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REDE/752: Dr. Franz Josef Jung zur Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr, 18.06.09 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung,
zur Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag
am 18. Juni 2009 in Berlin


Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Homburger, Sie haben hier eine Lage beschrieben, die mit der Wirklichkeit der Bundeswehr wahrlich nicht übereinstimmt.

Ich möchte Ihnen eines deutlich sagen: Ich finde, dass unsere Bundeswehr den Transformationsprozess von einer reinen Verteidigungsarmee über eine Armee der Einheit zu einer Armee im Einsatz für den Frieden in einer hervorragenden Art und Weise bewerkstelligt hat. Bitte bedenken Sie, dass wir - aus meiner Sicht - insofern am meisten herausgefordert waren, als es einmal zwei Armeen waren, die gegeneinander ausgebildet und aufgerüstet waren und entsprechend strukturiert worden sind. Diese zwei Armeen wurden in einer beispielhaften Art und Weise zu einer Armee der Einheit und sind jetzt im Einsatz für den Frieden tätig. Deshalb geht die von Ihnen geübte Kritik wirklich an der Sache vorbei. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten einen hervorragenden Einsatz. Dafür haben Sie unseren Dank und auch unsere Unterstützung verdient.

Bedenken Sie bitte, dass aktuell rund 7.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz in den verschiedensten Operationsgebieten sind. Dazu zählen Afghanistan, der Kosovo, Bosnien-Herzegowina, UNIFIL im Libanon, Dschibuti, der Sudan, Darfur und der Einsatz vor der Küste Somalias. Sie sollen nicht nur die Bandbreite sehen, sondern auch die Aufgaben berücksichtigen. Gerade eben haben wir im Rahmen der NATO und des neuen strategischen Konzepts deutlich gemacht, dass wir natürlich weiterhin eine Aufgabe in der Schutzfunktion nach Artikel fünf des NATO-Vertrages haben. Ab September machen wir beispielsweise das Air Policing für die baltischen Staaten.

Wir haben eine Aufgabe im Hinblick auf den Stabilitätstransfer und die neuen Bedrohungslagen. Sie dürfen nicht verkennen, dass es durch den internationalen Terrorismus neue Bedrohungslagen gibt. Dies ist auch durch Krisensituationen, Staatszerfall und Massenvernichtungswaffen bedingt. Es ist also richtig, die Gefahr an der Quelle zu beseitigen; das liegt auch im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich finde, unsere Soldatinnen und Soldaten bewerkstelligen diesen Auftrag wirklich ganz hervorragend. Deshalb ist die Kritik, die Sie in diesem Zusammenhang vorgetragen haben, meines Erachtens sehr deutlich zurückzuweisen.

Die Bundeswehr genießt mit 89 Prozent hohe Anerkennung in Deutschland. Wir brauchen aber mehr Unterstützung im Hinblick auf unsere Auslandseinsätze. Deshalb werbe ich dafür, dass wir der Bevölkerung noch mehr deutlich machen, dass es etwas mit der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu tun hat, wenn unsere Soldatinnen und Soldaten beispielsweise in Afghanistan oder im Kosovo ihren Einsatz leisten. Dies hat eine Veränderung der Bedrohungslage nach sich gezogen. Die Risiken dort zu beseitigen, wo sie entstehen, ist im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger von entscheidender Bedeutung. Deshalb sollten wir alle Anstrengungen unternehmen, dass der wichtige Beitrag, den unsere Soldaten für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger leisten, noch mehr Unterstützung vonseiten der Bevölkerung erfährt.

Sie haben die Struktur der Bundeswehr angesprochen. Ich bin ein entschiedener Verfechter der Struktur der Wehrpflichtarmee, nicht nur weil sie sich in 50 Jahren Bundeswehr hervorragend bewährt hat. Ich sage Ihnen eines: Die Themen Armee in der Demokratie, Staatsbürger in Uniform und die Innere Führung haben damit etwas zu tun. Die strukturelle Entwicklung einer Wehrpflichtarmee vollzieht sich anders. Ich sage Ihnen, wie unsere Soldatinnen und Soldaten auftreten. Überall, wohin ich komme, höre ich, dass sie das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland aufwerten. Sie treten sensibel auf und gewinnen Vertrauen auch und gerade in der Bevölkerung. Daran wird deutlich, dass eine Struktur mit beispielsweise 60 000 Wehrpflichtigen, von denen sich 25 000 freiwillig weiterverpflichten, eine andere Entwicklung bedeutet. 40 Prozent unserer Berufs- und Zeitsoldaten sind Wehrpflichtige. Ich bin deshalb entschieden der Meinung, dass wir klug beraten sind, auch in Zukunft an der Struktur der Wehrpflichtarmee festzuhalten. Übrigens bestärkt mich Ihr Ehrenvorsitzender in dieser Frage. Ich höre auf seinen Rat.

Ich füge hinzu: Natürlich geht es auch um Einberufungsgerechtigkeit. Aber die Zahlen, die Sie vorgetragen haben, sind völlig abwegig. Ich habe entschieden, dass 6.500 Wehrpflichtige mehr einberufen werden. Insgesamt werden 80 Prozent der zur Erfüllung der Wehrpflicht tauglichen Jugendlichen einberufen. Das sind die konkreten Zahlen. Ich denke, dass wir insofern für Einberufungsgerechtigkeit sorgen.

