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VERBAND/2238: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Aktionen in 10 Landeshauptstädten (AbL)


AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Pressemitteilung, Berlin / Schwerin / Hannover / München, 11.09.2017

AbL-Aktionen heute in 10 Landeshauptstädten
Landwirtschaft und Agrarpolitik stehen vor wichtigen Weichenstellungen

AbL fordert konkrete Maßnahmen für bäuerliche Betriebe, Tierschutz und Umwelt


In 10 Landeshauptstädten von Schwerin bis München sind heute Bauern und Bäuerinnen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) vor die Ministerien und Landtage gefahren, um auf zentrale agrarpolitische Weichenstellungen hinzuweisen, die nach der Bundestagswahl dringend anstehen. "Auch wenn im Bundestagswahlkampf bisher andere Themen dominieren, stehen für unsere Betriebe und die Weiterentwicklung der Landwirtschaft äußerst wichtige Entscheidungen an. Bund und Länder sind hier gemeinsam gefordert. Sowohl wir Bauern als auch die übrige Gesellschaft braucht Klarheit darüber, was wir gemeinsam in der Tierhaltung und der Flächenbewirtschaftung ändern wollen und wie wir das konkret anpacken", mahnt der AbL-Bundesvorsitzende Martin Schulz an.

Schulz, Neuland-Schweinemäster im niedersächsischen Wendland, sagte bei der Übergabe der AbL-Forderungen in Schwerin: "Große Teile der Tierhaltung müssen aufwendig umgebaut werden. Das können die Betriebe nicht alleine stemmen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bund und Länder müssen vorhandene Fördergelder gezielt umschichten, und der Bund muss zusätzlich für die Übergangszeit einen neuen Finanzierungs-Fonds einführen. Zudem brauchen wir eine klare Tierschutz-Kennzeichnung. Der Umbau hin zu tiergerechten Haltungssystemen muss den bäuerlichen Betrieben echte wirtschaftliche Perspektiven bieten, damit sie den Weg mitgehen. Diese Aufgabe hat nach der Bundestagswahl und auf der Agrarministerkonferenz von Bund und Ländern Ende September höchste Priorität", so Schulz.

Auch bei der Bodenmarktpolitik fordern die Bauern und Bäuerinnen endlich konkretes Handeln von Bund und Ländern. "Bund und Länder dürfen nicht weiter den großflächigen Bodenkauf durch außerlandwirtschaftliche Investoren beklagen, sie müssen ihn gesetzlich beenden. Bäuerliche Betriebe und insbesondere junge Menschen, die sich in der Landwirtschaft eine Existenz aufbauen wollen, müssen ein Vorkaufsrecht erhalten", fordert der Bundesgeschäftsführer der AbL Georg Janßen bei der AbL-Aktion in Hannover.

Nicht zuletzt stehen laut AbL auch zur Umgestaltung der EU-Agrarpolitik wichtige Entscheidungen an, sowohl in Brüssel als auch bei der Umsetzung in Deutschland. "Die zukünftige EU-Agrarpolitik muss sich an Leistungen der Betriebe für die Gesellschaft orientieren. Wer hohe Leistungen z.B. für Umwelt, Tierschutz und die Vielfalt in der Landschaft erbringt, muss auch stärker gefördert werden. Bund und Länder müssen beschließen, dass sie die vorhandenen Möglichkeiten der EU nutzen und die Finanz-Umschichtungen in zielgerichtete Fördermaßnahmen und auf die ersten Hektar je Betrieb deutlich erhöhen", forderte Schulz.

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Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - September 2017

Nach der Wahl muss gehandelt werden
Konkrete Maßnahmen für bäuerliche Betriebe, Tierschutz und Umwelt


Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert die Parteien mit reeller Möglichkeit zur Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl dazu auf, sich schon jetzt auf die Umsetzung dringend notwendiger Maßnahmen in der Agrarpolitik vorzubereiten. Der angestaute Handlungsbedarf ist offenkundig. Es ist für die landwirtschaftlichen Betriebe entscheidend, dass die agrarpolitischen Aufgaben nun konsequent angepackt und gelöst werden. Dafür legt die AbL konkrete Vorschläge vor.

