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REDE/834: Zu Guttenberg - Fortsetzung der Bundeswehreinsätze im Sudan und in Darfur, 11.06.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Friedensmission im Sudan (UNMIS) und an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) vor dem Deutschen Bundestag am 10. Juni 2010 in Berlin:


Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Strässer, Sie haben sehr zu Recht darauf hingewiesen, welche Folgen eine Aufkündigung dieses Mandates haben könnte. Ich glaube, wir alle dürfen noch mehr Anstrengungen unternehmen, um den Gesamtkomplex Sudan im Bewusstsein unserer Bevölkerung noch etwas mehr zu verankern. Das ist einer der Einsätze, die vielen himmelschreiend fern erscheinen und bei denen ich feststelle, dass wir noch einen erheblichen Erklärungsbedarf haben. Wenn wir dies parteiübergreifend leisten können, dann wäre insbesondere dem Einsatz der beteiligten Soldaten, aber auch jenen, denen wir helfen wollen, ein Dienst getan. Ich glaube, das wäre ein wichtiger und weiterer Ansatz über die konkreten Punkte hinaus, über die wir heute diskutieren.

Bei dem, was Sie mit Blick auf die richtige Einschätzung eines Peacekeeping-Einsatzes angesprochen haben, aber auch bei der Kritik, die Sie gleichzeitig haben einfließen lassen, was die Effektivität anbelangt, gilt es natürlich, eine genaue Differenzierung und eine sehr genaue Abwägung dahin gehend vorzunehmen, wo man letztlich möglicherweise die Grenzen überschreitet. Dass wir immer bemüht sind, so weit nachzubessern, dass man solchen Anforderungen nachkommen und gerecht werden kann, steht völlig außer Frage. Aber die Grenzüberschreitung ist auch sehr schnell geleistet. Deswegen ist der Hinweis sicherlich richtig, dass wir uns um höchstmögliche Effektivität zu bemühen haben. Aber wenn wir dies gleichzeitig in den so schön und wohl klingenden Begriff "Peacekeeping-Einsatz" einbetten wollen, dann muss man sich auch dieser Debatte und dieser Diskussion bewusst sein.

Sudan befindet sich - das wurde bereits gesagt - am Scheideweg. Die kommenden zwölf Monate werden für dieses größte Land Afrikas, aber auch für die gesamte Region - auch diesen regionalen Gesamtansatz sollten wir im Blick behalten - von ganz entscheidender Bedeutung sein. Es konnte bislang weder für den Darfur-Konflikt eine nachhaltige Lösung gefunden werden, noch wurde das umfassende Friedensabkommen zwischen Nord- und Südsudan von 2005 in allen Teilen umgesetzt. Die nächsten Monate - Herr Westerwelle hat darauf hingewiesen - werden im Zeichen der Vorbereitung für das im Januar 2011 anstehende Referendum stehen. An dessen Ende könnte auch die Entscheidung für die Unabhängigkeit des Südsudan stehen. Die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft wird hierbei dringend gebraucht.

Vor diesem Hintergrund ist es folgerichtig, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die beiden Missionen - UNMIS im Südsudan und UNAMID in Darfur - um weitere zwölf Monate verlängert beziehungsweise in Kürze verlängern wird. Die Mitgliedstaaten der UN sind weiter zur Beteiligung an der Mission aufgerufen. Dem werden wir uns, wie Herr Westerwelle bereits gesagt hat, nicht verschließen.

Es ist gelegentlich wichtig, auf diesen vergessenen Konflikt und auf die Zahlen hinzuweisen, darauf, was sich im Sudan an menschlicher Dramatik abgespielt hat und weiterhin abspielt. Da haben wir zum einen die Lage in Darfur. Die Lage bleibt ohne Frage angespannt. Ich möchte einmal die Zahlen nennen: Nach UN-Schätzungen hat der Konflikt seit 2003 etwa 300.000 Menschen das Leben gekostet. Das ist zunächst einmal eine unvorstellbar hohe Zahl. Manche sagen dann zynisch: Da haben wir schon ganz andere Dinge gesehen. - Sie ist unvorstellbar hoch. 2,7 Millionen verloren ihr Zuhause. Dies ist eine gewaltige Zahl. Die Zahlen, was letztlich den Südsudan anbelangt, haben Sie genannt, Herr Strässer. Ich glaube, dass wir die Zahl der Binnenvertriebenen höher ansetzen müssen als die von Ihnen genannte Zahl von 30 000. Ich glaube, dass sie erheblich höher ist. Dies zeigt noch einmal den gesamten Komplex, vor dem wir stehen.

Zu beiden UN-Missionen im Sudan leistet die Bundeswehr einen zahlenmäßig kleinen, vergleichsweise bescheidenen Beitrag, aber trotzdem einen wichtigen und hochanerkannten. Diese Rückmeldungen bekommen wir immer wieder. Er ist gleichzeitig ein unentbehrlicher Teil der Gesamtanstrengungen der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft zur Befriedung dieser Region. Wir haben bei UNMIS derzeit 32 Soldaten der Bundeswehr als Militärbeobachter im Südsudan und in den UNMIS-Stäben im Einsatz.

Ich möchte ausdrücklich auf die fünf Polizisten hinweisen. Auch die sollten wir in den Rahmen einbeziehen. Ich glaube, wir können dankbar sein und sollten bedenken, unter welchen Bedingungen diese fünf Polizisten dort ihren Dienst vollziehen. Auch das muss man einmal sagen. Der Dank richtet sich ebenso an unsere Soldaten. Diese 32 Soldaten - wie ich zu Beginn sagte - stehen auch nicht im ständigen Fokus und Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie tun unter sehr harten Bedingungen vor Ort ihren Dienst. Auch an sie geht der Dank von uns allen.

Von ebenso großer Bedeutung für die Gesamtstabilisierung ist - wie bereits genannt - die UNAMID-Mission. Herr Strässer, Sie haben gesagt, jetzt hätten Sie es verstanden, warum wir von den 250 auf 50 runtergegangen sind. De facto ist die Lufttransportfähigkeit einfach nicht abgefragt worden. Das ist für uns natürlich auch eine Frage der entsprechenden Planbarkeit insgesamt: Was können wir vorhalten? Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, das Signal an die Vereinten Nationen zu setzen: Wir sind bereit, uns zu engagieren. Ich glaube, es ist aber auch richtig - wenn Dinge nicht abgerufen werden, weil sie nicht benötigt werden -, dass man einmal das Signal setzt, dass man bereit ist, die Dinge auch abzuschmelzen, und vielleicht in der Hinsicht auch einmal einen Weg erkennbar werden zu lassen.

Wir sind derzeit mit acht Experten in verschiedenen Stabspositionen in der Mission engagiert. Mit der Verlängerung der beiden Einsätze entspricht die Bundesregierung auch einem Anliegen des Bundestages. Sie haben auf den interfraktionellen Beschluss vom 25. März 2010 hingewiesen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, den Friedensprozess über das Referendum hinaus zu begleiten.

Ich darf Sie um Zustimmung zu den beiden Mandaten und das entsprechende Engagement bitten. Ich glaube, in der Hinsicht haben wir eine zielführende und über die jeweiligen Grenzen hinwegreichende gute Diskussion als Grundlage.


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Quelle:
Bulletin Nr. 66-6 vom 10.06.2010
Rede des Bundesministers der Verteidigung,
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zur Fortsetzung der
Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Friedensmission im Sudan (UNMIS)
und an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur (UNAMID) vor dem
Deutschen Bundestag am 10. Juni 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010