Hochschuldauerreform verdichtet. Seit Ende der 1990er Jahre haben sich die allgemeinen Trends der bundesweiten Hochschulreform auch in Sachsen-Anhalt durchgesetzt, ohne dass das Land dabei den Ehrgeiz entwickelt hätte, als Vorreiter aufzutreten.

• Die Hochschulfinanzierung: Alle hochschulbezogenen Entwicklungen seit 1991 waren dadurch gekennzeichnet, dass die Hochschulfinanzierung ein dauerhaft streitbelastetes Thema zwischen Landespolitik und Hochschulen darstellte. Allerdings konnte die Grundfinanzierung der Hochschulen nach einigen Verwerfungen früherer Jahre in den letzten Jahren stabilisiert werden. Eine Besonderheit stellt es dar, dass Sachsen-Anhalt nahezu nicht (mehr) mit dem Instrument programmgebundener Förderungen arbeitet. Mit solchen Finanzierungen versuchen andere Bundesländer, politisch priorisierte Anliegen mit Schubkraft zu versehen.

• Die Frage nach der Relevanzorientierung der Wissenschaft: Das Verhältnis von freier Grundlagenforschung einerseits und anwendungsorientierter Forschung andererseits durchzieht zahlreiche Konflikt- und Konkurrenzanordnungen in der sachsen-anhaltischen Wissenschaftspolitik. Im Kern geht es dabei immer um eine Frage: In welcher Weise und in welchem Umfang soll das Bedürfnis bedient werden, die öffentlichen Mittel mit dem Nachweis eines return on investment zu verknüpfen? Beziehungsweise umgekehrt: Wie stark muss Wissenschaft vor einer Funktionalisierung für außerwissenschaftliche Anliegen geschützt werden, um wissenschaftlich erfolgreich sein zu können?

Das seit 1990 aufgebaute und durch die Jahre und manche (haushalts)politische Verwerfung hindurch im wesentlichen auch gesicherte Wissenschaftssystem kann insgesamt als eine gut bestückte Wissenschaftslandschaft gekennzeichnet werden. Sie muss einen überregionalen Vergleich nicht scheuen. Zugleich heißt das: Strukturell dürften die Chancen ausgereizt sein, mit Neugründungen oder -ansiedlungen ist wohl kaum zu rechnen. Es gilt folglich, mit dem Vorhandenen klug umzugehen.


Peer Pasternack: 25 Jahre Wissenschaftspolitik in Sachsen-Anhalt: 1990-2015 (HoF-Arbeitsbericht 101). Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg 2016, 92 S. ISBN 978-3-937573-54-0; online unter:
http://www.hof.uni-halle.de/web/dateien/pdf/ab_101.pdf


Weitere Informationen unter:
http://www.hof.uni-halle.de/publikation/25-jahre-wissenschaftspolitik-in-sachsen-anhalt-1990-2015/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution370

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Kerstin Martin, 22.12.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2016

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