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MILITÄR/906: USA - Kritik an geplanten Militärlieferungen für Bahrain, Menschenrechtslage bedenklich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2012

USA: Kritik an geplanten Militärlieferungen für Bahrain - Menschenrechtslage bedenklich

von Jim Lobe

Massendemonstration in Bahrain im April 2011 - Bild: © Suad Hamada/IPS

Massendemonstration in Bahrain im April 2011
Bild: © Suad Hamada/IPS

Washington, 31. Januar (IPS) - Die Entscheidung der Regierung von US-Präsident Barack Obama, den beschränkten Transfer von Militärausrüstung nach Bahrain zuzulassen, stößt bei Menschen- und Bürgerrechtsgruppen auf heftige Kritik. Ein knappes Jahr nach den ersten Protesten der Demokratiebewegung wird in dem Golf-Königreich mit neuen staatlichen Unterdrückungskampagnen gerechnet.

Gemeinsam mit Abgeordneten des Parlaments in Washington fordern die Organisationen, dass die Regierung genau offenlegt, was sie dem arabischen Staat zur Verfügung stellen will. Zugleich weisen sie darauf hin, dass die pro-demokratische Bewegung in dem Land jede Lieferung von Rüstungsgütern zurzeit als Unterstützung für ein repressives Regime betrachten wird.

"Selbst ein begrenzter Verkauf von Militärausrüstung an die Regierung von Bahrain vermittelt die falsche Botschaft", sagt David Kramer, der Vorsitzende der Organisation 'Freedom House'. Die Gruppe wird von der gemeinnützigen Stiftung 'National Endowment for Democracy' (NED) unterstützt, die ihrerseits Zuschüsse vom US-Kongress erhält.

"Solange die Regierung von Bahrain nicht die systematischen Menschenrechtsverletzungen beendet, uneingeschränkten Zugang zu Medien und internationalen Organisationen gestattet sowie sinnvolle politische Reformen einleitet, sollten die USA die Lieferung von Militärgütern nicht in Betracht ziehen", meint Kramer.


Tote durch Einsatz von Tränengas

Andere Organisationen äußern sich zurückhaltender. "Da die Einzelheiten (des Verkaufs) geheim sind, ist es schwierig, unabhängig festzustellen, ob die US-Regierung die Art von Waffen, Munition und anderer Ausrüstung liefert, die die bahrainischen Sicherheitskräfte für weitere Menschenrechtsverstöße verwenden könnten", erklärt Sanjeev Bery von 'Amnesty International'. Bery erinnert jedoch daran, dass allein im Januar neun Bahrainer durch das Einatmen von Tränengas oder an Verletzungen durch Tränengaskanister ums Leben gekommen sind.

Die Volksaufstände des 'Arabischen Frühlings' haben die langen Beziehungen zwischen Washington und befreundeten autoritären Staaten seit dem vergangenen Jahr auf eine harte Probe gestellt.

Menschenrechtsaktivisten und Anhänger von Demokratiebewegungen, die von einigen Abgeordneten Rückhalt bekommen, drängen die Obama-Regierung, die jährliche Militärhilfe von 1,3 Milliarden US-Dollar an die ägyptischen Streitkräfte so lange auszusetzen, bis der seit dem Sturz von Diktator Husni Mubarak regierende Oberste Militärrat die Verfolgung lokaler und internationaler Nichtregierungsorganisationen einstellt.

Kürzlich hat das Weiße Haus angedeutet, dass es die Hilfen tatsächlich unterbrechen könnte, wenn Kairo nicht mehreren von NED unterstützten Pro-Demokratie-Aktivisten ein Verlassen des Landes gestatten würde. Die Büros dieser Organisationen waren Anfang des Monats von ägyptischen Sicherheitskräften durchsucht worden, die ausländischen Geldgebern ägyptischer Nichtregierungsorganisationen nachspürten.

Im vergangenen Jahr hatte bereits die fortgesetzte US-Finanzierung von Anti-Terrormaßnahmen im Jemen für heftige Proteste in den USA gesorgt. Präsident Ali Abdullah Saleh, der kürzlich zur ärztlichen Behandlung in den USA eingetroffen ist, hält trotz Massenprotesten an der Macht fest.

Auch die Lage in Bahrain hat der Regierung in Washington im letzten Jahr ziemliches Kopfzerbrechen bereitet. Wie Ägypten, das sich insbesondere durch die Sicherung des Friedens mit Israel seit den Friedensabkommen von 1979 als wichtiger Partner der USA profiliert hat, gilt Bahrain als strategische Stütze in der Golfregion.