Wenn ich mir die Entwicklung in der Legislaturperiode anschaue, dann finde ich, dass wir einen erheblichen Beitrag dazu geleistet haben, die Bundeswehr modern und leistungsstark fortzuentwickeln. Ich habe Ihnen die Einsätze, die hinzugekommen sind, bereits genannt. Die Bandbreite reicht vom Kongo, UNIFIL über Piraterieeinsätze bis hin zu Einsätzen in Afghanistan. Sie dürfen aber auch nicht vergessen, dass wir die Strategie verändert haben. Wir, die Bundesregierung, haben zum ersten Mal seit 1994 ein Weißbuch zur Sicherheit Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr beschlossen. Dort haben wir die Strategie der vernetzten Sicherheit niedergelegt. Diese Strategie ist nach meiner felsenfesten Überzeugung das Grundprinzip, auf dem der Erfolg gerade in Stabilisierungseinsätzen beruht. Wir haben das in der NATO entsprechend umgesetzt; darüber herrscht Einigkeit. Wir haben einen Einsatzführungsstab geschaffen, an dem nicht nur das Bundesverteidigungsministerium, sondern auch das Auswärtige Amt, das Innenministerium und das Entwicklungshilfeministerium beteiligt sind. Damit setzen wir die Strategie der vernetzten Sicherheit auch praktisch um.

Sie haben das Thema der geschützten Fahrzeuge angesprochen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Ich bin noch heute dankbar, dass ich vor zwei Jahren die Entscheidung getroffen habe, dass die Bundeswehr nur noch geschützte Fahrzeuge in Afghanistan einsetzt. Dies hat Leben unserer Soldatinnen und Soldaten gerettet. Mittlerweile sind über 700 geschützte Fahrzeuge in Afghanistan im Einsatz, sodass unsere Bundeswehr handlungsfähig ist, auch wenn es um die Schutzfunktion geht. Dies sollte vonseiten des Parlamentes auf angemessene Art und Weise gewürdigt werden.

Ich will noch den Fürsorgegedanken ansprechen. Da meine Redezeit nicht mehr zulässt, kann ich nur ein paar kurze Schlagworte nennen. Es geht hier um Themen wie das Einsatzweiterverwendungsgesetz, die Verbesserung des Rechtsschutzes und die Erhöhung des Auslandsverwendungszuschlags.

Sie haben die Besoldungsstruktur angesprochen. Zum ersten Mal seit langem haben die Soldaten wieder mehr bekommen; wir konnten den Tarifvertrag umsetzen. Wir haben die Angleichung der Besoldung in Ost und West durchgesetzt. Wir haben jetzt die Kasernensanierung West auf den Weg gebracht. Von der Wehrsolderhöhung bis zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst haben wir eine Menge in Angriff genommen. Frau Homburger, das sind konkrete Zuwendungen für unsere Soldatinnen und Soldaten, die sie dankbar zur Kenntnis genommen haben. Ich finde, das sollte auch bei Ihnen angemessene Würdigung finden.

Lassen Sie mich auf einen Punkt hinweisen. Die Soldaten leisten ihren Einsatz mit Risiko für Leib und Leben. Deshalb ist es richtig gewesen, dass der Bundespräsident unserem Antrag zugestimmt hat und wir das Ehrenkreuz für Tapferkeit kreieren konnten. Anfang Juli werden wir die erste Verleihung vornehmen können. Angesichts des schwierigen Einsatzes, den unsere Soldatinnen und Soldaten im Interesse unserer Sicherheit leisten, halte ich es für einen wichtigen Schritt, diejenigen, die mit Risiko für Leib und Leben Mut und Tapferkeit beweisen, auszuzeichnen, sodass sie die Anerkennung der Öffentlichkeit und damit letztlich auch unsere Anerkennung finden.

Weil es dazugehört, füge ich hinzu: Ich bin schon der Meinung, dass wir denjenigen, die seit Bestehen der Bundeswehr im Einsatz für Frieden und Freiheit gefallen sind oder für unsere Sicherheit ihr Leben verloren haben, ein ehrendes und würdiges Andenken bewahren sollten. Deshalb bin ich froh, dass wir noch in dieser Legislaturperiode das Ehrenmal einweihen können, und zwar an dem Platz, der für die Bundeswehr steht, nämlich am Bendlerblock.

Wenn man die Gesamtentwicklung betrachtet, kann man sagen: Es gibt nichts, was nicht weiter verbessert werden könnte - wir sind täglich darum bemüht, Verbesserungen auf den Weg zu bringen -; aber durch die Grundstruktur der Bundeswehr ist gewährleistet, dass unsere Soldaten gut ausgebildet, gut ausgerüstet und hervorragend motiviert sind. Unsere Soldaten leisten einen sehr guten Beitrag zur Gewährleistung von Frieden, Recht und Freiheit in unserem Vaterland.


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Quelle:
Bulletin Nr. 71-3 vom 18.06.2009
Rede des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung,
zur Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr vor dem Deutschen Bundestag
am 18. Juni 2009 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2009