Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

REDE/828: Zu Guttenberg zur Fortsetzung des KFOR-Einsatzes der Bundeswehr im Kosovo, 20.05.10 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
"REGIERUNGonline" - Wissen aus erster Hand

Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, zur Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der NATO-geführten Mission KFOR im Kosovo vor dem Deutschen Bundestag am 20. Mai 2010 in Berlin


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen!
Meine Herren!

Kollege Erler, wir erinnern uns sicherlich noch alle genau an Thessaloniki. Thessaloniki gilt in seinen Grundausrichtungen. Das ist natürlich - das haben Sie angesprochen - an entsprechende Fortschritte, die aus der Region zu kommen haben, gebunden. Es ist aber wichtig, sich an diesen Bogen, an diesen Brückenschlag zu erinnern, der im Jahre 2003 über viele Grenzen hinweg in großer Ernsthaftigkeit vollzogen wurde.

Für manche ist es der vergessene Einsatz. Ich finde, nichts könnte falscher sein, als das in diese Richtung zu drängen. In der öffentlichen Berichterstattung ist es um den Kosovo tatsächlich vergleichsweise ruhig geworden. Jetzt kann man sagen, das verdanken wir - das ist auch so - natürlich dem Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten. Wir verdanken es auch zahlreichen diplomatischen Bemühungen, die auf den Weg gebracht wurden; sie wurden im Einzelnen angesprochen. Wir verdanken es aber auch dem Engagement vieler Vereinigungen zum Beispiel - das darf ich einmal mit Blick zu Ihnen, Herr Erler, sagen - aus unserem Land, der Südosteuropa-Gesellschaft, die sich hier sehr eingebracht und immer wieder versucht hat, die Dinge miteinander zu verknüpfen, dort kritisch zu sein, wo man kritisch sein musste, aber eben auch konstruktive Impulse zu geben.

Zur Stunde - wir diskutieren heute ja auch über die Zahlen - versehen etwa 1.500 deutsche Soldatinnen und Soldaten in unserem Auftrag ihren Dienst bei KFOR, fern der Heimat und auch unter fordernden Bedingungen. Wir neigen derzeit dazu, im Wesentlichen nur einen Einsatz und die entsprechenden Herausforderungen zu benennen. Die Bedingungen für unsere Soldatinnen und Soldaten sind auch im Kosovo fordernd. Vor dem Hintergrund erinnere ich daran, dass das einiges abfordert. Sie haben wesentlichen Anteil daran, dass das Kosovo heute ein unabhängiger demokratischer Staat ist. Was noch 2007 als Schreckgespenst an die Wand gemalt wurde, hat sich zum Glück nicht bestätigt, bei aller Wachsamkeit, die wir weiterhin an den Tag legen müssen. Das Jahr 2004 wurde erwähnt. Wir alle waren erschrocken über das, was sich dort ereignet hat, weil man auch damals glaubte, es sei um den Kosovo ruhig geworden - und das war es nicht.

Wir können jetzt mit Erleichterung und, glaube ich - das müssen wir gar nicht verhehlen -, mit einem gewissen Stolz auf diese KFOR-Operation blicken, müssen uns aber eben diese Wachsamkeit erhalten, eine Wachsamkeit, die an die nächsten und notwendigen Schritte zu binden ist. Herr Kollege Westerwelle hat auf einige Defizite hingewiesen; auch Sie haben auf einige Defizite verwiesen, die aus dem Land selbst heraus noch zu beheben sind. Hier müssen wir die Unterstützung geben, die wir geben können.

Sicherheitspolitisch ist die Lage weitgehend stabil. Ich möchte noch eine andere Zahl nennen. Mittlerweile sind wir im Kosovo von anfangs mehr als 50.000 Soldaten bei nunmehr unter 10.000 Soldaten. Schon das steht für eine Erfolgsgeschichte. Man darf auch einmal benennen, dass Auslandseinsätze eine Erfolgsgeschichte sein können. Unser deutscher Beitrag konnte von ursprünglich 6.400 Soldaten - das war im Jahre 2000 - auf ebenjene 1.500 Soldaten reduziert werden.

