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MEDIEN/207: "Heimat ist das neue Bio" - Interview zur Romantisierung der Landwirtschaft (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 8. Dezember 2011

"Heimat ist das neue Bio"

Deutsche Bauern Korrespondenz: Interview zur Romantisierung der Landwirtschaft


"Wir befinden uns im dritten Jahr der Wirtschafts- und Finanzkrise. Psychologisch betrachtet, handelt es sich um eine Glaubens- und Vertrauenskrise. Die Menschen haben das Gefühl, dass unsere Maximierungskultur abgewirtschaftet hat. Zwar funktioniert oberflächlich noch alles, der Arbeitsplatz ist noch vorhanden, der Geldautomat wirft noch Geld aus. Gleichzeitig schwelt aber das Gefühl, dass uns der Absturz droht." Das sagte Stephan Grünewald, Psychologe und Mitbegründer des Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen in Köln im aktuellen Interview der Dezemberausgabe der Deutschen Bauern Korrespondenz (dbk). Dieses offenbar erschütterte Vertrauen in das Wirtschaftssystem und zum Teil auch in die politischen Akteure, analysierte Grünewald weiter, würde von den Menschen mit einer Rückkehr in die regionale Überschaubarkeit kompensiert. "Heimat" sei dabei "das neue Bio", weil Heimat für einen überschaubaren Kosmos stehe. Mit Heimat verbinde man auch fürsorgliche Qualitäten und die Suche nach Regeln oder neuer Moral. So achteten die Verbraucher beim Einkauf verstärkt auf regionale Produkte und ob die Hersteller Nachhaltigkeitsregeln befolgt hätten, so Grünewald. Auch seien die Menschen durchaus bereit, für solche Produkte, die mit dieser "heimatlichen Fürsorglichkeit" verbunden würden, einen höheren Preis zu bezahlen.

Die Landwirte als Produzenten der Nahrungsmittel müssten sich aber bewusst machen, dass die Verbraucher in sich widersprüchlich seien: "Einerseits feilscht der Verbraucher im Discounter um jeden Cent und kauft die Wurst zu Dumpingpreisen, will aber gleichzeitig das Gefühl haben, dass das gekaufte Fleisch von einem einzelnen Tier ist, das auf der Weide stand." Dabei konstruiere er ein romantisches Bild von Landwirtschaft, wie es auf einigen Wurstverpackungen zu finden sei, wo der Bauernhof in hügeliger Landschaft liege und sich Rind und Schwein in friedlicher Eintracht auf den Weiden tummeln. Der Verbraucher sehe die Bauern dabei in der Fürsorgepflicht für alles was wächst und gedeiht, während der Konsument selber die Hoffnung hege, dass diese friedvolle Harmonie über den Verzehr der Produkte in das eigene Leben einkehre. Andererseits bekämpfe der Verbraucher alles, was die Romantisierung und sein konstruiertes Idyll störe.

Entscheidend sei deshalb, so Grünewald im Gespräch mit der dbk, dass der Verbraucher bei allen Formen der Tierhaltung einen Ausgleich zwischen Effizienz und verträglichen Lebensbedingungen für die Tiere empfinde. Ebenso wichtig sei, dass die Realität kein ungutes Gefühl beim Verbraucher verursache. Voraussetzung dafür ist nach Ansicht Grünewalds "eine gewisse Ästhetik", die aber nicht erst per Bildbearbeitung entstehe dürfe, sondern bereits in der realen Tierhaltungswelt vorhanden sein müsse. Denn, so Grünewald, es könnten nur die Tiere "schön" dargestellt werden, denen es auch gut gehe. Letztendlich müssten sich die Landwirte an den Haltungsbedingungen in ihren Ställen messen lassen.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. Dezember 2011
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2011