Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


SICHERHEIT/165: Abrüstung - Forschung im Dienst des Friedens, kein Atomtest soll unentdeckt bleiben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2015

Abrüstung: Forschung im Dienst des Friedens - Kein Atomtest soll unentdeckt bleiben

von Ramesh Jaura


WIEN (IPS) - Eine internationale Konferenz hat auf die zahlreichen Fortschritte der wissenschaftlichen Forschung hingewiesen, durch die sich atomare Sprengungen aufspüren, Stürme, Wolken, Erdbeben-Epizentren und Flugzeugabsturzorte lokalisieren sowie das Abdriften riesiger Eisberge und die Bewegung von Meeressäugetieren beobachten lassen.

Mehr als 1.100 Experten, politische Entscheidungsträger sowie Vertreter nationaler Organisationen, unabhängiger Forschungsinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen nahmen an der Wissenschafts- und Technologiekonferenz 2015 (SnT2015) der Organisation für ein Umfassendes Atomteststoppabkommen (CTBTO) vom 22. bis 26. Juni in Wien teil. Das Treffen war das fünfte einer Serie derartiger interdisziplinärer Veranstaltungen.

Wie auf der SnT2015 zu erfahren war, ist CTBTO-Sensoren die Erkenntnis zu verdanken, dass es sich bei dem Meteor von Tscheljabinsk, der 2013 über Russland beobachtet wurde, um den größten bekannten Meteor seit 100 Jahren handelte. Ferner hieß es, dass die im Juli 2014 über Mali abgestürzte 'Air Algérie'-Maschine von einer Kontrollstation der CTBTO in Côte d'Ivoire, 960 Kilometer von der Absturzstelle entfernt, aufgespürt werden konnte.

Die eigentliche Aufgabe der CTBTO besteht darin, auf die Einhaltung des Umfassenden Atomteststoppabkommens (CTBT) zu achten, das nukleare Sprengungen auf dem Boden, in der Atmosphäre, im Meer und unterirdisch verbietet. Sie arbeitet ferner an der Entwicklung von Messgeräten, die sicherstellen sollen, dass kein einziger Atomtest von der Weltöffentlichkeit unbemerkt durchgeführt werden kann.


Technologische Erkennungsmöglichkeiten

Wissenschaftler und andere Experten demonstrierten und erläuterten in Präsentationen die Funktionsweisen von Sensoren, mit denen seismische, hydroakustische und Infraschallsignale und Spuren von Radioaktivität festgestellt werden können. Insgesamt 170 Seismografen messen die meist von Beben verursachten Schockwellen. Sie können auch menschengemachte Explosionen wie die Detonation der angekündigten nordkoreanischen Atomtests in den Jahren 2006, 2009 und 2013 feststellen.

Die elf Unterwassermikrofone in den Meeren nehmen die Unter-Wasser-Schallwellen auf, die im Fall einer Detonation extrem weite Strecken zurücklegen. Die 60 Infraschallmikrofone in der Atmosphäre können Schallwellen mit niedriger Frequenz erfassen, die durch große Explosionen verursacht wurden.

Die 80 Stationen, die selbst kleinste Spuren von Radioaktivität nachweisen können, suchen die Atmosphäre nach radioaktiven Partikeln ab. 40 von ihnen können diejenigen Edelgase erkennen, die auf einen unterirdischen Atomtest schließen lassen. Nur diese Messungen können klare verlässliche Hinweise geben, ob es sich bei den von den anderen Methoden entdeckten Explosionen um eine Nuklearexplosion handelt. 16 Labore unterstützen die Messstationen.

Nach der Fertigstellung des Internationalen Überwachungssystems (IMS) wird die CTBTO mit 337 Anlagen weltweit im Dauereinsatz sein, um nach Anzeichen von Kernexplosionen zu suchen. Die IMS-Daten werden den CTBTO-Unterzeichnerstaaten sowie anderen internationalen Organisationen zur Verfügung gestellt. Neben ihrer Funktion als Indikatoren für die Einhaltung des Atomteststoppabkommens dienen sie auch anderen Zwecken wie der Tsunamiwarnung, der Erdkernerforschung, der Erdbeben- und Vulkanbeobachtung sowie der Meeres- und Klimawandelforschung.

