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LANDWIRTSCHAFT/1704: Was kostet der Wandel in der Nutztierhaltung? (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Was kostet der Wandel in der Nutztierhaltung? Mehraufwand auf dem Weg zu mehr Tierwohl erfordert neue Einkommensquellen für die Höfe

Von Christine Weißenberg


Ein Umbau der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl wird, rein ökonomisch betrachtet, Mehrkosten verursachen. Deren Größenordnung ist bisher zumindest grob auf drei bis fünf Milliarden Euro jährlich geschätzt worden. Das entspreche "etwa drei bis fünf Prozent der Aufwendungen für Nahrungsmittel privater Haushalte" oder "etwa 60 bis 100 Prozent des heutigen Jahresbudgets für die landwirtschaftlichen Direktzahlungen [aus dem EU-Haushalt] in Deutschland", so die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik (WBA) beim Bundeslandwirtschaftsministerium in ihrem Gutachten "Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung" von März 2015.

Diverse Mehrkosten

Für diese Schätzung wurde zunächst auf Grundlage verfügbarer Studien eine Bandbreite der erwarteten Kostenerhöhungen je Tierart zusammengestellt. Einbezogen wurde die Umsetzung bestimmter Maßnahmen, die vom WBA als zukünftig notwendig angesehen werden ( u. a. reduzierte Besatzdichte, organisches Beschäftigungsmaterial, Außenklimakontakt, Verzicht auf kupierte Schwänze oder gekürzte Schnäbel bzw. auf Enthornung). Auch die Umstellung hin zu einem durch bestehende Labelprogramme (Tierschutzlabel, Bio, Neuland) definierten Premiumstandard wurde berücksichtigt. Dabei wurden die Schweinemast inklusive Ferkelerzeugung und die Rindermast mit jeweils 28 bis 42 Prozent Kostenerhöhungen als die Bereiche bestätigt, die vor den größten Veränderungen stehen. Die Mehrkosten im Legehennenbereich wurden mit 9 bis 24 Prozent angegeben, die für die Hühnermast mit 9 bis 22 Prozent. Die Bandbreite für die Milchviehhaltung wird, je nach Möglichkeit Weidegang umzusetzen, von "relativ geringen Zusatzkosten" bis hin zu einem "höheren zweistelligen Prozentbereich" eingeschätzt. Die Mehrkosten könnten auf den Betrieben auch erheblich höher ausfallen, wenn z.B. ein Stallneubau, unabhängig von betrieblichen Entwicklungsschritten, oder umfangreiche Umbauten notwendig werden. Die Kosten erhöhen sich außerdem durch Zielkonflikte mit anderen Anforderungen, z.B. im Umweltschutz.

Besser und weniger

Der WBA spricht auch die besondere Herausforderung auf den Höfen an: Wegen der geringen Margen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse können selbst geringfügige Erhöhungen der Kosten für viele Betriebe zu existentiellen Schwierigkeiten führen. Das bedeutet, es besteht die Gefahr eines verstärkten Strukturwandels "bei einem fehlenden Ausgleich durch höhere Marktpreise oder Zahlungen im Rahmen privatwirtschaftlicher oder staatlicher Programme". Für die gesamte inhaltliche und finanzielle Gestaltung des Umbauprozesses fordern die Mitglieder des WBA, eine bundeseinheitliche Strategie mit kurz-, mittel- und langfristigen Zielen und Schritten zu entwickeln und einen langfristig tragfähigen gesellschaftlichen Konsens anzustreben. Dazu passen würde nach Ansicht des WBA ein Leitbild "besser und weniger": "Eine Transformation von der Strategie der Mengenausweitung und Kostenführerschaft zu einer Differenzierungsstrategie mit höherer Wertschöpfung pro Produkteinheit eröffnet verbesserte Möglichkeiten für Tier- und Umweltschutz." Die WissenschaftlerInnen betonen: "Tierschutzprobleme können nicht allein durch Anhebung von Mindeststandards gelöst werden. Insgesamt bedarf es eines Politik-Mixes, der gesetzliche Mindeststandards, Selbstbeschränkungsabkommen/Brancheninitiative und Labelprogramme mit staatlichen Kompensationszahlungen im Rahmen der zweiten oder auch der ersten Säule [des EU Agrarhaushaltes] koppelt."

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 406 - Januar 2017, S. 12
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2017

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