Tierhaltung umbauen und den Betrieben neue Chancen eröffnen

Die Tierhaltung, insbesondere die Schweine- und Geflügelhaltung, befindet sich seit Jahren in der Kritik der Gesellschaft. Der Umbau der Ställe zu Haltungsformen, in denen die Tiere ihre angeborenen Verhaltensweisen ausleben können und nicht durch schmerzhafte Amputationen von Körperteilen den Ställen angepasst werden, muss in einer Nutztierstrategie verbindlich geregelt werden. Eine klare, gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung von tierischen Produkten nach deren Haltungsbedingungen muss den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit geben, sich bewusst für Erzeugnisse aus artgerechter Tierhaltung zu entscheiden. Die Politik muss die Betriebe durch eine gezielte Förderung für artgerechte Ställe und vor allem auch Haltungsverfahren aktiv unterstützen und dafür die Förderinstrumente an wirksame Tierschutz- und Umweltstandards knüpfen. Das gilt für beide Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (siehe unten).

Der Umbau ist nicht allein aus Umschichtungen und freiwilligen Markterlösen zu finanzieren. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik geht von einem jährlichen Mehrbedarf von 3-5 Mrd. Euro in Deutschland aus. Deshalb muss die neue Bundesregierung ein befristetes neues Finanzierungsinstrument dafür schaffen. Die Förderung und das Fachrecht (insbes. Bau-, Tierschutz- und Umweltrecht) sind so zu gestalten, dass die heute noch bestehenden Betriebe eine echte Chance bekommen, den Weg wirtschaftlich mitzugehen. Bisher kennt der Strukturwandel nur eine destruktive Richtung und treibt Betriebe, Umwelt und ganze ländliche Gebiete in wachsende Probleme. Der nun anstehende Umbau der Tierhaltung bietet die Möglichkeit, wieder mehr Menschen und Betrieben eine wirtschaftliche Perspektive in der Landwirtschaft zu eröffnen.

Für fairen Handel und für Ernährungssouveränität

Der Agrarexport zu niedrigsten Preisen auf die Weltmärkte, unter anderem in arme Länder der Welt, muss beendet werden. Die einseitige Ausrichtung der landwirtschaftlichen Märkte auf profitgesteuerte Globalisierung und Liberalisierung im Sinne der Stärksten ist mitverantwortlich für die negative Agrarentwicklung, weil sie die Lebensmittelerzeugung umwandelt in eine Rohstoffproduktion zum billigsten Preis für die nachgelagerte Industrie. Dies ist eine wichtige Ursache für Hunger und Armut vieler Menschen.

Die neue Bundesregierung muss Freihandelsabkommen stoppen, die Regelungen zu Gunsten der Agrarindustrie und zum Nachteil der Bauern weltweit festlegen (z. Bsp. CETA, JEFTA). In den internationalen Agrarhandel sollen ausschließlich Qualitätsprodukte mit hoher Wertschöpfung gehen, um Dumpingeffekte zu unterbinden. Sie muss viel stärker auf direkte Beziehungen zwischen Erzeugern und Bürgerinnen und Bürger, regionale Märkte und den europäischen Binnenmarkt setzen.

Milchmarkt braucht faire Regeln und Qualitätsorientierung

Innerhalb der letzten beiden Jahre haben in Deutschland 7.400 Milchviehbetriebe aufgegeben. Das bedeutet, dass wir in der Milchkrise 2015/2016 ein Zehntel der Betriebe verloren haben. Doch trotz stark gefallener Erzeugerpreise wurde noch mehr Milch erzeugt und exportiert. Laut Bundeskartellamt versagen hier die Marktgesetze. Die Milchbauern tragen das Risiko des Marktes alleine und kommen gegen die Übermacht der Molkereien nicht an.

Die neue Bundesregierung muss daher die Regeln schaffen, die einen preisruinierenden Anstieg der Erzeugungsmengen vermeiden. Instrumente, wie eine branchenfinanzierte freiwillige Mengenreduzierung und verpflichtende Abstimmungen in den Molkereien über einen solchen "Bonus für Mengenvernunft", versetzen die Milcherzeuger in die Lage, ihren Teil der Verantwortung zur Krisenvorsorge endlich wahrzunehmen. Dazu gehört auch, die einseitige Abhängigkeit der Milcherzeuger von den Molkereien, zum Beispiel in Form langer Kündigungsfristen und fehlender Preisverhandlungen, zu beenden. Die Milcherzeuger müssen zudem mehr und aktuellere Informationen über die Marktentwicklungen erhalten.