Zentrales Thema der Konferenz waren Maßnahmen zur Optimierung der Kontrollen, wie W. Randy Bell, Chef des internationalen Datenzentrums (IDC) der CTBTO, erklärte. In den letzten 20 Jahren hat die internationale Gemeinschaft mehr als eine Milliarde Dollar für globale Kontrollsysteme ausgegeben. Deren Daten können von sämtlichen CTBTO-Mitgliedstaaten genutzt werden. Alle Stationen sind via Satellit mit dem IDC in Wien verbunden.

"Unsere Stationen müssen nicht zwingend in dem Land liegen, in denen sich Vorfälle zutragen", erläuterte der CTBTO-Sprecher Thomas Mützelburg im IPS-Gespräch. So sei der letzte, von Nordkorea gezündete Atomtest in Peru festgestellt worden.

Die 183 Mitgliedstaaten haben Zugang zu sämtlichen Daten und Untersuchungsergebnissen. Ausgewertet werden diese von deren nationalen Datenzentren. Wie Wissenschaftler aus Papua-Neuguinea und Argentinien in Wien versicherten, haben sich die Informationen als äußerst nützlich herausgestellt.


"Über den Tellerrand blicken"

Der CTBTO-Exekutivsekretär Lassina Zerbo hatte in einem Interview mit der Zeitschrift 'Nature' die Bedeutung des Daten-Sharings unterstrichen. "Wenn man die eigenen Erkenntnisse zugänglich machen möchte, tritt man mit der auswärtigen Wissenschafts-Community in Verbindung und bleibt somit auf dem neuesten wissenschaftlichen und technologischen Stand." Auch werde der CTBTO größere Sichtbarkeit verliehen und der Blick über den Tellerrand ermöglicht. "Wenn man erkennt, dass Daten einem anderen Zweck dienen können, ermuntert dies dazu, dass wir einen Schritt zurücktreten, um uns ein umfassenderes Bild machen und überlegen zu können, wie man die Ortungsmöglichkeiten verbessern kann."

Bei der Eröffnung der SnT2015 meinte Zerbo: "Sie haben mich immer wieder sagen hören, dass ich der Organisation leidenschaftlich verbunden bin. Heute empfinde ich nicht nur Leidenschaft, sondern ein Gefühl des Glücks, Sie alle hier zu sehen, die diese Leidenschaft teilen: die Leidenschaft für die Wissenschaft im Dienst des Friedens. Das macht mit Blick auf die Zukunft unserer Kinder Hoffnung: dass die besten und klügsten Wissenschaftler unserer Zeit daran arbeiten, nicht die Bombe, sondern deren Ortungsmöglichkeiten zu perfektionieren."

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon betonte in seiner Botschaft an die Konferenz: "Mit einem starken Verifizierungssystem und innovativen Technologien gibt es keine Rechtfertigung mehr für weitere Verzögerungen, das CTBT in Kraft zu setzen." Der Vertrag muss von allen 44 Staaten, die ihn 1996 ausgehandelt hatten und im Besitz von Kerntechnologien waren, unterschrieben und ratifiziert werden. Es fehlen noch acht Ratifizierungen.

Die südafrikanische Ministerin für Wissenschaft und Technologie, Naledi Pandor, erklärte, dass ihr Land ein Verbündeter der CTBTO sei. "Südafrika steht seit mehr als 20 Jahren an vorderster Front im Kampf für atomare Nichtverbreitung in Afrika", erklärte sie. "Wir haben unsere Nukleararsenale aufgegeben und im Jahr 1996 den Vertrag von Pelindaba unterschrieben, der Afrika zur atomwaffenfreien Zone erklärt, was im Juli 2009 in die Tat umgesetzt werden konnte."

Im Rahmen der SnT2015 hatten die Teilnehmer der Konferenz Gelegenheit, sich mit für die CTBT-Kontroll-Community besonders interessanten Themen auseinanderzusetzen. So beteiligten sich Mitglieder der Gruppe 'Technologie für globale Sicherheit' (Tech4GS) an einer Podiumsdiskussion mit dem ehemaligen US-Verteidigungsminister William Perry zum Thema 'Bürgernetzwerke: Das Versprechen technologischer Innovation'.

"Wir bewegen uns auf ein neues atomares Wettrüsten zu", warnte Perry. "Ich denke nicht, dass dieser Trend unumkehrbar ist. Es ist an der Zeit, ein- und innezuhalten, das Thema durchzusprechen und sich mit dem dritten Weg zwischen Nichtstun und neuem Wettrüsten zu befassen", erklärte er. (Ende/IPS/kb/02.07.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/06/perfecting-detection-of-the-bomb/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Juli 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang