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INNEN/1603: Kontoauszug online (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 28. Juli 2009

Kontoauszug online

Von Ulla Jelpke


Trotz der Warnungen von Datenschützern wollen die EU-Außenminister auch zukünftig US-Terrorfahndern den Zugriff auf die Bankdaten europäischer Bürger ermöglichen. Ohne jede Diskussion beschlossen die Ressortchefs bzw. ihre Vertreter am Montag in Brüssel, der EU-Kommission und der schwedischen Ratspräsidentschaft ein Verhandlungsmandat für ein entsprechendes Abkommen mit den USA zu erteilen. Der Vertrag soll nach der Sommerpause stehen. Laut Verhandlungsmandat sollen die Daten für maximal fünf Jahre zur Terrorfahndung gespeichert werden.

Erst 2006 wurde publik, daß das US-Finanzministerium bereits seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ohne eine besondere Genehmigung der EU alle Überweisungen aus Europa kontrollierte. Dazu greifen die US-Behörden auf die Daten des Überweisungsnetzwerks »Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication« (SWIFT) zurück, über das täglich fast 15 Millionen Finanztransfers zwischen rund 8300 Geldinstituten in 208 Ländern abgewickelt werden. Da SWIFT ab Herbst die europäischen Bankverbindungsdaten durch eine Verlagerung seines Hauptrechenzentrums vom US-amerikanischen Virginia in die Schweiz dem Zugriff der US-Behörden entziehen wollte, verlangen die USA nun ein Abkommen zur weiteren Nutzung der Informationen.

Verbraucherschützer kritisieren, daß die betroffenen Bürger nichts vom Zugriff auf ihre Daten erfahren. Die US-Regierung würde nicht nur Einblick in Auslandsüberweisungen, sondern auch in Transaktionen innerhalb Deutschlands nehmen können, warnte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, am Montag im Deutschlandfunk. Schaar forderte die Einbeziehung des Bundestages und des Europaparlaments. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn- Bendit, warnte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor einem Spiel mit dem Feuer, sollten die EU-Parlamentarier nicht einbezogen werden, so die Berliner Zeitung vom Montag. Nach dem geltenden Nizza- Vertrag ist für ein entsprechendes Abkommen mit den USA die Zustimmung des EU-Parlaments nicht erforderlich. Erst wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft tritt, hätte das Europaparlament ein Vetorecht.

Die Bundestagsvizepräsidentin der Fraktion Die Linke, Petra Pau, sieht in den Plänen der EU-Kommission einen Verstoß »gegen den Datenschutz und das Grundgesetz«. Laut Rechtsprechung des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts müsse sich die Bundesregierung in Brüssel widersetzen, solange der Bundestag kein grünes Licht gibt.

Wohl angesichts dieser Rechtslage warnt selbst der stellvertretende CDU/CS-Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Bosbach, vor einer bedingungslosen Zustimmung zu den US-Forderungen. »Es muß sichergestellt sein, daß der Datenschutz berücksichtigt ist und die Daten unbescholtener Bürger umgehend gelöscht werden«, erklärte Bosbach gegenüber fr-online.de. Außerdem sollte die EU Rechenschaft fordern, welche Erkenntnisse durch die bisherige Überwachung schon gewonnen worden seien. »Der allgemeine Satz 'Wir brauchen das für die Terrorfahndung' reicht mir nicht aus.«

Hinter dem Entgegenkommen der EU-Kommission an die USA steckt nicht nur Unterwürfigkeit, sondern vor allem die Hoffnung, im Gegenzug selbst an Informationen für eigene Fahndungen zu kommen. So verweist die Kommission auf einen vertraulichen Bericht des obersten französischen Ermittlungsrichters Jean-Louis Bruguière, der die Erkenntnisse aus den Abfragen des US-Finanzministeriums als wertvoll auch für die Terrorbekämpfung in Europa einstuft.


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Quelle:
junge Welt vom 28.07.2009
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2009