Wie beim Fleisch muss auch bei der Milch über eine Kennzeichnung und Anschubförderung eine Marktdifferenzierung vorangetrieben werden, die sich an der Qualität der Erzeugung wie der Weidehaltung, Langlebigkeit der Kühe oder einer grasbetonten, kraftfutterreduzierten Fütterung orientiert. Zur Überwindung der ganzjährigen Anbindehaltung und der ganzjährigen Laufstallhaltung muss den betroffenen Betrieben beim Umbau von Ställen und bei der Einrichtung von Ausläufen bzw. Laufhöfen und Sommerweidesystemen durch gezielte Beratungs- und Förderangebote geholfen werden. Kleinere Betriebe sind dabei besonders zu unterstützen; sie stehen für die Vielfalt der Betriebe und Dörfer.

Natur- und Klimaschutz vorantreiben, Rückgang der Biodiversität stoppen

Die Landwirtschaft ist mitverantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt, für Fehlentwicklungen im Naturschutz sowie das Fortschreiten des Klimawandels. Die Folgen dieser Entwicklungen haben nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch eine große Tragweite für das gesamte Bundesgebiet und anderswo in der Welt, aber gerade auch für jeden einzelnen Betrieb. Es drohen Strafzahlungen seitens der EU in Millionenhöhe (z.B. Verstoß gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie, NERC-Richtlinie zur Minderung der Luftschadstoffe) und einzelbetrieblich Ernte- und damit Einkommensverluste.

Die AbL setzt sich für eine flächendeckende Ökologisierung der Landwirtschaft ein - sowohl im konventionellen, als auch im biologischen Landbau. Bäuerinnen und Bauern, die besonders umwelt- und klimaverträglich wirtschaften, müssen politisch unterstützt und gefördert werden. Als Qualitätskriterien schlägt die AbL u.a. vor: Flächengröße, Anbau von Leguminosen, weite Fruchtfolgen, reduzierte Bodenbearbeitung, Ackerrandstreifen, Hecken, Streuobstwiesen, Grünland, extensive Düngung, Verzicht auf Glyphosat, insekten- und wildtierfreundliche Bewirtschaftung, Zwischenfruchtanbau, ökologischer Landbau, Landschaftselemente, Tierhaltung auf Stroh, Auslauf und/oder Weidegang, ein möglichst geschlossener Betriebskreislauf und eine vielfältige Agrarstruktur mit einer Vielzahl von Bäuerinnen und Bauern.

Boden für Bauern und Bäuerinnen

Der anstehende Umbau in der Landwirtschaft wird nur bäuerlich und zukunftsfähig, wenn viele Bäuerinnen und Bauern mitgehen können. Dafür brauchen sie auch Zugang zu Land. Der weitgehend im Verborgenen stattfindende Einstieg von Investoren in den landwirtschaftlichen Bodenmarkt und die immens steigenden Preise für Pacht und Landkauf ziehen aber vielen Bäuerinnen und Bauern buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Die starke Landkonzentration auf immer weniger Betriebe und "Akteure" wird mittlerweile allgemein beklagt.

Die neue Bundesregierung muss nun Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit den Ländern wirksame Regeln und Kriterien im Grundstücksverkehrsrecht, im Gesellschafts- und Steuerrecht durchsetzen. Eine breite Streuung des Landeigentums, wie auch vom Bundesverfassungsgericht betont, braucht aktives Handeln. Dazu gehört, dass beim Verkauf von Flächen bäuerliche Betriebe und insbesondere junge Menschen, die eine Existenz in der Landwirtschaft gründen wollen, ein Vorkaufsrecht erhalten. Liegt der Preis für Kauf oder Pacht um mehr als 20 Prozent über dem langjährigen ortsüblichen Preis, ist eine Preis-Bremse einzuziehen. Außerlandwirtschaftlichen Investoren, die Land nur als profitable Kapitalanlage nutzen wollen, muss der Kauf von Boden untersagt werden. Dies gilt auch bei einem Kauf von Anteilen an landwirtschaftlichen Betrieben.

In Ostdeutschland hat die bisherige Privatisierungspraxis der bundeseigenen BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH) dazu geführt, dass die öffentlichen Flächen überwiegend an Großbetriebe gegangen sind. In diese Großbetriebe kaufen sich nun zunehmend außerlandwirtschaftliche Investoren ein. Solche Anteilskäufe müssen ebenfalls genehmigungspflichtig und grunderwerbssteuerpflichtig werden. Bei der Vergabe der noch 136.700 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche der BVVG müssen bäuerliche Betriebe unter 250 Hektar, Existenzgründer und Nebenerwerbsbetriebe bevorzugt werden. Die Vergabe muss transparent sein. Die verheerende bisherige Vergabepraxis muss aufgearbeitet und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Die Bodenkonzentration geht einher mit einer Konzentration der flächenbezogenen Direktzahlungen. Sehr große durchrationalisierte Ackerbaubetriebe werden dadurch bevorteilt. Eine soziale und ökologische Qualifizierung der Zahlungen kann einer solchen Konzentration entgegenwirken. Damit kann jetzt schon begonnen werden, durch einen höheren Aufschlag auf die ersten Hektare und die Umschichtung in die zweite Säule für Tierschutz- und Umweltmaßnahmen.

Gentechnikfreiheit sicherstellen, Vorsorge durchsetzen, keine Patente

Die AbL fordert die neue Bundesregierung auf, die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung sicherzustellen. Es gibt in der bäuerlichen Praxis genug acker- und pflanzenbauliche Alternativen zu den immer wieder propagierten Vorzügen der Gentechnik.

Das erfordert bundesweite, vom Bund erteilte Anbauverbote im Gentechnikgesetz und eine aktive Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern, die auf gentechnikfreie Fütterung setzen. An der Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Bestandteilen in Lebensmitteln muss festgehalten werden - ebenso wie an der Saatgutreinheit. Auf europäischer Ebene muss bei Anbau- und Importzulassungen mit "Nein" gestimmt werden.

Auch die neuen Gentechnik-Verfahren müssen als Gentechnik eingestuft und reguliert werden. Wir wollen weiterhin sichere und qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugen und den gentechnikfreien Markt bedienen können. Dafür sind Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Risikobewertung, Zulassungsverfahren und Nulltoleranz die notwendigen Instrumente. Das europäisch verankerte Vorsorgeprinzip muss konsequent durchgesetzt werden. Forschungsausgaben des BMBF sind mindestens zu gleichen Teilen für alternative Forschungs- und Züchtungsinitiativen auszugeben. Kriterien müssen sein: gentechnikfrei, nachbaufähig, anpassungsfähig an sich ändernde Umweltbedingungen und ressourcenschonender Anbau. Patente auf Pflanzen und Tiere müssen wirksam verboten werden.

Nachbau beim Saatgut nicht bekämpfen, Saatgutfonds einrichten

Im europäischen und deutschen Saatgutrecht muss die neue Bundesregierung dafür eintreten, dass die Saatgutvielfalt garantiert und der Zugang zu Sorten nicht beschränkt wird. Der Streit zwischen Züchtern und Landwirten um Nachbaugebühren und das Ausforschen der Bauern ist zu beenden. Anstelle von Nachbaugebühren muss ein Saatgutfonds vom Staat eingerichtet werden. Mit diesem Fonds werden zu gleichen Anteilen im konventionellen und ökologischen Bereich nachbau- und samenfeste sowie gentechnikfreie Züchtungsprojekte gefördert.

Mit der EU-Agrarpolitik gesellschaftliche Leistungen honorieren

Nach der Bundestagswahl beginnt die nächste Phase der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Ende des Jahres 2017 will die EU-Kommission in einer politischen Mitteilung Hinweise darauf geben, was sie bei den Direktzahlungen, in der Marktordnung und in der Förderpolitik für die Ländliche Entwicklung ändern will. Die Verordnungsentwürfe sind dann für Mitte 2018 angekündigt. Es hängt stark von der neuen Bundesregierung ab, ob diese Reform Perspektiven für bäuerliche Betriebe, für eine gesellschaftlich unterstützte Tierhaltung und Flächenbewirtschaftung und für lebendige ländliche Regionen bietet.

Die AbL fordert, die Direktzahlungen nicht länger als pauschale Flächenprämien je Hektar Betriebsfläche zu verteilen. Denn diese Art der Geldvergabe subventioniert vor allem den Flächenbesitz und ist blind für die gesellschaftlich gewünschten Leistungen, die die Betriebe erbringen. Bei diesem bisherigen System profitieren ausgerechnet diejenigen, die am meisten Fläche haben und am wenigsten gesellschaftliche Leistungen etwa für Naturschutz, Umwelt und Tierschutz erbringen. Und das, obwohl an vielen Stellen mehr Leistungen erforderlich sind, um Fehlentwicklungen wie den Artenrückgang, einen zu hohen Tierbesatz pro Fläche und den Verlust vielfältiger Betriebs- und Landschaftsstrukturen zu stoppen.

Die AbL schlägt vor, die Zahlungen nach dem Umfang der gesellschaftlichen Leistungen, die die Betriebe erbringen, zu bemessen. Honoriert wird so, wer gesunde Lebensmittel erzeugt, soziale Arbeitsplätze bietet, Tiere artgerecht hält, Grünland nutzt, eine vielfältige Fruchtfolge mit Leguminosenanteil beachtet, Landschaftsstrukturen erhält bzw. schafft, wirksame Maßnahmen zum Insekten-, Trinkwasser- und Klimaschutz anpackt und so einen aktiven Beitrag zur Artenvielfalt und für die Umwelt leistet.

Die Honorierung muss dabei über einen reinen Ausgleich von Mehrkosten bzw. Mindererträgen hinausgehen und auch einen finanziellen Anreiz beinhalten, diese Leistungen zu erbringen.

Über ein Punktesystem werden entsprechende Kriterien auf Grundlage bereits vorhandener Daten erfasst und so die Leistungen bewertet. Indem auch grundlegende Kriterien zur Tierhaltung (flächengebundene Tierhaltung, artgerechte Haltungsverfahren) einbezogen werden, können tierhaltende Betriebe mehr Punkte erreichen. Damit wird die Benachteiligung der Tierhalter im jetzigen System pauschaler Flächenprämien beendet.

Über ein gestaffeltes Vorgehen wird erreicht, dass die Zahlungen nicht linear mit der Betriebsgröße ansteigen, sondern degressiv verlaufen und ab bestimmten Obergrenzen je Betrieb nicht mehr weiter wachsen. Die Zahlungen sollen gezielt die Vielfalt der Betriebe stärken, den Wert kleinerer und mittlere Betriebe anerkennen und junge Menschen zum Einstieg in die Landwirtschaft ermutigen.


Den Einstieg in eine derartige die gesellschaftlichen Leistungen honorierende und qualitätsorientierte Förderpolitik kann Deutschland jetzt schon vollziehen. Die bestehende EU-Verordnung gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen großen Teil der Direktzahlungen differenziert und zielgerichtet einzusetzen. Davon muss die neue Bundesregierung Gebrauch machen. Das gilt umso mehr, als noch nicht klar ist, wann die Reform auf EU- Ebene tatsächlich greifen wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine weitgehende Reform erst 2022/23 kommen wird. Deshalb muss die Bundesregierung die vorhandenen Möglichkeiten zu Umschichtungen der EU- Mittel in Deutschland bis zum Sommer 2018 beschließen und an die EU melden:

1.) Die Anhebung der Umschichtung auf die ersten Hektare je Betrieb von heute 7 auf 30 Prozent der Direktzahlungen. Das EU-Recht ermöglicht dabei ein gestaffeltes Vorgehen. Das sollte die Bundesregierung nutzen, um im Zuge der höheren Umschichtung schon die einzelbetrieblichen gesellschaftlichen Leistungen (siehe oben) zu berücksichtigen und zu honorieren.

2.) Die Anhebung der Umschichtung von der ersten in die zweite Säule von 4,5 Prozent auf 15 Prozent der Direktzahlungen für Tierschutz- und Agrarumweltmaßnahmen. Auch hier sind die einzelbetrieblichen gesellschaftlichen Leistungen (siehe oben) zu berücksichtigen und zu honorieren.

3.) Begrenzung der Direktzahlungen (Basisprämien) je Betrieb auf 150.000 Euro je Betrieb im Jahr.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 11. September 2017
AbL - Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Bahnhofstraße 31, 590067 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: info@abl-ev.de
Internet: www.abl-ev.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2017

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