Wichtiger Alliierter in der Golfregion

In dem arabischen Staat befindet sich die Basis der Fünften Flotte der US-Marine. Bahrain gewann für Washington immer mehr an Bedeutung, als sich die Spannungen des Irans mit Israel, den von Sunniten regierten Golfstaaten und den USA verschärften. Im Gegensatz zu den übrigen Mitgliedern des Golf-Kooperationsrats herrscht die bahrainische Königsfamilie über eine mehrheitlich aus Schiiten zusammengesetzte Bevölkerung, die gemeinsam mit sunnitischen Verbündeten demokratische Reformen fordert.

Mit Unterstützung von etwa 1.500 Soldaten und Polizeikräften aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ging die Regierung von Bahrain seit Mitte März 2011 mit harter Hand gegen die Pro-Demokratie-Bewegung vor. Sie beschuldigte den Iran, die Bevölkerung zu den Protesten angestachelt zu haben.

In den folgenden Monaten wurden mehr als 40 Aktivisten getötet und mehrere Tausend Menschen festgenommen. Aus den Gefängnissen wurden zahlreiche Fälle von Folter bekannt. Hunderte Menschen verloren im Zuge einer breit angelegten staatlichen Unterdrückungskampagne ihre Arbeit.

Die US-Regierung verurteilte zwar das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten im Frühjahr, verhielt sich den Rest des Jahres jedoch eher ruhig. Im Hintergrund versuchte Obama, reformorientierte Mitglieder der Königsfamilie um Kronprinz Salman bin Hamad al-Khalifa zu Veränderungen zu bewegen - allerdings vergebens. Warnungen aus den USA, wonach die nächtlichen Razzien in schiitischen Wohnvierteln und Dörfern die Bevölkerungsmehrheit weiter gegen die Regierung aufzubringen drohten, verhallten offensichtlich ungehört.


Unabhängige Kommission belastet Bahrain

Im September teilte das Weiße Haus dem Kongress mit, dass Anti-Panzer-Raketen und gepanzerte Fahrzeuge im Wert von 53 Millionen Dollar an Bahrain verkauft werden sollten. Trotz Protesten von Abgeordneten und Aktivisten hielt die Regierung an ihrem Plan fest. Sie versprach allerdings, so lange mit der Lieferung zu warten, bis eine vom bahrainischen König eingesetzte internationale Kommission die Ereignisse des vergangenen Frühjahrs untersucht hätte.

Der im November veröffentlichte Bericht der Kommission unter Leitung des ägyptisch-amerikanischen Juristen Cherif Bassiouni forderte, die für die Razzien verantwortlichen Offiziere zur Rechenschaft zu ziehen, Gefangene freizulassen und entlassene Arbeitskräfte wiedereinzustellen. Außerdem wurde ein ernsthafter Dialog zwischen der Regierung und der Opposition angemahnt, der zu demokratischen Reformen führen soll.

Die Obama-Regierung sicherte daraufhin zu, die Militärlieferungen solange zu verschieben, bis Reformen umgesetzt seien und sich die Menschenrechtslage verbessert habe. Politische Beobachter bescheinigen der Regierung von Bahrain seither allerdings nur zögerliche Anstrengungen, die hinter den Erwartungen zurückbleiben. Menschenrechtsgruppen sprachen sogar von einer weiteren Verschlechterung der Lage.

So wurde der Leiter des anerkannten Bahrainischen Zentrums für Menschenrechte, Nabeel Rjab, Anfang Januar von der Polizei nach einer Demonstration zusammengeschlagen. Vertretern von Organisationen wie dem Freedom House und 'Human Rights First' wurde die Einreise nach Bahrain verweigert.


US-Regierung will Verkauf nicht rückgängig machen

Wie in dem Blog 'The Cable' berichtet wurde, hat die US-Regierung inzwischen jedoch weitere Schritte eingeleitet, um Militärgüter in den Golfstaat zu liefern. Darunter befinden sich "Ersatzteile und Material, die für die äußere Verteidigung Bahrains und die Unterstützung der Fünften Flotte nötig sind", heißt es unter Berufung auf das US-Außenministerium. Der Wert dieser Lieferungen sei nicht so hoch, als dass der Kongress darüber informiert werden müsse, teilte das State Department mit. Das Material könne zudem nicht gegen Demonstranten eingesetzt werden.

Etliche Beobachter warnen davor, dass die ursprüngliche Rüstungslieferung in kleinere Einheiten aufgeteilt werden könnte, um eine Abstimmung mit dem Parlament zu umgehen. Menschenrechtsaktivisten verlangen indes Details zu den verkauften Gütern.

"Über den Zeitplan für die Lieferung muss diskutiert werden", so Brian Dooley von Human Rights First. "Vor dem ersten Jahrestag der ersten großen Demonstration der Demokratieanhänger nehmen die Spannungen in Bahrain wieder zu." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.ned.org/
http://www.amnesty.org/en/region/bahrain
http://www.bici.org.bh/
http://www.bahrainrights.org/en
http://www.humanrightsfirst.org/
http://www.freedomhouse.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106592

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2012