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MARKT/1899: Milch-Angebotssteuerung auf US-amerikanisch (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 349 - November 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milch-Angebotssteuerung auf US-amerikanisch
Neuer Gesetzesvorschlag regelt Milchmarkt nicht im Sinne vieler Erzeuger

von Sonja Korspeter


Schon seit 2007 schlagen einzelne Bauernorganisationen in den USA immer wieder die Einrichtung einer Mengensteuerung am Milchmarkt durch die öffentliche Hand vor. Angesichts der großen Preisschwankungen am amerikanischen Milchmarkt und den daraus resultierenden Einkommensproblemen für die Milcherzeuger nehmen inzwischen auch Erzeugergenossenschaften und traditionelle Bauernverbände das Wort Angebotssteuerung in den Mund. So Randy Mooney, Milcherzeuger aus Missouri und Präsident der Vermarktungsgenossenschaft Dairy Farmers of America: "Wir können weiter wachsen und die Welt mit unserer Milch versorgen, solange wie die US Milchwirtschaft das will, aber wir brauchen ein System, das das Angebot an die Nachfrage anpasst und die Erzeuger darin unterstützt, in einem Bereich zu bleiben, in dem die Erzeugung profitabel ist."


Neuer Gesetzesvorschlag

Seit dem Sommer 2010 wurden mehrere Vorschläge, wie eine Form von Milch-Mengenregulierung in die zukünftige US-amerikanische Agrarpolitik einfließen kann, im Repräsentantenhaus und Senat diskutiert. Der Dairy Security Act will ein Sicherheitsnetz schaffen und das bestehende Milchpreissystem reformieren. Er basiert auf einem Konzept der National Milk Producers Federation (NMPF), dem Dachverband der Genossenschaften für die Vermarktung der Milch. Diese betreiben eine intensive Lobbyarbeit für ihr Konzept. Die Bandbreite der Reaktionen ist gross. Während einige einflussreiche Politiker, die Mitglieder von NMPF und ein Teil der traditionellen Bauernverbände den Reformvorschlag unterstützen, sind viele Bauernorganisationen skeptischer. Das Sicherheitsnetz soll aus einem Margen-Schutz-Programm und einem Milch-Markt-Stabilisierungsprogramm bestehen. Praktisch muss man sich das Ganze so vorstellen: Mein Einkommen als Milcherzeuger sinkt, entweder weil die Futterkosten gestiegen sind und der Milchpreis gleich geblieben ist; oder weil der Milchpreis gesunken ist. Dies kann an einer veränderten Nachfragesituation liegen oder aber an meiner Schwächeposition gegenüber der Molkerei. Gegen letztere Ursache nützt das neue Gesetz nichts. Auf eine gesunkene Nachfrage will man zukünftig mit einem geringeren Milchauszahlungspreis reagieren und hofft so, dass Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht kommen. Alle Erzeuger erhalten nun weniger Geld von der Molkerei, nachdem sie wegen der schlechten Margen bereits zwei Monate lang weniger Geld verdient haben. Drosseln sie ihre Produktion, ist der Verlust etwas geringer. Da sie auch Geld in eine Risikoversicherung gesteckt haben, können sie darüber den gesamten Verlust etwas verringern. Von Kostendeckung aus dem Milchpreis steht in dem Gesetzesvorschlag gar nichts. Und auch die Mengenregulierung greift erst, wenn es schon fast zu spät ist; sie ermöglicht den Erzeugern kein vorausschauendes Planen. Die Milcherzeuger, zusammen mit den Steuerzahlern, finanzieren so die Kosten für die Risiken einer Überproduktion von der die Milchindustrie profitiert, ohne dass sie als Erzeuger einen realen Einfluss auf Menge oder Preis erhalten.


Keine Stärkung der Erzeuger

Hier setzt auch die Kritik der National Family Farm Coalition (NFFC), dem Dachverband der Familienbetriebe, an. Er bemängelt, dass mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag die Preiskontrolle weiterhin bei den Molkereien bleibe und dass die Erzeugersituation sich durch die neue Abhängigkeit von der "Margen-Versicherung" noch verschlechtern würde. "Als Verband für die Milcherzeuger halten wir ein staatlich gefördertes, aber letztendlich privates Versicherungsprogramm für den völlig falschen Weg, Milcherzeuger für ihre Milch zu bezahlen." Der Verband führt in einer Presseerklärung weiter aus: "Es gibt keinerlei Grund zur Annahme, dass dieses System zu höheren Milcherzeugerpreisen führen wird, geschweige denn eine Weitergabe des Profits aus dem Verkauf der Endprodukte durch die Molkereien an die Milcherzeuger stattfindet. Wir wollen einen echten Wettbewerb, der auf fairen Milcherzeugerpreisen und dem Aufbrechen der monopolistischen Kontrolle der Genossenschaften beruht, die weder im Interesse ihrer Mitglieder noch im Interesse der Verbraucher handeln."

Banken würden zukünftig eventuell darauf bestehen, dass der Erzeuger eine Margenversicherung abschließt, bevor Kredite vergeben werden. Somit wäre die Freiwilligkeit des Programms in Frage gestellt. Kleine Betriebe, die bisher bei sehr niedrigen Marktmilchpreisen Direktzahlungen aus einem Kompensationsprogramm erhielten, werden mit einer Margenversicherung schlechter gestellt als vorher und sind unter Umständen in ihrer Existenz gefährdet. Die Mitgliedsverbände des NFFC treten für die Wiedereinführung des "Federal Milk Marketing Improvement Act" ein, der es Milcherzeugern ermöglicht, die Milchmenge selbstfinanziert und eigenständig zu steuern und so kostendeckende Milchpreise zu erzielen. Die Debatten in den USA zeigen deutlich, dass wo Mengenregulierung draufsteht nicht automatisch Agrarpolitik für nachhaltige, flächendeckende Landwirtschaft drin steckt. Es kommt entscheidend auf die Ausgestaltung an. Die Erzeuger müssen Einfluss auf die Steuerung der Menge haben und dürfen nicht nur diejenigen sein, die sie ausführen. Der beschriebene Gesetzesvorschlag bietet große Einsparpotenziale in der Milchpolitik. Angesichts der angespannten Finanzlage und des geplanten Schuldenabbaus kein unwichtiges Argument in der Debatte um die Neugestaltung der Farm Bill in 2012 - jenem Äquivalent zur gemeinsamen Agrarpolitik der EU.


Sonja Korspeter, Mitarbeiterin im European Milkboard


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 349 - November 2011, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2011