KFOR ist heute, bildlich gesprochen, nicht mehr die "Feuerwehr", die in der ersten Linie steht; wir haben uns mittlerweile in die dritte Reihe begeben können. Die erste Reihe bilden nun die kosovarischen Sicherheitskräfte selbst. Die Rechtsstaatsmission EULEX wurde genannt. Auch sie hat sich als ein richtiges und sehr schlüssiges Instrument erwiesen. Wir haben, wenn man so will, mit KFOR die Rolle eines Stabilitätsankers übernommen. Wir sind damit in der dritten Reihe, haben aber alle Aufmerksamkeit. Die dritte Reihe ist kein schwacher Platz. Das ermöglicht die Absenkung der personellen Obergrenze von 3.500 auf 2.500 Soldaten, die wir nun vornehmen. Jetzt mag man fragen: Wenn man dort 1.500 Soldaten hat, weshalb setzt man die Obergrenze bei 2.500 an? Ich glaube, dass es wichtig ist, für den Fall einer Lageverschlechterung einen erforderlichen Spielraum zu haben. Eine Lageverschlechterung kann sich immer ergeben. Das ist in meinen Augen generell im Blick zu behalten, wenn wir über Obergrenzen bei Auslandseinsätzen sprechen.

Die wesentliche Rolle von KFOR ist - das haben Sie, Herr Erler und Herr Kollege Westerwelle, angesprochen -, die abschreckende Präsenz, die "deterrent presence", wie es etwas martialisch umschrieben ist, zu bewahren. Sie hat aber Sinn und ist als Stabilitätselement vorerst unverzichtbar. Sie bleibt auch unverzichtbare Voraussetzung für den Ausbau staatlicher Strukturen, um den Defiziten zu begegnen, für den Ausbau wirtschaftlich funktionsfähiger Strukturen - hier ist weiterhin die Achillessehne des Kosovo; die wirtschaftliche Entwicklung ist nicht so, dass es einem Tränen der Euphorie in die Augen treibt - und insbesondere für den kulturellen und interethnischen Aussöhnungsprozess.

Hier kommt es - ja, das ist vollkommen richtig - maßgeblich auf die Rolle Serbiens an. Wenn wir in den Norden des Kosovo blicken, sehen wir, dass dort noch Eskalationspotenzial besteht. Auch dies zeigt, dass wir die personellen Spielräume brauchen, um dort gegebenenfalls eine Präsenz vorhalten zu können und einer möglichen Eskalation entgegenzuwirken. Die zweigeteilte Stadt Mitrovica steht weiterhin paradigmatisch für das hier noch vorhandene Eskalationspotenzial.

Zwischenfälle sind erfreulicherweise in letzter Zeit ausgeblieben. Das kann diesen nächsten Schritt rechtfertigen. Aber ich will eines gern aufgreifen: Für uns alle sollte gelten: together in, together out. Das ist sehr neudeutsch. - Da schüttelt es den Kollegen Westerwelle. Die englische Aussprache von KFOR ist für ihn schon zu viel, und dann auch das noch.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu sagen, dass einseitige, unilaterale Schritte nicht von Nutzen sind. Dieses Signal senden wir auch an unsere Partner im Rahmen von KFOR.

Ich glaube, insgesamt können und müssen wir von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Wir sollten das mit dem Dank an unsere Soldatinnen und Soldaten verbinden, die diesen verdient haben. Dieser Einsatz ist nicht vergessen, unsere Soldaten sind nicht vergessen. Ich bitte um die Unterstützung für die Verlängerung dieses Einsatzes.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 56-3 vom 20.05.2010
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg,
zur Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der NATO-geführten
Mission KFOR im Kosovo vor dem Deutschen Bundestag am 20. Mai 2010 in Berlin
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, D-10117 Berlin
Telefon: 01888 / 272 - 0, Telefax: 01888 / 272 - 2555
E-Mail: InternetPost@bundesregierung.de
Internet: http://www.bundesregierung.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2010